Gespräch mit dem Drehbuchautor Patrick Brunken
Erben hat eine hochemotionale Seite, auch wenn es nicht um große Vermögen oder Firmen geht. Zu Erben oder gerade nicht, lässt Konflikte aufbrechen. Was hat Sie am Erben/Vererben und der Familienkonstellation der Klinglers interessiert?
Die Klinglers sind rein personell zum einen eine leicht wiedererkennbare Familienaufstellung von Firmenerben – genretypisch und beinahe schon stereotyp für Whodunits, in denen es um große Erbschaften und Nachlässe geht. Besonders interessant finde ich dabei aber, wie die verschiedenen Vertreter*innen der »Generation Erbe« mit der daraus entstehenden Verantwortung umgehen. Da gibt es ja ganz verschiedene Beispiele. Manche sind sich ihres Privilegs und ihrer Verantwortung bewusst, andere verdrängen die erfolgreich. Es ist halt auch bequemer, sich auf die eigenen Möglichkeiten und Chancen zu konzentrieren und nach vorne zu sehen, als dahin zurück, wo das dafür nötige Vermögen eigentlich herkommt. Das eigene Privileg ist ja nicht ohne Grund oft auch ein blinder Fleck. Eine besondere Form von Heuchelei ist es aber, wenn man den dann partout nicht sehen will, obwohl man es besser wissen müsste – und sich dabei vielleicht noch als besonders achtsam oder aufgeklärt inszeniert, sich im Recht sieht, oder gar als Opfer. Da gibt es ja jüngst ein paar Beispiele.
Aus Sicht der Klinglers ist es selbstverständlich, dass sie erben. Die Kommissare stellen diese Praxis, bei der in Deutschland große Summen in Familien bleiben, schon eher in Frage. Zementieren wir damit gesamtgesellschaftlich Ungleichheit?
Ganz einfach: Ja. Über die Hälfte aller privaten Vermögen in Deutschland stammt mittlerweile nicht mehr aus der eigenen Hände Arbeit, sondern aus Erbschaften. Eine persönliche, aber zunehmend auch gesamtgesellschaftliche Frage von Haben und Sein, ein Haus zu bauen oder nicht, von Herkunft und Zukunft. Für Florenz konnte gezeigt werden, dass die meisten Familien der heutigen Spitzenverdiener schon vor 600 Jahren reich waren – und die heute ärmsten Familien schon damals arm. Erben mag also irgendwo auch glücklicher Zufall sein, aber nicht zuletzt ist es –- wie gesagt – ein vererbtes Privileg, bestens gehütet von einer großen Lobby: All denen, die irgendwann mal auf einen mehr oder weniger großen Erbfall hoffen. Richtig viel erben aber nur die wenigsten, und die Schere der gesellschaftlichen Ungleicheit geht dadurch immer weiter auseinander. Aber wie gesagt: Wer auch nur die geringste Hoffnung hat, macht da trotzdem mit und merkt nicht mal, dass er längst zu den Benachteiligten gehört. Das Erbrecht ist eine dringend reformbedürftige Gesellschaftsfrage, aber ein extrem heißes Eisen.
Im Zuge der Ermittlungen wird deutlich, dass es nicht nur um die Weitergabe von Materiellem und den Gradmesser von Anerkennung oder Zuneigung geht, sondern auch um das Erbe von Schuld durch Zwangsarbeit und um Wiedergutmachung. Warum haben Sie diese Konstellation gewählt?
In dieser Konstellation tritt die oben beschriebene Ungerechtigkeit und auch die Heuchelei im Umgang damit, am deutlichsten zutage. Übrigens auch kleinere und mittelständische deutsche Firmen würde es heute wohl gar nicht mehr geben, wenn hierzulande nicht gezielt Menschen unter unwürdigen Umständen ausgebeutet worden wären. Die so genannte Wiedergutmachung war ein schlechter Witz und ein Feigenblatt: viel zu spät und viel zu wenig, weder von der Politik noch von der Industrie gewollt. Es geht dabei auch um Anstand und Demut: Sich klar zu machen, wem dieses Land seinen Wohlstand mit zu verdanken hat, anstatt es gezielt zu verdrängen.
Welche Rolle spielt das Schweigen bzw. Verschweigen dabei?
Das Schweigen ist der besagte blinde Fleck der Familie, das Unaussprechliche: Warum manche heute noch immer reich sind, andere aber arm. Elisabeth hat lange gebraucht, sich dem zu stellen – und geholfen hat ihr die Zuneigung einer betroffenen Frau, deren »Firmenerbe« ihr Chancen und eine Zukunft verbaut hat
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