Gespräch mit Katrin Wichmann
Was hat Sie an dieser fast wahnhaft agierenden Peggy interessiert?
Ich fand es reizvoll, dass Peggy nicht als eine schlecht gelaunte, total frustrierte und unglückliche Frau dargestellt wird, sondern ich sie als einen Menschen spielen konnte, der auch liebevoll und herzlich ist, den man versteht und auch irgendwie mag, der sich aber komplett verzettelt, weil er falsche Entscheidungen trifft und absolut schlimme Dinge tut. Wir wollten das nachvollziehbar machen. Mir hat auch der Humor gefallen, der schon im Drehbuch angelegt war. Das war echt gut geschrieben.
Peggy entwickelt eine regelrechte Obsession für das neu in die Nachbarschaft gezogene Ehepaar. Verkörpern die beiden auch ein gesellschaftliches Glücksversprechen, von dem sie sich ausgeschlossen fühlt?
Genau, sie fühlt sich davon ausgeschlossen. Sie sitzt an der Kasse und wird übersehen. Niemand erinnert sich an ihr Gesicht, obwohl sie sich immer so liebevoll herrichtet und sich Gedanken darüber macht, was sie anzieht. Aber sie gehört eben nicht zu denen, die sich den Champagner an der Kasse kaufen, sondern zu denen, die das doof einscannen – den ganzen Tag. Dorle Bahlburg hat die Ausstattung auch toll gemacht. Das Haus, in dem wir gedreht haben, erzählt unheimlich viel. Jede Fensterbank ist von Peggy liebevoll bestückt mit kleinem Krimskrams. Sie ist jemand, die sich ganz viel Mühe gibt und versucht, aus allem etwas Besonderes zu machen. Nur wird das überhaupt nicht wahrgenommen und das lässt in ihr eine Missgunst wachsen.
Aber Ihr Mann sieht das doch. Ihm scheint das alles ganz gut zu gefallen.
Ihr Mann ist ihr einfach zu einfältig. Sie hat das Gefühl, er gibt sich mit allem zufrieden, er will nur sein Bier trinken und einen gemütlichen Feierabend verbringen. Sie stellt höhere Ansprüche ans Leben und hat sich das alles mal ein bisschen anders vorgestellt.
Peggy bricht bei den Nachbarn ein, um den Lottoschein zu suchen. Entwickelt sie keine Schuldgefühle?
Peggy hat tatsächlich keine Gewissensbisse. Sie ist ein Mensch, der viel zu wenig Anerkennung bekommt in seinem Leben, und sie macht den gedanklichen Fehler, alles auf materielle Dinge zu beziehen. Sie denkt, wenn man reich ist, dann gehört man zu den Anderen. Dieser Frust, dass sie schon ganz lange ganz unten ist, dass alle auf ihr herumtrampeln, hat sich über viele Jahre in ihr angestaut. Sie denkt wirklich – und da bin ich persönlich dann emotional auch nicht mehr bei ihr –, sie hat das Recht, da einzubrechen und den Lottoschein zu suchen. Sie denkt, das steht mir zu, jetzt bin ich mal dran. Und sie geht dabei auch schlau vor. Sie verwischt alle Spuren und weiß, was man tun muss, damit das nicht auffliegt.
Steckt in jedem von uns eine Peggy?
Ich glaube schon, dass man sich extrem in etwas verrennen kann. Materielle Missgunst kann ich nicht nachvollziehen. Das liegt vielleicht auch daran, weil es bei mir immer für das, was ich wollte, irgendwie gereicht hat. Aber ich kann total verstehen, wenn man sich in Eifersucht hineinsteigert. Aus meiner Vergangenheit kenne ich das aus Liebesbeziehungen, dass man wirklich einen Tunnelblick hat und nicht mehr objektiv gucken kann und überwältigt wird von diesem Gefühl. Das macht einen auch ganz klein und hässlich und genau das ist auch mit Peggy passiert. Es ist ein ganz schrecklicher Zustand. Ich kann dieses Gefühl verstehen.
Es gibt diese Schlüsselszene im Auto mit Borowski, in der Peggy ihm einen tiefen Einblick in ihr Seelenleben gewährt. Warum öffnet sie sich ausgerechnet dem Kommissar?
Er imponiert ihr und sie fühlt sich geehrt, weil er in ihr etwas sieht, was sonst niemand sieht. Sie sagt zu ihm: "Alle denken ich bin doof, aber Sie denken das nicht." In diesem Moment hat sie völlig vergessen, dass sie etwas Schlimmes gemacht hat und er in dieser Sache ermittelt. Sie fühlt sich wie seine Komplizin, als er sagt "Sie könnten bei mir anfangen". Da träumt sie sich weg und denkt, ja, das könnte ich auch, wir sind auf einer Augenhöhe. Borowski schafft es, sie menschlich zu berühren.
Der Film beginnt mit einer sehr schrägen Szene, die einen sofort in die Wut der Peggy hineinzieht. Hat es Spaß gemacht, diese Szene zu spielen?
Wir haben an dieser Szene zwei Tage lang gedreht. Weil ich vom Theater komme, hat mir das sowieso totalen Spaß gemacht, so richtig laut herumzuschreien und dann alles kaputtzuhauen. Ich habe mich richtig verausgabt an diesem Rasenmäher, und die Anderen am Set dachten, das ist zu krass für mich, aber ich fand es ganz toll. Bei Peggy ist es eben so, wenn die Gegenstände nicht mitmachen, haben sie ein Problem, weil Peggy einfach alles kurz und klein macht, was ihr in den Weg kommt. Dieses Surreale und Überzeichnete, das der Film an manchen Stellen hat, ist sehr schön.
Andreas Kleinert dreht oft mit Theaterschauspielern. Merkt man das?
Auf jeden Fall, denn wir haben ganz viel geprobt. Die Stimmung war sehr konzentriert. Vorher wird viel besprochen. Dann müssen alle raus, nur die Schauspieler, Andreas, der Regieassistent und der Kameramann sind im Raum und wir proben. Anschließend kommen alle rein und die Szene wird einmal vorgespielt, richtig in Ruhe, da wird sich eine Stunde Zeit genommen und dann eingerichtet und gedreht. Andreas Kleinert arbeitet immer sehr gründlich mit den Schauspielern. Das gefällt mir.
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