"Sie ist ein Buch mit sieben Siegeln"
Gespräch mit Franziska Weisz
Welchen Stellenwert hat die Rolle einer "Tatort"-Kommissarin für Sie?
Es ist ein bisschen so, als dürfte ich dem Idol meiner Kindheit die Hand schütteln. Die "Tatort"-Fanfare ist eines der ersten Geräusche, an die ich mich bewusst erinnern kann. Sie kündigte immer Spannung an und ertönte zu einer Uhrzeit, zu der ich normalerweise schlafen gehen sollte. Meistens durfte ich dann noch fünf oder zehn Minuten aufbleiben. Bei meiner ersten Berlinale stand ich einmal auf dem roten Teppich wenige Meter von meinem großen Vorbild Jerry Lewis entfernt. Mein Herz schlug wie wahnsinnig und ich dachte, jetzt bin ich Teil einer Branche, die ich mein ganzes Leben lang bewundert habe. Beim ARD-Krimi kommt noch etwas anderes hinzu: Wie die meisten Filmschaffenden freue ich mich, wenn meine Arbeit viele Menschen erreicht – beim "Tatort" stehen die Chancen schon recht gut!
Sind Sie selber ein großer Fan?
Unbedingt, meine ganze Familie schaut "Tatort". Wir werden am Premierenabend alle gemeinsam mit Herzklopfen vor dem Fernseher sitzen. In meinem Freundeskreis in Berlin und in Wien gibt es gleich mehrere Gruppen, die sich zum Sonntagskrimi verabreden.
Wie sind Sie die Kommissarin geworden?
Man lud mich ein, an einem Casting im kleinen Kreis teilzunehmen. Dazu gehörten der Redakteur, die Produzentin, die Casterin und natürlich Wotan. Ich las einen Entwurf der Rolle und spielte eine kleine Szene vor. Eine Woche später rief mich die Casterin an. Sie sagte: "Sitzt Du? Du hast die Rolle!" Tatsächlich saß ich, allerdings im Auto. Also bin ich rechts rangefahren und habe vor Freude halb Moabit zusammengeschrien. Danach musste ich mehrere Monate geheim halten, dass ich die Neue bin, was extrem schwierig war. Nur mein Freund und meine Mutter wurden eingeweiht.
Was gefällt Ihnen an der Figur der Polizeioberkommissarin Julia Grosz?
Dass sie niemandem gefallen will. Seit ihrer Zeit als Ausbilderin in Afghanistan trägt sie eine schwere Last mit sich herum, die sie hinter einem emotionalen Panzer verbirgt. Weil es ihr ziemlich egal ist, was die anderen über sie denken, weist sie anfangs auch Kommissar Falke schroff zurück. Wir sind ja alle so erzogen worden, immer höflich zu sein und andere nicht vor den Kopf zu stoßen. Grosz ist vollkommen frei von solchen Konventionen. Sie hat schon zu viele Dinge erlebt und zu viele Verluste erlitten, um sich auch noch darum zu kümmern, wie sie bei ihren Mitmenschen ankommt. Sie ist ein Buch mit sieben Siegeln. Ich freue mich darauf, in den nächsten Folgen neue Seiten an ihr zu entdecken.
Ist sie uneitel?
Auf eine gewisse Art, da sie nicht darauf achtet, wie sie bei einer Sache rüberkommt. Doch sie will sich weder für dumm verkaufen lassen noch die Schwächere sein und kleinbeigeben. Sie hat schon ihren Stolz.
Sie lacht das erste Mal in der letzten Minute des Films. Ist der Humor nicht etwas ungleich verteilt?
Ich würde Humor und Lachen nie in einen Topf werfen! (lacht). Aber es stimmt, Falke und Grosz sind da sehr unterschiedlich – das erzeugt die Spannung zwischen den Kommissaren. Würden beide permanent Witze reißen, wäre es ja langweilig. Wotan hat sehr viel Charme und Humor, davon gibt er seiner Figur eine Menge ab. Schön finde ich die Szenen, in denen Falke versucht, Grosz aus der Reserve zu locken, um hinter ihr Geheimnis zu kommen. Diese Differenzen auszukosten, ist viel lustiger und lustvoller, als gleich auf Harmonie zu setzen. Nur um Sie zu beruhigen: Am Set haben wir oft gelacht, gemeinsam.
Umso mehr versteht sich Grosz auf Action. Wo haben Sie gelernt, kräftig zuzuschlagen?
Ich habe früher Kampfsport betrieben und meine Kenntnisse für die Rolle ein wenig aufgefrischt. Ansonsten haben mir die Stuntleute am Set erklärt, mit welchem Schlag ich Falke wirksam von den Beinen hole oder die Pistole richtig halte. Mein Ehrgeiz war groß, die Actionszenen echt aussehen zu lassen.
Warum passen Falke und Grosz so gut zusammen?
Die beiden sind völlig unterschiedliche Temperamente, aber am gleichen Punkt im Leben angekommen. Sie begegnen einander, als sie von der Welt nichts mehr wissen wollen. Zwischen ihnen wird es immer Reibungen geben, doch sie spüren, dass sie sich aufeinander verlassen können und am gleichen Strang ziehen. Beide sind in ihrer Art äußerst direkt.
Welche Szene war für Sie die größte Herausforderung?
Es war die allererste Szene am allerersten Drehtag. Ich wusste seit Monaten, dass ich "Tatort"-Kommissarin bin, obwohl ich zwischendurch ins Grübeln kam: Komisch, lange nichts von der Produktion gehört, bin ich es wirklich noch oder haben sich die Pläne geändert? An meinem ersten Drehtag nahm ich mir vor, alles ganz bewusst wahrzunehmen. In der ersten Szene fahre ich Auto, das mache ich im Alltag gut und gern, aber vor der Kamera bekam ich leise Panik: O mein Gott, wenn jetzt der Wagen absäuft und Wotan sitzt daneben, es wäre das Peinlichste der Welt! So fühlt sich ein erster Drehtag an.
Sie kamen als Neuling in ein eingespieltes Team. Brauchten Sie eine gewisse Eingewöhnungszeit?
Ich wurde vom ganzen Team wunderbar aufgenommen und unterstützt. Es ging hoch professionell zu. Jeder wusste, je mehr wir kooperieren, desto einfacher ist es für uns alle. Wotan hat mir auch mit seinen Kenntnissen über die Polizeiarbeit sehr geholfen. Es war unser erster gemeinsamer Film. Er ist ein phantastischer Kollege, voller Energie und voller Ideen, die aus ihm nur so heraussprudeln. Jeder Drehtag war ein Fest!
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