So., 27.09.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
China: Die Partei-Propaganda in sozialen Netzwerken
Wir haben uns heimlich mit Zhao Yi verabredet, denn sich möchte nicht mit ausländischen Journalisten auf Pekings Straßen gesehen werden. Zhao Yi, wie wir sie nennen, ist Bloggerin, und erklärt: Es sei gefährlich, etwas im chinesischen Internet zu veröffentlichen, was nicht der Parteilinie entspricht: "Menschen werden von der Polizei zum Tee eingeladen, das heißt sie werden in einem Restaurant oder Hotel verhört und gefragt, warum sie solche Kommentare geposted haben. Die Polizei ermittelt auch bei Freunden und Familie."
Zhao Yi glaubt, dass die Kontrolle seit Corona noch weitgreifender ist und zeigt uns nochmal die Bilder des Arztes Li Wenliang. Er warnte in Wuhan früh vor einer ansteckenden Lungenkrankheit. Die Behörden machten ihn mundtot, ließen ihn unterschreiben, keine Gerüchte mehr zu verbreiten. Li starb an Corona – und viele machten danach in Chinas Social-Media-Kanäle auf ihn aufmerksam und forderten Redefreiheit. Schnell, so erzählt Zhao Yi, hatten die Zensoren Bilder und Texte gelöscht. Sie zeigt, was passiert, wenn man zensierte Begriffe wie die Namen unliebsamer Kritiker auf chinesischen Seiten eingibt. Da heißt es dann: "Die Suche verstößt gegen geltendes Recht, keine Ergebnisse."
Chinesische Behörden greifen härter durch als zuvor
"Die Kontrolle ist jetzt noch strenger als die Überwachung, die wir vorher schon in China hatten", sagt Zhao Yi. So wie der Fall von Cai Wei und Chen Mei zeigt, die seit April in Haft sitzen. Zuvor hatten sie zensierte Texte gesammelt und erneut veröffentlicht. Auch ein Interview einer Ärztin, die berichtete wie Behörden Informationen über den Corona-Ausbruch unterdrückt hatten. Solche Texte zu verbreiten ist folgenschwer: "Diese scharfe Reaktion der Behörden hat keiner erwartet. Sie greifen jetzt härter durch als zuvor. Vorher wurden nur radikale Aktivisten so behandelt, aber diese beiden jungen Männer waren ja nicht radikal", erklärt Zhao Yi. Doch die beiden Ihafterten sind weiter ohne Prozess in Haft.
Auch an einem Pekinger Gericht zeigte sich, wie hart Chinas Führung gegen Kritiker vorgeht. Ren Zhiqiang ist 18 Jahren Haft verurteilt worden. Der eigentlich bestens vernetzte frühere Immobilienunternehmer hatte das Corona-Krisenmanagement im Land kritisiert und Staatschef Xi Jinping indirekt als Clown bezeichnet. Als die BBC über den Prozess berichtet, wird in China das Fernseh-Signal einfach gekappt.
Staatsführung fördert junge Patrioten
Die kommunistische Partei fördert dagegen junge Patrioten wie Wuhe Qilin. Für seine Computer-Kunst wird er von der Staatspresse gefeiert. Sie nennt ihn einen Wolfskrieger, weil er gegen Chinas vermeintliche Feinde antritt, darunter die Demonstranten in Hongkong, die für Demokratie protestieren. Auf seinem Bild beten die jungen Hongkonger einen falschen Gott an: Die USA als Ausgeburt des Bösen, die die Demonstranten gegen China aufhetzen. "Was uns ärgert sind die Gewalt, die Abspaltungsversuche und dieses unmenschliche Verhalten. Das macht mich wütend. Ich denke, so ein Terror ist der gemeinsame Feind aller Menschen. Ich hoffe also, dass die Welt durch dieses Bild die Wahrheit erkennen kann", sagt Wuhe Qilin. Auf einem anderen Werk: US-Präsident Trump hält die Reporter draußen, während drinnen Außenminister Pompeo schnell noch das Corona-Virus mit Chinas Nationalfarben übermalt.
Wuhe Qilin und seine Kollegen produzieren beruflich Animationsfilme, privat produziert er Patriotismus, ganz zum Gefallen der Führung. Zur Propaganda nach Außen gehören auch Filme wie dieser: Staatschef Xi Jinping als Corona-Bezwinger ruft zum Sieg über die Pandemie auf, die englischsprachige Doku-Serie vom Auslandskanal des chinesischen Staatsfernsehens wird weltweit ausgestrahlt.
Staatsführung nutzt soziale Netzwerke
Und Chinas Außenministerium macht bei Twitter Stimmung: "Es irrt, wer glaube, die USA stehe für immer im Licht und China bleibe im Dunkeln." Und ein anderer offizieller Tweet aus China: "Es könnte die US-Armee gewesen sein, die die Epidemie nach Wuhan eingeschleppt hat."
Während Twitter für Chinesen verboten ist, nutzt es die Führung ganz ungeniert. Der Politologe Wu Qiang sieht in den sozialen Netzwerken ein wichtiges Instrument für Chinas Führung. So verbreitet sich ihre Propaganda - nach außen und nach innen: "Nie war das Misstrauen in China gegenüber der Kommunistischen Partei und Xi Jinping größer als in den vergangenen neun Monaten. Die Führung gibt vor, mit autoritären Mitteln die Pandemie zu bekämpfen, dabei will sie nur die Krise überstehen – mithilfe von Polizeiherrschaft."
Verstärkte Propaganda und harte Kontrolle - mit Folgen, die auch Bloggerin Zhao Yi zu spüren bekommt: „Die Behörden lassen keine anderen Stimmen zu. Einige meiner Freunde und ich werden so an den Rand gedrängt. Für die Öffentlichkeit gelten wir dann als Menschen, die Hass verbreiten – werden Hater genannt – die ihre Heimat hassen.“ Zhao Yi hasst China nicht, sagt sie, aber will auch nicht zu allem schweigen. Doch wer die Führung in China kritisiert, muss nun mehr denn je um seine Freiheit fürchten.
Autor: Daniel Satra, ARD Peking
Stand: 27.09.2020 20:19 Uhr
Kommentare