Gespräch mit Rolf Basedow

Rita Holbeck und Mike Nickel
Rolf Basedow schrieb die Vorlage zum "Tatort: Borowski und der Himmel über Kiel" und zeichnet sich durch glaubwürdige und vielschichtige Charaktere aus. | Bild: NDR / Christine Schröder

»Ich wollte von Menschen erzählen, die der Droge verfallen sind.«

Wie kam es zu der Idee, sich mit Crystal Meth als Thema für einen "Tatort" auseinander zu setzen?

Als ich eine Geschichte suchte, erinnerte ich mich an einen Artikel, den ich vor Jahren im SZ-Magazin gelesen hatte. Darin ging es um ein Dorf im Erzgebirge, das von Crystal Meth abhängig ist. Dann kam mir ein Fotobuch in Erinnerung, das ich immer großartig fand: "Raised by Wolves" von Jim Goldberg, das Geschichten von Teenagern aus dysfunktionalen Familien erzählt, die von zu Hause weggelaufen und im Drogenmilieu der 80er- und 90er-Jahre gelandet sind. Es geht darin aber auch um Liebe und Freundschaft zwischen diesen Kindern. Dann habe ich mich mit zwei Mordermittlern getroffen und bin mit ihnen meine skizzierte Ermittlungsgeschichte durchgegangen. Dadurch konnte ich sie aus den Augen der Kommissare sehen. Das bügelt so manchen fiktiven Irrtum glatt und es kommen vor allem neue Ideen. Die daraus resultierende Fassung sehen dann die Redaktion, der Produzent und der Regisseur. Die sagen was dazu und es entwickeln sich neue Aspekte … Der Kieler "Tatort" erlaubt es, parallele Geschichten zu erzählen. So musste ich nicht nur den Ermittlerblick beibehalten, sondern konnte auch eine Liebesgeschichte erzählen.

Wie und wo haben Sie über Crystal Meth und seine Auswirkungen recherchiert?

Ich war in einer Therapieeinrichtung im Erzgebirge. Dort haben mir Betroffene und ein Therapeut wichtige Einblicke in Suchtkarrieren gegeben und ich habe etwas über die Therapie erfahren. Im Wesentlichen ging es darum zu erfahren, wie sich die Sucht anfühlt, wie sich das Denken, das Fühlen und die Wahrnehmung verändern.

Wo Crystal gekocht wird und wie es nach Deutschland gelangt, spielte keine Rolle. Warum?

Ich wollte von Menschen erzählen, die der Droge verfallen sind. Die ganze Fallhöhe dieser Droge beschreiben und auch davon erzählen, wie eine junge Frau versucht, davon loszukommen.

Sie nutzen die Befragung von Rita für ausgedehnte Rückblenden, die die Vorgeschichte erzählen. Birgt dieses nichtlineare Erzählen nicht die Gefahr, dass der Zuschauer irritiert wird?

Das Erinnern ist ja bei jedem allgegenwärtig, und kein Medium kann das Erinnern besser ausdrücken als der Film. Rückblenden empfinde ich eher als organisch, auch wenn die vorgestanzte Erzählformel das eher ausschließen möchte. Aber gerade bei einer Detektivgeschichte, die die Vergangenheit aufklärt, ist das doch verständlich. Die Betroffenen sind mit der Vergangenheit in ihren Gefühlen, Gedanken und Träumen verbunden. Das sind in diesem Fall auch Gespensterwelten und Zerrbilder. Oder wie die Regie es filmisch darstellt: Sie lässt die Vergangenheit ins Bild treten. Der tote Freund steht plötzlich neben Rita, berührt sie. Sie kann ihn sogar riechen. Es gibt diesen guten Satz, der sinngemäß heißt: "Die Vergangenheit ist nicht vorbei, sie ist noch nicht einmal vergangen." Davon erzählt auch diese Geschichte.

"Borowski und der Himmel über Kiel" strahlt eine subtile Brutalität/Aggressivität aus, die sich aus dem Thema, der Inszenierung, der stahlgraublauen Farbgebung, der zum Winter bereiten Landschaft ergibt. Wie haben Sie es angestellt, dass diese emotionale Wirkung es vom Drehbuch in den Film geschafft hat? Ist dafür eine enge Absprache mit dem Regisseur notwendig?

In den Drehbuchbesprechungen werden ja bereits einige Aspekte der Form ausgetauscht. Doch am Ende des Tages sind es die Regie, die Kamera, Schauspieler und andere, die die filmische Form schaffen. Ein Drehbuch ist ein Zwischenprodukt, ein Teil einer längeren Kette.

Hat der Titel "Borowski und der Himmel über Kiel" etwas mit der früh-winterlichen, klaren Kälte oder dem Land um Kiel herum zu tun?

Der Wort "Himmel" hat, glaube ich, eine weitgehend positive Bedeutung. Der Titel sollte ein Verweis darauf sein, dass die Geschichte auch etwas Tröstliches bereit hält.

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