Di., 22.02.22 | 22:10 Uhr
Das Erste
ZERV – Die Ermittler
Es ist eine unglaubliche Geschichte im Rahmen der Wiedervereinigung Deutschlands, die bisher in den Medien nur selten eine Rolle spielte: Die Geschichte einer Sondereinheit, die kapitale Verbrechen aus der Zeit der DDR und der Wende ermitteln und aufklären sollte.
1992 beginnt die Zentralstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität, kurz „ZERV“, ihre Arbeit. Es ist die größte SoKo der Kriminalpolizei in der Geschichte der Bundesrepublik – und bis heute ist sie so gut wie unbekannt. Im Jahr 2000 endet sie nach einem nervenaufreibenden Wettlauf gegen die Zeit, gegen die Verjährung und die Fallstricke zwischen zwei Staaten. Zeit musste ins Land gehen, um von den acht Jahren des Bestehens dieser Sonderkommision erzählen zu können. Zu viele Fälle wurden damals verschwiegen oder unter „den Teppich“ gekehrt, zu viele Geheimnisse galt und gilt es auch heute noch zu hüten. Die Ermittler und Kriminalbeamten der ZERV stehen für diesen Film erstmals exklusiv vor einer Kamera und geben Auskunft über ihre Arbeit zwischen zwei Systemen. Regisseurin Heike Bittner und Co-Autor Tom Kühne gehen nach über 20 Jahren mit ihnen gemeinsam noch einmal auf Spurensuche.
Die 30-Minütige Doku „ZERV – Die Ermittler“ für Das Erste nimmt zwei spektakuläre Fälle der Sonderkommission in den Blick. Kurz nach dem Mauerfall, im Dezember 1989, entdecken Bürgerrechtler ein Waffenlager bei Rostock. Auch in den Kellern des Bereiches KoKo – der geheimnisumwitterten Abteilung Kommerzielle Koordinierung der DDR - finden sich diverse Jagd- und Sportwaffen von SED-Parteigrößen. Das Überraschende: Darunter befinden sich auch Waffen aus westlicher Produktion. Wolfgang Böckel – heute Kriminalhauptkommissar a.D. – soll ermitteln, was es mit den Waffen auf sich hat – woher sie stammen. Akribisch verfolgen er und seine Kollegen die Verkaufswege – und helfen mit, am Ende einen Mann vor Gericht zu bringen, der als quasi unantastbar galt: Alexander Schalck-Golodkowski, ehemaliger Chef der KoKo und zuständig für Devisenbeschaffung der DDR.
Martina Starke kommt als Ermittlerin aus Coburg nach Berlin. Eigentlich hat sie sich nur für ein Jahr zur ZERV verpflichtet. Doch es gibt einen Fall, der sie nicht loslässt: Ein Mann, der in der DDR in den 1970er Jahren wegen Spionage zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Bis zum Schluss beharrte er darauf, kein Spion zu sein. Es gibt keinen Tatort mehr, nur Archive stehen ihr zu Verfügung. Die Aktenberge wachsen. Martina Starke hofft darauf, irgendetwas zu finden, um diesen vermeintlichen Spion heute rehabilitieren zu können. Aus einem Jahr ZERV werden vier Jahre intensiver Polizeiarbeit, wie Martina Starke sie noch nie erlebt hat. Die Arbeit der Ermittler findet unter schweren Bedingungen statt: Es sind die Jahre unmittelbar nach der Wende, die neue Behörde startet aus dem Nichts. Es gibt keine Strukturen, keine Dienstwege, am Anfang nicht einmal ein Gebäude – dafür massenweise Kartons, Akten und Fälle, die aufgeklärt werden müssen. Die Ermittler kommen bis auf wenige Ausnahmen aus den alten Bundesländern und finden sich in einem Strudel wieder aus Chaos und Überforderung, aber auch: aus ungeahnten Freiheiten und Möglichkeiten. Die drohende Verjährung der Fälle und der Wettlauf gegen die Zeit – bis zum Schluss werden viel zu wenige Ermittler viel zu viele Fälle bearbeiten müssen - und manche Akten bleiben den Beamten verschlossen, denn Ost war mit West und West mit Ost an manchen Stellen stärker miteinander verbunden als erwartet.
Für die Dokumentation von Regisseurin Heike Bittner und Co-Autor Tom Kühne stehen exklusive Dokumente zur Verfügung: die originalen Ermittlungsakten der Kriminalbeamten. Diese galten lange als „verschwunden“ – und werden für diese Serie das erste Mal wieder geöffnet. Sie enthalten die originalen Protokolle der Vernehmungen, die persönlichen Notizen, Schlussfolgerungen, Zeichnungen, Fotos der Ermittler und ihrer Fälle – optisch hochwertig in Szene gesetzt. Für die Dokumentation „ZERV – Die Ermittler“ tauchen die Beamten nach 25 Jahren noch einmal tief ein in ihre Fälle und in die Zeit der Verbrecherjagd nach der Wende. Kameramann Jürgen Rehberg inszeniert sowohl für die Interviews als auch für die Akteneinsicht mit den Ermittlern intim anmutende Erinnerungsräume, in denen Projektionen Brücken schlagen zwischen Archivmaterial und persönlichem Erleben.
Online first ab 15. Februar in der ARD Mediathek
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