Di., 11.04.23 | 05:30 Uhr
Service: Reisen mit Handicap
mit Kay P. Rodegra, Rechtsanwalt
In Deutschland leben über 7,5 Millionen Menschen mit einer Behinderung. Hinzu kommt eine große Anzahl von Menschen, die aufgrund ihres Alters oder einer vorübergehenden Verletzung oder Erkrankung in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Viele Menschen mit körperlichen Einschränkungen sind reisefreudig, scheuen aber wegen befürchteter Strapazen und Hindernisse einen Urlaub oder eine Reise. Die Sorge ist aber in vielen Fällen unbegründet. Der Gesetzgeber hat den Touristikunternehmen viele Pflichten auferlegt, damit mobilitätseingeschränkte Personen auf Reisen gehen können.
Pauschalreise
Mit Einführung des neuen Reisevertragsrechts im Jahr 2018 wurden Reiseveranstalter stärker in die Pflicht genommen, Kunden mit einer Behinderung umfangreich über angebotene Reisen zu informieren und auch während der Reise Hilfe anzubieten. Bereits vor der Buchung muss der Reiseveranstalter Angaben darüber machen, ob eine Reise und auch angebotene Ausflüge für Personen mit eingeschränkter Mobilität geeignet sind. Enthalten die vorvertraglichen Informationen des Reiseveranstalters hierüber keine Aussage, kann der Reisende im Umkehrschluss davon ausgehen, dass die Durchführung der Reise möglich ist.
Wer aber ein barrierefreies Hotelzimmer oder eine entsprechende Kabine auf einem Schiff benötigt, muss diese konkret anfragen und sich vertraglich bestätigen lassen. Die Angabe eines Kundenwunsches im Rahmen der Buchung genügt nicht. Kommt der Urlauber während der Reise in Schwierigkeiten, muss der Reiseveranstalter Beistand leisten. Ist etwa aus gesundheitlichen Gründen ein Abbruch des Urlaubs notwendig, muss der Reiseveranstalter weiterhin als Ansprechpartner für den Reisekunden da sein und ihn beispielsweise über Gesundheitsdienste vor Ort, Behörden oder konsularische Unterstützung, aber auch bezüglich anderer Reisemöglichketen informieren.
Schutz durch EU-Regeln
Es gibt auch europarechtliche Verordnungen, die Touristikunternehmen dazu verpflichten, gehandicapten Reisenden kostenfreie Hilfe anzubieten.
Flugzeug
Wer per Flugzeug reist, erhält kostenfreie Unterstützung bei allen Flügen ab einem Flughafen der EU und für Flüge von einem Drittstaat (z.B. USA) in die EU mit einer europäischen Airline. Ebenso werden Flughäfen in der EU in die Pflicht genommen und müssen kostenlose Hilfe anbieten. Dem Passagier muss dabei geholfen werden, den jeweiligen Abfertigungsschalter zu finden und die Gepäckaufgabe zu erledigen, zum Abfluggate zu gelangen, an Bord und zum Sitz im Flugzeug zu kommen. Ebenso erhält man beim Aussteigen entsprechende Hilfe. Der Flugpassagier darf kostenfrei bis zu zwei Mobilitätshilfen (Rollator, Rollstuhl o.ä.) mitnehmen.
Die Fluggesellschaft darf die Mitnahme eines mobilitätseingeschränkten Passagiers nur verweigern, wenn sicherheitsrelevante Gründe vorliegen. Die Mitnahme von Mobilitätshilfen kann nur verwehrt werden, wenn sich nicht genügend Platz im Flugzeug findet.
Bahn
Bahnreisende mit Behinderung bzw. Mobilitätseinschränkungen erhalten auf Wunsch unentgeltliche Hilfeleistungen. Es muss beispielsweise darüber informiert werden, welche Bahnhöfe mit Personal ausgestattet sind, so dass Hilfe beim Ein- und Aussteigen aus dem Zug bzw. beim Umsteigen zur Verfügung steht.
Wer beim Bahnfahren Hilfe benötigt, muss den Wunsch danach mindestens 48 Stunden vorher anmelden. Ansprechpartner bei der Deutschen Bahn ist die Mobilitätsservice-Zentrale (MSZ).
Fernbus
Mobilitätseingeschränkten Fahrgästen darf die Mitnahme nicht verwehrt werden. Ist der selbständige Ein- oder Ausstieg einer Person mit Behinderung nicht möglich, darf die Mitnahme im Bus jedoch verweigert werden.
Schiff
Bei Kreuzfahrten muss ebenfalls Hilfe angeboten werden. Gegenüber dem Hafen- und Schiffsbetreiber hat der betroffene Passagier Anspruch darauf, kostenfreie Unterstützung bei der Ein- und Ausschiffung zu erhalten. Die Verordnung gilt für Kreuzfahrten, bei denen die Einschiffung im Hoheitsgebiet eines EU-Mitgliedsstaates liegt. Beispiele für Unterstützungsleistungen sind die Hilfe vom Eingang des Hafenterminals zum Check-In und von dort zum Schiff zu gelangen, die Abfertigung aller notwendigen Mobilitätshilfen (auch elektrische Rollstühle) und Hilfe bei der Ausschiffung sowie beim Passieren der Einreise- und Zollkontrollstellen.
Wer Hilfe benötigt, muss seinen Wunsch 48 Stunden vorher beim Reiseveranstalter bzw. bei Reederei und Terminalbetreiber anmelden. Der Passagier ist ferner dazu verpflichtet, 60 Minuten vor der Einschiffungszeit am Terminal einzutreffen. Zudem besteht die weitere Verpflichtung, bereits bei der Reisebuchung darauf hinzuweisen, dass Hilfeleistungen benötigt werden.
Weitere Informationen
• Artikel von Kay Rodegra zu Kreuzfahren mit Behinderung:
https://www.crucero-magazin.de/kreuzfahrt-im-rollstuhl-2/96321/
• Informationen der Schlichstungsstelle Öffentlicher Personenverkehr
https://soep-online.de
• Informationen zu Reisen mit Behinderung
https://www.lebenshilfe.de/informieren/freie-zeit/?gclid=EAIaIQobChMIgJveg-eU_gIVBPt3Ch1suw2LEAAYAiAAEgIMuvD_BwE
• Rechtslage in der EU
https://europa.eu/youreurope/citizens/travel/transport-disability/reduced-mobility/index_de.htm
Stand: 11.04.2023 08:38 Uhr