So., 13.02.22 | 18:30 Uhr
Das Erste
USA: Freiheit für Bisons
In Montana züchten indigene Rancher Bisons. Die Büffel sicherten den Stämmen über Jahrtausende das Überleben, für die Indigenen sind sie Teil ihrer Kultur und ihrer traditionellen Lebensweise. Inzwischen grasen Rinder auf den Weiden, die Bisons wurden fast ausgerottet. Doch jetzt bemühen sich immer mehr Stämme, die großen Tiere in ihren Reservaten wieder anzusiedeln.
Wenn sie die Bisons zusammentreiben, muss alles ganz schnell gehen. Robbie Magnan trägt die Verantwortung für mehr als 50 Bullen, Kühe, Jährlinge, Kälber. "Man darf diesen Tieren keine Zeit geben nachzudenken. Sonst wehren sie sich", erklärt Magnan.
Vor ihrer Reise in die neue Heimat müssen die braunen Riesen noch einen letzten Gesundheitstest bestehen. Hier im Fort Peck Reservat in Montana bereiten sie die Bisons darauf vor, an indigene Stämme verteilt zu werden. Robbie setzt sich seit Jahren dafür ein, dass Bisons wieder auf der Prärie leben können. Die für Indigene in den USA so wichtigen Tiere. "Man sieht sie miteinander kämpfen. Manche werden nervös, sind schnell gestresst. Deshalb müssen wir uns beeilen. Damit sie keinen Herzinfarkt kriegen. Wir holen sie rein, nehmen Blut ab und lassen sie wieder laufen", sagt Magnan.
Lange Quarantäne und viele Blutproben für Bisons
Das Reservat hat viel Geld in diese Anlage investiert, um allen Vorschriften zu genügen. Erst nach einer bis zu drei Jahre langen Quarantäne und vielen Blutproben dürfen die Bisons in andere Bundesstaaten transportiert werden. Die nach wie vor wilden Tiere lassen das nur ungern über sich ergehen: "Sie wissen, was kommt. Sie mussten da schon zu oft rein. Wenn Menschen bei einer Tür jedes Mal eine schlechte Erfahrung machen, dann geht es ihnen genauso", so Magnan.
Das Blut der Bisons wird auf Brucellose-Bakterien getestet. Eine Krankheit, die ursprünglich Kühe aus Europa mitbrachten. Sie steckten die einheimischen Bisons an. Heute hat herkömmliches Vieh keine Bakterien mehr. Deshalb fürchten Farmer, dass ihre Kühe mit den wilden Tieren in Kontakt kommen könnten. Also gibt es strenge Regeln und viele Tests. Jedes Tier wird minutiös dokumentiert. Biologin Megan Davenport vom Intertribal Buffalo Council sagt, es gebe keinen Beleg dafür, dass sich Kühe bei Bisons anstecken. "Sie haben bereits 15, 16 Tests hinter sich. Schon nach den ersten Monaten in Quarantäne finden wir keine Brucellose-Bakterien mehr. Und diese Tiere hier leben jetzt bereits seit drei Jahren abgeschottet."
Robbie Magnan kennt das Warten auf die Laborergebnisse schon. Er ist Direktor für Jagd und Fischerei und zeigt uns den Schatz des Reservats: zwei Herden. Eine, mit der sich viel Geld verdienen lässt. Unter anderem mit Jagdlizenzen. Und die sogenannte Kulturherde. Die dürfen nur Indigene jagen. Riesige Gebiete gibt es – bis zu zehn Quadratkilometer pro Herde. Aber am Ende ist ein Zaun, der auch den mächtigen Tieren standhält. Robbie nennt sie "Büffel". "Bisons" würden doch nur Politiker und Wissenschaftler sagen. "Als der Schöpfer uns hierher gesetzt hat, waren wir dumm. Wir wussten nicht, wie man überlebt. Deshalb schickte er uns die Büffel, damit sie uns helfen zu überleben."
Bisons wichtig für die Identität der Indigenen
Indigene sehen Bisons als vierbeinige Familienmitglieder, wichtig für die eigene Identität. Aus Sicht der Viehindustrie aber sind sie schädlich fürs Geschäft. "Sie fürchten wirklich, dass die Büffel die Weiden übernehmen. Dabei stimmt das gar nicht. Das, was Büffel in einem Jahr fressen, verbraucht kommerzielles Vieh an einem Tag. Wir sind doch keine Konkurrenz für die. Dieses Land ist groß genug für uns beide, aber das sehen sie nicht", sagt Robert Magnan.
Der große Tag: Temperatursturz auf minus 25 Grad. Die Tiere kommen aus dem Yellowstone Nationalpark. Als die großen Herden im 19. Jahrhundert massakriert wurden, konnten sich ein paar Hundert Tiere dorthin retten. Deshalb gibt es heute noch genetisch ursprüngliche Bisons. "Bei so einer Kälte tanzen die Büffel in der Prärie. Sie können eisige Temperaturen genauso ab wie große Hitze. Sie passen sich viel besser an als herkömmliches Vieh", weiß Robert Magnan.
Die langsame Rückkehr der Bisons
Alle Tests sind negativ. Kein Tier hat Bruzellose-Bakterien. Der erste Lkw geht in den US-Bundesstaat Washington, der zweite nach Oklahoma. Es ist jeweils eine ganze Familie, mit Bullen, Kühen, Kälbern. Stress für alle Beteiligten. Mit diesen Bisons wollen zwei indigene Stämme ihre erste eigene Herde aufbauen. Die letzte Hürde ist der Viehtransporter. "Wenn wir Büffel als Wild dulden würden, wie Hirsche, Elche und andere große Tiere in Nordamerika, dann bräuchten wir keine Lastwagen. Aber niemand will die Büffel auf ihren eigenen vier Füßen durchs Land laufen lassen", sagt Megan Davenport.
Robbie Magnan träumt davon, dass die wilden Riesen eines Tages wieder ganz frei über die Prärie rennen. Er weiß, es ist nur ein Traum. Aber für den nimmt er auch Risiken in Kauf. Am Ende sind alle heil geblieben. Mensch und Tier. "Das hat ganz schön gedauert, aber wir haben es geschafft. Jetzt noch die lange Reise nach Oklahoma. Das sollte gut gehen."
Alle paar Monate bringen sie hier Tiere auf den Weg – die langsame Rückkehr der Bisons.
Autorin: Claudia Buckenmaier, ARD-Studio Washington
Stand: 13.02.2022 19:54 Uhr
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