Gespräch mit Friedrich Ani (Drehbuch)

Friedrich Ani
Drehbuchautor Friedrich Ani | Bild: dpa

Ihr Buch führt uns in eine deutsch-syrische Gemeinschaft in Oldenburg. Sie haben einen syrischen Vater, sind aber in Deutschland geboren und aufgewachsen. Spielt die syrische Herkunft Ihres Vaters in Ihrem heutigen Leben eine Rolle?

In meinem heutigen Leben spielt die Herkunft meines Vaters eher eine geringe Rolle. Er ist vor zwei Jahren verstorben, und wir hatten auch nie große Gespräche über seine Heimat. Er hatte immer wieder Kontakt zu seiner Familie und ist auch dort hingereist, aber es war nicht so, dass die Echos seiner Heimat Einfluss auf meine Stimme genommen hätten. Ich kann auch nicht Arabisch sprechen. Ich bin nur insofern mit dem Land und seiner Kultur vertraut, als mich das natürlich interessiert hat. Aber da mein Vater selbst sehr distanziert war, hat sich das nicht konkret auf mich ausgewirkt.

Was hat Ihnen den Anstoß zu "Die Feigheit des Löwen" gegeben?

Im Vorfeld der Geschichte und des Drehbuchs haben wir darüber gesprochen, welche Themen man mit diesen drei Kommissaren erzählen kann. Zwei davon sind ja bei der Bundespolizei, die bei ganz bestimmten Delikten ermittelt, und da bot es sich schnell an, etwas über Kriegsflüchtlinge zu machen. Aber wir wollten natürlich keinen bebilderten Leitartikel machen, sondern wir wollten eine Geschichte erzählen, die von Leuten handelt, die schon hier leben und deren Leben durch die Begegnung mit einem Familienmitglied aus der alten Heimat aus den Fugen gerät. Wir wollten eine intime Familiengeschichte erzählen. In dem Zusammenhang erschien uns auch die Berichterstattung über jetzt aus Syrien nach Deutschland kommende Flüchtlinge hilfreich. Wir haben sehr viel Material gesammelt und ausgewertet.

Falke und Lorenz sind oft mit Flüchtlingsschicksalen konfrontiert. Diesmal rücken diese Figuren sowie das Milieu, dem der Fluchthelfer Azim entstammt, stärker in den Fokus. Welche Gedanken standen dahinter?

Wir erzählen die Geschichte einer Familie, die durch die Ankunft eines Familienmitglieds aus dem Kriegsgebiet ihre Routine verliert. Denn nur so ist das erzählbar, ohne dass man eine plakative Geschichte macht und sagt, wir erklären euch jetzt mal, wie das so ist als Flüchtling in Deutschland. Der Erzählstrang der Mutter mit den zwei Kindern ist natürlich auch der Arbeit der Bundespolizei geschuldet und den harten Schicksalen, die so ein Bundespolizist bewältigen muss, wenn er diese Arbeit macht. Wir wollten das persönliche Empfinden der Ermittler mit einbauen; sie sollten nicht nur nüchtern von außen draufschauen auf die Welt dieser Familie oder auf die Welt dieser syrischen Gemeinde, sondern uns hat interessiert, wie es denen damit geht.

Die Ermittler stehen nicht nur vor einer Welt, die ihnen fremd ist, sondern auch innerhalb des Freundeskreises und dieser Familie gibt es eine Menge Rätsel und Geheimnisse …

Das eigentlich Interessante ist ja, dass jede Familie ihre Geheimnisse, ihre Lügen und ihre versteckten Tricks hat. Natürlich ist das auch in dieser Gruppe von Syrern nicht anders. Da gibt es zunächst mal die gleichen Strukturen, weil es erst mal nur eine Familie oder ein Freundeskreis ist, und plötzlich tauchen da ganz andere Hintergründe auf. Tapetentüren tun sich auf und Abgründe, und der arme Arzt, der hier im Mittelpunkt steht, muss plötzlich feststellen, dass er für ein Intrigenspiel benutzt wird. Das muss nicht immer mit so etwas Schrecklichem wie einem Bürgerkrieg verbunden sein, aber Intrigenspiele in der Familie sind uns doch allen vertraut.

Ahmad Shuk, der ebenfalls zur Gruppe gehört, ist auf eine grausame Weise zu Tode gekommen. Ist diese Todesart selbst ausgedacht?

Es gab am Anfang noch eine andere Variante, aber ich habe mich dann für diese entschieden, weil sie sehr ungewöhnlich und so bösartig ist. Sie entlarvt den Täter in seiner Abgründigkeit und in seiner ganzen bösen Struktur.

Führen Sie so etwas wie ein Archiv der Todesarten?

(lacht) Nein, so ein Archiv habe ich nicht, aber das ist ja nicht meine erste Kriminalgeschichte. Ich bin jemand, der gerne Berichte aus der Pathologie liest und Ermittlungsberichte der Polizei über Todesfälle. Da gibt es natürlich alle möglichen Varianten, aber diese habe ich nicht gefunden. Also dachte ich, okay, die verwende ich jetzt mal.

Der Titel spielt auf ein arabisches Sprichwort an. Wie lautet das genau und warum haben Sie es für diesen Krimi ausgewählt?

Das Sprichwort lautet: "Der Löwe ist ein Feigling in einem fremden Land." Solche Sprichwörter zu lesen, ist einfach eine schöne Beschäftigung für mich. So wie ich Bücher mit arabischen Märchen habe, habe ich auch Bücher mit arabischen Sprichwörtern; es gibt einfach wahnsinnig viele davon. Ich habe mich da ein bisschen eingelesen, und dann fiel mir auf, dass gerade dieses Sprichwort gut für die Persönlichkeit des Harun Massoud passt, der sozusagen die dunkle Seite seines Bruders Nagib verkörpert.

Sie sind sowohl für Ihre Kriminalromane als auch für Ihre Drehbücher mehrfach ausgezeichnet worden und in vielen Genres zu Hause. Worin liegt für Sie der Reiz des Schreibens fürs Fernsehen?

Der liegt erst einmal darin, dass ich einfach grundsätzlich gerne Drehbücher schreibe; ich mag diese reduzierte Form. Ich mag es, dass man Figuren über ihre Dialoge charakterisieren kann und über ihre Handlungsweise. Fernsehen hat natürlich den Nachteil, dass es sehr reglementiert ist. Man hat exakt 88 Minuten und man muss aufpassen, nicht zu viele Figuren zu haben. Das macht das Ganze immer ein bisschen anstrengend. Im Laufe der letzten Jahre hat sich für mich herausgestellt, dass das Schreiben fürs Fernsehen für mich dann reizvoll ist, wenn das Team stimmt. Das ist eigentlich die Voraussetzung. In diesem Fall war es so, dass ich davor mit meiner Co-Autorin Ina Jung einen anderen Film geschrieben habe, den auch Dagmar Rosenbauer produziert hat. Das war "Das unsichtbare Mädchen", und daher kannten wir uns. Sie hat mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, für diesen "Tatort" zu schreiben. Ich hab daraufhin einen Vorschlag gemacht und traf dann Donald Kraemer, den Redakteur, den ich als ungemein sachlich und unaufgeregt erlebt habe. Diese Zusammenarbeit war von Anfang an extrem fruchtbar und kreativ, und als der junge Marvin Kren dazukam und wir bis zum Schluss noch gemeinsam an dem Drehbuch gebastelt haben, das war toll. Ich hab wieder was gelernt, ich hatte Freude bei der Arbeit, und das allein war es schon wert.

Wie gefällt Ihnen die Umsetzung des Stoffs durch Marvin Kren?

Ich hab die Schnittfassung gesehen und war hingerissen. Ich finde den Film toll. Es sind einige Sachen im Schnitt wieder rausgeflogen, über die wir uns ewig den Kopf zerbrochen hatten (lacht), wie das immer so ist. Marvin hat das noch mal wunderbar komprimiert. Die Dramatik unter den Figuren ist sehr stark, und natürlich sinke ich jedes Mal in den Staub, wenn ich daran denke, dass Abu Nazir aus "Homeland" bei uns mitspielt. Navid Negahban ist ein Hollywood-Schauspieler, der in einer der besten TV-Serien der letzten Jahremitgespielt hat! Als mir erzählt wurde, wir sind an dem dran, habe ich gedacht, das ist bestimmt nur Spaß. Und als es dann wirklich geklappt hat, war ich total gerührt. Das ist wirklich eine Sensation! Er ist ja nicht umsonst in der Rolle des bösesten Film-Terroristen aller Zeit besetzt worden; er kann das mit unglaublich wenig Aufwand ausspielen. Ich sag so was eigentlich nie, aber ich bin ein bisschen stolz darauf, dass er bei uns mitspielt und ich sogar einen wundervollen Tag mit ihm auf Sylt verbringen durfte.

Nach vier Münchner "Tatorten" haben Sie nun erstmals für das Team um Thorsten Falke geschrieben. Was gefiel Ihnen am speziellen Konzept dieser Reihe? Wie verlief Ihre Auseinandersetzung damit?

Das Konzept ist klasse, schon allein deshalb, weil das Thema Bundespolizei noch relativ unverbraucht ist im Krimi. Ich finde im Übrigen auch, dass Wotan Wilke Möhring die ideale Besetzung dafür ist. Der verkörpert das; man glaubt ihm sofort, dass er bei so einer Art Polizeieinheit ist. Petra Schmidt-Schaller ist eine ungewöhnlich starke junge Schauspielerin, die auch mit Nuancen spielt. Sie braucht wenig Aufwand, um ihre Gedanken und Empfindungen zu zeigen. Und Sebastian Schipper, der Kumpeltyp, ist ideal für diese Figurenkombination von zwei Freunden, die bei der Polizei sind, deren Wege sich aber getrennt haben. Die Grundkonstellation war für mich also schon Grund genug, da unbedingt mitzumachen. Diese drei Schauspieler sind eine echte Bereicherung für den "Tatort".

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