3 Fragen an Regisseurin Brigitte Maria Bertele
3 Fragen an Regisseurin Brigitte Maria Bertele
Was hat Sie an der Geschichte, die sich in einem engen gesellschaftlichen Milieu abspielt, gereizt?
Da unsere ganze Gesellschaftsstruktur von dem Prinzip der sogenannten Eliten durchzogen ist und wir alle direkt davon betroffen sind, fand ich es sehr reizvoll, mich damit auseinanderzusetzen.
Statistisch gesehen konnten in Deutschland Kinder aus unteren sozialen Schichten ihre relativen Bildungschancen seit fast 50 Jahren nur unwesentlich erhöhen – von Bildungsfortschritten unter Migranten ganz zu schweigen. Zwar sind in allen Ländern der Welt Kinder aus oberen Schichten erfolgreicher als Kinder schlechter gestellter Eltern, aber deren Bildungschancen schnitten in vergleichbaren Ländern signifikant besser ab. Für Deutschland gilt weitgehend die soziale Vererbung des elterlichen Status und geringe Permeabilität.
Sogenannte Eliten halten ihre Zirkel gerne geschlossen, und die Privilegien und Netzwerke werden nach wie vor häufig entlang der Blutlinie weitergegeben. In meinen Augen lohnt es sich, zu hinterfragen, was sogenannte Eliten überhaupt zu Eliten macht: Sind diese auf einem bestimmten Gebiet tatsächlich mit herausragender Expertise und Brillanz ausgestattet oder ist der Elitestatus vielmehr ein selbst ernannter, für sich beanspruchter, ererbter oder durch finanzielle Mittel erworbener?
Die Rituale der Studenten "Colloquium Conatus" haben ihre eigene Gesetzmäßigkeit. Wie haben Sie sich darauf mit den Gewerken Kostüm, Maske und Szenenbild vorbereitet? Was waren die Herausforderungen?
Das Colloquium Conatus im Film ist eine eigene Welt mit einem diffizilen Kanon aus Regeln und Ritualen. In enger Zusammenarbeit mit dem Drehbuchautor Michael Comtesse haben wir uns vergleichbare Vereinigungen angesehen, deren Regelwerke und Rituale studiert und uns davon inspirieren lassen. Da das Colloquium Conatus ja ein fiktiver Bund ist, hat es große Freude gemacht, eine eigene Welt zu erschaffen, die in sich schlüssig ihren eigenen Regeln und Gesetzen folgt. Bei den Recherchen sind wir aber auch auf Rituale gestoßen, die sehr extrem sind und die man in einer Filmerzählung als ausgedacht und unglaubwürdig empfinden würde, auf deren Adaption wir also verzichtet haben. Dieses Erschaffen einer eigenen Welt zog sich dann durch alle Gewerke, Bildgestaltung, Szenenbild, Kostüm und Maske. Angefangen von dem Entwerfen eines Logos, von Kleidungscodes und Interieurs bis hin zur Lichtgestaltung haben alle Gewerke sehr eng vernetzt miteinander gearbeitet und es als Geschenk empfunden, diese inhärente Filmwirklichkeit erschaffen und definieren zu können.
Der Tod der Studentin Mina wurde am Gendarmenmarkt gedreht, was war da logistisch zu bewältigen?
Im Kontakt mit den Behörden für die Filmarbeiten auf dem Gendarmenmarkt mussten wir sicherstellen, dass die Dreharbeiten als solche erkennbar gemacht werden, um Passanten nicht unnötig zu beunruhigen. Als wir in der Mitte des Gendarmenkarktes den Gedenkort mit Fotos und Blumen für den fiktiven Charakter Mina eingerichtet hatten und vorbeigehende Menschen betroffen näher kamen, bis sie den Aufsteller "Filmarbeiten" lesen konnten und sich dann erleichtert abwandten, hatte ich schon ein mulmiges Gefühl, weil solche Bilder ja leider inzwischen Teil unseres kollektiven Unterbewussten geworden sind und damit Teil unserer möglich gewordenen Realität. Das finde ich für eine demokratische Gesellschaft zutiefst bestürzend.
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