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Frankreich: Corona-Hotspot Marseille

Frankreich: Corona-Hotspot Marseille | Bild: NDR / Friederike Hofmann

Notfall im La Timone, größten Krankenhaus in Marseille. Hier arbeitet Marie Struzik. Sie ist Krankenschwester auf der Intensivstation – Zwölf-Stunden-Schichten, wenig Pausen. Die Lage ist angespannt: "Wir haben die ganz normalen Patienten wie immer plus die Corona-Patienten. Deshalb wird das sehr, sehr kritisch. Wir sind dem kaum gewachsen, weil es an Personal und Material fehlt."

Die erste Corona-Welle steckt ihr immer noch in den Knochen. Auf ihrer Station habe sich seitdem wenig getan, sagt sie. Gerade mal 140 Intensivbetten gibt es in Marseille insgesamt, und das bei fast 900.000 Einwohnern. Jetzt kommen immer mehr Patienten in die Krankenhäuser. "Wir haben diesen Sommer unglaublich viele Touristen aus ganz Europa hier gehabt. Es sind viele Leute zusammengekommen. Wir bezahlen jetzt für unseren Sommer."

Crona-Infektionszahlen seit August geradezu explodiert

Krankenwagen fährt auf das Gelände eines Krankenhauses
Die Intensivbetten für Corona-Patienten sind im größten Krankenhaus Marseilles bereits jetzt schon fast alle belegt.  | Bild: NDR

In der Stadt ist es ruhiger geworden. Am alten Hafen sind keine Straßenkünstler. Musik, Alkohol und große Gruppen sind auf der Straße verboten. Seit einem Monat herrscht Maskenpflicht. Im Sommer sah es anders aus: Ein Drittel mehr Touristen als in normalen Jahren. Party, den Lockdown vom Frühjahr wieder wettmachen. Seit Mitte August sind die Infektionszahlen geradezu explodiert.

Kurz nach Sonnenuntergang füllen sich die Bars am Cours Julien. Die Nachricht über die Anordnung der französischen Regierung, dass Restaurants und Bars in Marseille wegen der hohen Corona-Zahlen erst einmal schließen müssen, platzt in einen schönen Spätsommerabend. "Durch die Schließung zwingen sie die Leute dazu, heimliche, private Partys zu machen. Und da gelten dann keine Abstandsregeln mehr", sagt die Studentin Clarisse Boyenne. Wegen der hohen Infektionszahlen wurden für Marseille die härtesten Einschränkungen in Frankreich angeordnet. Deshalb sind hier viele wütend. Sie fühlen sich von der Regierung in Paris gegängelt.

Geschäftsführerin Charlotte Beitone hat viel zu tun. Es ist ein hektischer Mittag. Die Terrasse ihres Restaurants "Il Cuoco" ist bis auf letzten Platz belegt. Viele kommen noch einmal zum Essen, bevor das nicht mehr möglich ist. Das Geschäft hatte sich nach dem harten Lockdown im Frühjahr wieder etwas erholt. Dass das Restaurant jetzt wieder schließen muss, hat Charlotte Beitone hart getroffen. Auch wenn die Regierung finanzielle Unterstützung für Restaurants angekündigt hat. "Wir haben schon für nächste Woche alles eingekauft, das ist echt kompliziert. Wir müssen weiter Miete zahlen, Gebühren. So eine Schließung haben wir nicht verdient. Vor allem, weil die Geschäfte weiter offen haben, die Einkaufszentren auch. Das verstehen wir nicht, das ist nicht gerecht", sagt Beitone.

Coronavirus trifft die ärmeren Viertel von Marseille besonders

Ein Frau steht in einer Menschentraube und spricht in ein Megaphon.
Die harten Corona-Einschränkungen machen viele Menschen wütend. | Bild: NDR

Nur wenige Kilometer vom Hafen und der Innenstadt entfernt zeigt sich die andere Seite von Marseille: Diese Gegend im Norden zählt zu den ärmsten in ganz Frankreich. Über 40 Prozent gelten in diesem Arrondissement als arm, mehr als 25 Prozent sind arbeitslos. Boualem Guennad wohnt hier um die Ecke. Er engagiert sich in seinem Viertel. Er besucht einen, der wenigen Läden, die es überhaupt gibt. Dass das Restaurant "La Fourchette" erst einmal schließen muss, sei für das Viertel besonders schlimm: "Es ist wieder ein Laden, der hier im Viertel zumachen muss, leider. Das Restaurant ist in der Nähe, bezahlbar. Es versorgt die Menschen hier."

Das Coronavirus trifft die ärmeren Viertel von Marseille besonders. Viele Menschen wohnen hier auf engem Raum. Die medizinische Versorgung ist noch schlechter als in anderen Teilen der Stadt. "Das war schon problematisch hier, da nach und nach alles zugemacht hat. Wenn nun noch ein Gesundheitsnotstand dazu kommt, mit wenigen Betten, mit mehr Patienten, die ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die, die behandelt werden müssen, wo sollen sie jetzt hin, was sollen sie machen?", sagt Guennad.

Die Krankenhäuser in Marseille sollen jetzt eine staatliche Unterstützung von 17 Millionen Euro bekommen. Und nun wird Personal gesucht. Viel zu spät, findet Marie Struzik. In den letzten Monate seit der ersten Coronawelle sei viel zu wenig getan worden, um sich auf mehr Patienten vorzubereiten: "Es sind die Patienten, die nur schlecht versorgt werden können. Wenn wir uns um einen Notfall kümmern und nicht genug Leute sind. Dann können wir uns nicht noch um den Patienten nebendran kümmern, dem es vielleicht genauso schlecht geht. Das ist ganz schlimm. Aber in der Situation, kann das den Unterschied machen, ob jemand überlebt oder stirbt." Im Krankenhaus, in dem Marie Struzik arbeitet, sind die Intensivbetten für Corona-Patienten bereits jetzt schon fast alle belegt.

Autorin: Friederike Hofmann, ARD Paris

Stand: 27.09.2020 20:21 Uhr

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