So., 21.08.22 | 18:30 Uhr
Das Erste
Litauen: Deutsche Soldaten im Dauereinsatz
Die Neuen kommen 15 Minuten früher als geplant. Die Charter-Maschine aus Deutschland landet am Flughafen von Kaunas. An Bord sind 150 Soldatinnen und Soldaten. Ein halbes Jahr werden sie nun in Litauen einen internationalen Kampfverband verstärken. Mit dabei: Oberstabsärztin Katja aus Kerpen bei Köln. Ihren Nachnamen dürfen wir nicht nennen. Eigentlich sollte ihr erster Auslandseinsatz nach Mali gehen. Dann wurde es kurzfristig doch Litauen. "Dann waren erst alle erleichtert. Und dann natürlich mit dem Ukraine-Krieg hat sich das wieder so ein bisschen gewandelt. Aber es war jetzt auch genug Zeit, ein halbes Jahr, um auch Familie und Freunde darauf vorzubereiten", sagt Oberstabsärztin Katja A.
Auslandseinsatz im Krisengebiet
In einer Kaserne der litauischen Armee in Rukla wird sie die nächsten Monate leben. Die Bundeswehr ist hier mit knapp 1.000 Soldatinnen und Soldaten stationiert. Bald sollen es noch viel mehr werden. Die Ärztin kommt mit einer Einheit aus Nordrhein-Westfalen. Nach der Ankunft muss sie erstmal ihr Gepäck suchen. Ein paar Kilo privates Gepäck darf jeder von zu Hause mitbringen. Wir fragen nach: "Jetzt sind sie ja für ein paar Monate hier. Was ist Ihnen denn am wichtigsten, wenn sie was privat mitnehmen?" Antwort: "Die Kaffeemaschine. Die hab' ich vorab schon hierher schicken lassen tatsächlich. Also ohne Kaffee morgens geht gar nichts."
Dann bezieht sie ihre Stube. Die Kaffeemaschine ist heil angekommen. Sonst bietet die Unterkunft wenig Luxus. Neben den Übungen wird die Soldatin viel Zeit im Lager verbringen. Die Nachrichten über den Krieg in der Ukraine verfolgen sie auch hier. Die 30-Jährige hat sich trotzdem ganz bewusst für einen Auslandseinsatz im Krisengebiet entschieden: "Für mich hat sich ja die Vorbereitung dahingehend geändert, dass man sich auch der Gefahr bewusster wird und ich einfach andere Vorkehrungen getroffen habe – wie Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung.. und da auch wirklich offen mit meiner Familie darüber gesprochen habe."
Bedrohung in Litauen allgegenwärtig
Die Soldatin ist für den Kriegseinsatz ausgebildet. Anders als in Deutschland ist die Bedrohung in Litauen allgegenwärtig. Deshalb muss Katja regelmäßig für den Ernstfall üben. Auf dem Übungsplatz Pabradé, kurz vor der belarussischen Grenze, schießen sie scharf. Geübt wird die Abwehr eines Angriffs aus dem Osten. Gemeinsam mit Einheiten aus Norwegen, Belgien, Kroatien und den Niederlanden üben diesen deutschen Soldaten die Verteidigung des NATO-Gebiets.
Schweres Gerät und Militärtransporter: In Litauen gehören NATO-Truppen auf den Straßen inzwischen zum Alltag. Das ist auch gut so, findet die Mehrheit im Land. "Es ist wichtig, dass sie hier sind!" sagt Aldona. "Es ist wohl nötig, dass sie noch mehr Soldaten schicken. Die Russen sollten mal darüber nachdenken, was sie angerichtet haben, mit ihrer Politik", erklärt Sigitas. Hin und wieder kommen die Soldaten auch in nahegelegene Bäckerei. Hier gibt es litauischen Quarkkuchen und Süßes aus Blätterteig. "Wir nutzen eine Übersetzungs-App im Handy. Manchmal helfen auch Jugendliche aus dem Ort. Aber einige Wörter haben wir auch selbst gelernt", erzählt Dalia, die in der Bäckerei arbeitet. Ihre Kollegin Elena ergänzt: "Die Amerikaner kaufen vorwiegend Cola und fragen nach Fastfood. Die Deutschen wollen mehr Süßgebäck." "Wir sind froh, dass sie hier sind. Es ist sicherer geworden!", sagt Dalia.
NATO verstärkt ihre Ostflanke
Seit sechs Jahren sind die NATO-Truppen im Land. Immer wieder wechseln sich die Einheiten ab. Auch das Kommando rotiert. Der scheidende Kommandeur Daniel Andrä zeigt seinem Nachfolger die Kaserne. Die NATO verstärkt derzeit ihre Ostflanke. Innerhalb kürzester Zeit sollen sie hier die Truppen auf bis zu 5.000 Soldatinnen und Soldaten aufstocken können. "Das heißt, hier wird sich auch infrastrukturell für Deutschland, für die Battlegroup einiges ändern. Wir werden zusätzliche Gebäude übernehmen, mehr Betten bekommen. Wir werden mehr Abstellflächen bekommen, sodass wir genau auch das haben, was wir brauchen, nämlich die Voraussetzungen für mehr Kräfte und für eine erhöhte Präsenz. Vor allem hier in Rukla", sagt Andrä.
Nicht nur die Kommandeure müssen die Übergabe und ihren Einsatz organisieren. Auch die Oberstabsärztin. Sie bekommt einen Schützenpanzer gezeigt. Im "Fuchs" soll sie im Ernstfall Verwundete behandeln können. "Wir werden ja nicht als Ärzte ausgebildet, um dann im Krankenhaus zu arbeiten, sondern um bei Auslandseinsätzen tätig zu werden. Und so wie sich das in den letzten Jahrzehnten gezeigt hat, wird es immer Konflikte auf der Welt geben", sagt Katja A.
Feierlicher Appell auf dem Kasernenhof: Nach sechs Monaten in Litauen wird der deutsche Kommandeur Andrä verabschiedet. Nun sind die Neuen dran. Auch Oberstabsärztin Katja ist jetzt offiziell im Dienst. Bei ihrem ersten Auslandseinsatz für die Bundeswehr.
Autor: Christian Blenker, ARD-Studio Stockholm
Stand: 21.08.2022 17:51 Uhr
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