Luise Aschenbrenner
Interview mit der Episodenhauptdarstellerin
Sie sind nicht zum ersten Mal in einem Tatort zu sehen. Was hat Sie an diesem Drehbuch und an der Rolle der Greta Blaschke überzeugt?
Das kann man eigentlich gar nicht in zwei Sätzen beantworten. Vieles! Das fängt beim Rettungsdienst an und hört bei dem Nachnamen "Blaschke" auf. Mich hat die Rolle von Anfang an interessiert. Eine junge, mutige Frau, die in ihrem Beruf an ihre Grenzen stößt. Eine alleinerziehende Mutter, die im Plattenbau in Prohlis lebt, ihr eigenes Leben aufgebaut hat, weiß, was Nachtschicht bedeutet und trotzdem versucht, für ihre Tochter da zu sein. Ach ja, und ich teile ihre Vorliebe für Rollkragenpullover.
Wie haben Sie sich auf die Rolle der Greta Blaschke vorbereitet, speziell auf das Gefühl, wie es ist, die Verantwortung für das Überleben eines Menschen im Extremfall zu übernehmen?
Ich hatte die Möglichkeit, einen Tag in einer Rettungswache hier in Dresden zu verbringen. Dort konnte ich viel fragen, mir wurden die Fahrzeuge gezeigt, der Aufenthaltsraum, die Schlafzimmer, falls man sich zwischen zwei Einsätzen hinlegen muss. Mir war es vor allem wichtig, mit den weiblichen Kolleginnen zu sprechen, weil der Rettungsdienst vor allem aufgrund der körperlichen Anstrengungen eher Männer anzieht. Interessant war vor allem, dass man extreme Situationen gewöhnt ist. Familientragödien oder auch die Einsamkeit von manchen Patienten sind nicht immer leicht zu ertragen. Oft hatte man dort einen schwarzen Humor, den man, glaube ich, haben muss, wenn man sich vor zu vielen Gefühlen schützen möchte. Auf die Frage, was für sie die schlimmsten Einsätze sind, sagten die meisten: "Wenn Kinder sterben". Für Kolleginnen und Kollegen, die mit einem Fall psychisch länger zu kämpfen haben, was immer wieder vorkommt, gibt es auch einen psychologischen Ansprechpartner. Zur Aufheiterung hat mir aber noch einer der Sanitäter das Buch "Schauen Sie sich mal diese Sauerei an" von Jörg Nießen ans Herz gelegt. Er hatte es in seinem Urlaub gelesen und Tränen über den schwarzen Humor und die nüchterne Darstellung gelacht. Er meinte, das würde die alltägliche Situationskomik seines Berufs bestens treffen. Ich hab‘s während des Drehs gelesen!
"Rettung so nah" greift ein Thema auf, das aktuell in den Medien präsent ist – die Zunahme von Aggression und Gewalt gegenüber Rettungskräften, Polizei oder Feuerwehr. Haben Sie dazu eigene Beobachtungen gemacht und eine Idee, woher dieses Verhalten rühren könnte?
Grundsätzlich kommt man als Rettungssanitäterin immer in Extremsituationen, in denen man auf Menschen trifft, die Angst haben. Die Leute sind angespannt, man macht sich Sorgen um einen Angehörigen, oder es können Drogen im Spiel sein. Einsätze auf öffentlichen Plätzen ziehen natürlich auch Schaulustige an. Das alles kann Grundlage für eine Eskalation sein. Zusätzlich habe ich gerade das Gefühl, dass die Grundstimmung der Bevölkerung durch unsere Ausnahmesituation "Corona" geladener geworden ist. Man fühlt sich machtlos gegen etwas, das man noch nicht einmal mit bloßem Auge sehen kann. Etwas, das einen zwingt, seine Freunde nicht mehr zu sehen, Unternehmungen im öffentlichen Raum einzuschränken und einen auf sich und seine Wohnung zurückwirft. Und das führt dann wie in anderen Extremsituationen auch zum selben Ergebnis: Die Machtlosigkeit gegenüber den eigenen Ängsten und das Gefühl, nichts dagegen tun zu können, hat zur Folge, dass die Menschen nicht mehr wissen, gegen wen oder was sie ihre ganze angestaute Wut eigentlich richten sollen. Ein Virus kann man nicht verprügeln. Genauso wenig, wie man Eifersucht oder Einsamkeit verprügeln kann. Deswegen bekommen es dann die ab, die am "greifbarsten" zu sein scheinen. Obwohl das leider die sind, die einem helfen wollen.
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