Konten für umstrittene Organisationen - Banken im Dilemma

Ob Rechtsradikale, Linksextreme oder Islamisten: Viele verfassungsfeindliche Organisationen in Deutschland können problemlos Spenden einsammeln – weil sie über ein klassisches Girokonto verfügen.

Unterwegs mit den „Omas gegen rechts” in Leipzig: mit Meta Mukasa und ihren Mitstreitern. Ihr Ziel heute: die örtliche Volksbank-Filiale. Bei dieser Bank hat der AfD-Kreisverband Leipzig ein Spendenkonto, das ihnen schon lange ein Dorn im Auge ist.

„Omas gegen Rechts Leipzig“
„Omas gegen Rechts Leipzig“ | Bild: SWR

Meta Mukasa, „Omas gegen Rechts Leipzig“:
„Und jetzt schreiben wir die Zahl drauf. 32.641?” - „32.642.“

Die Gruppe hat Unterschriften gesammelt - „Kein Konto für die AfD“. Mit so viel Unterstützung haben sie nicht gerechnet.

Meta Mukasa, „Omas gegen Rechts Leipzig“:
„Wir hatten nur sechs Wochen Zeit. Und in dieser kurzen Zeit haben sich Leute dazu entschlossen, genau dieses Projekt zu unterstützen. Das fühlt sich großartig an.“

Leipziger Volksbank gewährt AfD-Kreisverband ein Konto

Die Omas werfen der Leipziger Volksbank vor, gegen das eigene Leitbild einer diskriminierungsfreien Gesellschaft zu verstoßen, indem sie der AfD Leipzig ein Konto gewähren. Einer Partei, deren Landesverband vom Verfassungsschutz Sachsen als gesichert rechtsextremistisch eingestuft ist.

Meta Mukasa, „Omas gegen Rechts Leipzig“
Meta Mukasa, „Omas gegen Rechts Leipzig“ | Bild: SWR

Meta Mukasa, „Omas gegen Rechts Leipzig“:
„Es gibt bereits Vorstände, die sich ganz klar für Vielfalt und Toleranz ausgesprochen haben und wir wünschen uns, dass die Leipziger Volksbank dem auch entspricht.”

Elke Ketterer, „Omas gegen Rechts Leipzig“
Elke Ketterer, „Omas gegen Rechts Leipzig“ | Bild: SWR

Elke Ketterer, „Omas gegen Rechts Leipzig“:
„In diesen aufgeregten Zeiten muss man hinstehen, Gesicht zeigen und eine Haltung zeigen.”

Mit dem Vorstand wollen die Omas nun darüber diskutieren. Wir müssen draußen bleiben, später mehr dazu.

Bankkonten für umstrittene Kunden. Immer wieder ein Thema in den Medien. Aber wie groß ist das Problem? Wir werten stichprobenartig die Verfassungsschutzberichte aus, prüfen, welche der erwähnten Organisationen haben Konten bei deutschen Banken.

Ergebnis: Wir finden zahlreiche Beispiele: Rechtsextremisten wie „Der Dritte Weg” und „Die Identitäre Bewegung”. Ein Verein, der zu Scientology gehört. Moscheevereine mit laut Verfassungsschutz islamistischer Prägung, kommunistische Organisationen, mutmaßliche türkische Extremisten.

Thomas Seidel hat lange beim Bundeskriminalamt gearbeitet. Jetzt leitet er ehrenamtlich eine private Initiative, die sich dem Kampf gegen Finanzkriminalität widmet. Gerade für das Einsammeln von Spenden sei das klassische Bankkonto für Verfassungsfeinde noch immer enorm wichtig.

Thomas Seidel, Geschäftsführer „Anti Financial Crime"
Thomas Seidel, Geschäftsführer „Anti Financial Crime" | Bild: SWR

Thomas Seidel, Geschäftsführer „Anti Financial Crime":
„Sie müssen Öffentlichkeitsarbeit machen, sie müssen Propagandamittel herstellen, sie müssen reisen, sie müssen Veranstaltungen organisieren. All das kostet Geld und über ein Bankkonto ist das wesentlich leichter einwerbbar.”

Sparkassen im Dilemma

Bei unserer Auswertung fällt uns auf: Viele extremistische Organisationen sind Kunden bei Sparkassen. Warum ist das so?

Sebastian Omlor lehrt an der Universität Marburg, Spezialgebiet Banken- und Kapitalmarktrecht. Anders als private Banken seien Sparkassen oft die Hände gebunden - wegen ihres öffentlich-rechtlichen Auftrags.

Prof. Sebastian Omlor, Rechtsexperte, Universität Marburg
Prof. Sebastian Omlor, Rechtsexperte, Universität Marburg | Bild: SWR

Prof. Sebastian Omlor, Rechtsexperte, Universität Marburg:
„Also Sparkassen sind nicht frei, sondern müssen im Regelfall ein Girokonto eröffnen, zumindest für die, die in ihrem zuständigen Gebiet ansässig sind. Die Privatbanken - die Commerzbank, die Deutsche Bank, aber auch eine Volks- und Raiffeisenbank - dürften sagen wegen der politischen Weltanschauung des Kunden K kündige ich das Konto von Kunden K.”

Doch in der Praxis passiert das häufig nicht.

Mutmaßlicher Salafisten-Verein sammelt Spenden

Wir sind in Heidelberg. Hier soll heute ein Koranseminar stattfinden. In einer Moschee, die Sicherheitsbehörden der Salafisten-Szene zuordnen. Vor allem wegen ihm: Neil Bin Radhan, der Leiter des Moschee-Vereins, der sich im Internet als saudischer Gelehrter und islamischer Unternehmer inszeniert. Laut Verfassungsschutz fiel er schon vor Jahren durch grundgesetzwidrige Aussagen auf, etwa zum bewaffneten Jihad. Für seine Mission sammelt er regelmäßig Gelder ein. Auch heute bei dem Seminar, zu dem rund 50 Menschen angereist sind.

Der Eintritt: 30 Euro pro Person. Diese Bilder wurden uns zugespielt. Sie zeigen: Das Thema Geld und Spenden ist in der Moschee überall präsent:

Gedächtnisprotokoll, Stimmen nachgesprochen:
„Ja, hier kannst du für die Moschee-Schule spenden. Es gibt auch Spendenboxen in der Moschee.”
Frage:
„Kann ich auch überweisen?”
Antwort:
„Ja. Hier ist die Bankverbindung. Gib einfach an, dass es eine Spende für den Verein ist.”

Zusätzlich steht gleich neben dem Prediger für alle sichtbar dieser Spenden-Automat. Extremismusfinanzierung, ganz einfach, per Kreditkarte. Fragen von REPORT MAINZ ließen Neil Bin Radhan und sein Moschee-Verein unbeantwortet.

Volksbank prüft den Fall

Wir finden heraus: Der Verein hat gleich mehrere Konten bei der örtlichen Volksbank.
Auf Nachfrage teilt diese mit, man könne „... aus Gründen des Bankgeheimnisses” keine konkreten Auskünfte geben. Das Thema nehme man ernst. Immerhin bestätigt die Bank die Kundenbeziehung. Man prüfe den Fall seit Juni dieses Jahres.

Erstaunlich: Denn der Moschee-Verein und sein Prediger tauchen schon seit Jahren in den öffentlichen Berichten des Verfassungsschutzes auf.

Thomas Seidel, Initiative „Anti-Financial Crime”:
„Das ist das Mindeste, was man verlangen kann: Dass die Häuser diese Berichte lesen und im Rahmen ihrer Sorgfaltspflichten für Kunden auch nutzen als Informationsgrundlage. Und in der heutigen Situation würde ich gerade von Privatbanken ein deutlich konsequenteres Handeln wünschen, absolut. Und das würde bedeuten, sich von diesen Kunden und Konten zu trennen.”

Also mehr Eigenverantwortung der Banken. Doch reicht das aus?

Sicherheitsexperten fordern Gesetzesänderung

Vergangene Woche im Bundestag, Debatte zum Thema Extremismusfinanzierung. Mit dabei: Der CDU-Sicherheitsexperte Christoph de Vries. Er kritisiert, dass der Verfassungsschutz zu wenig Einblick in die Konten von Extremisten erhalte. Das sei derzeit nur möglich, wenn zu Hetze und Gewalt aufgerufen werde.  

Christoph de Vries, CDU, Bundestagsabgeordneter
Christoph de Vries, CDU, Bundestagsabgeordneter | Bild: SWR

Christoph de Vries, CDU, Bundestagsabgeordneter:
Wir haben eine Menge zum Beispiel islamistischer Organisationen in Deutschland, die keinen Gewaltbezug haben, nicht offen zu Gewalt aufrufen, aber dieselben Ziele verfolgen wie terroristische Organisationen, nämlich eine vollkommen andere Wertordnung in unserem Land und einer totalitären Ideologie. Und dort sind unsere Sicherheitsbehörden bisher völlig die Hände gebunden. Und das muss sich dringend ändern.”

Das findet auch die Bundesinnenministerin. Der Verfassungsschutz soll künftig leichter Einblick in Kontodaten erhalten. Ein entsprechendes Gesetz soll noch diese Woche im Bundestag verabschiedet werden.

Zurück in Leipzig. Die Volksbank schreibt uns nach dem Gespräch, dass sie allgemein Sorge vor einer Spaltung der Gesellschaft habe und sie Extremismus jeder Art ablehne. Die AfD sei eine demokratisch gewählte Partei. Das Konto will sie offenbar nicht kündigen - zum Unmut der „Omas gegen Rechts”.

Meta Mukasa, „Omas gegen Rechts Leipzig“:
„Das ist eine Haltung, die sie zeigen hätten können und das sie eben nicht tun gerade. Und das macht uns wirklich auch ein Stück weit traurig.”

Stand: 16.10.2024 15:16 Uhr