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USA: Wie stellen sich Erstwähler die Zukunft vor?

USA: Wie stellen sich Erstwähler die Zukunft vor? | Bild: NDR

Cameron Decker ist 19 Jahre alt und macht Wahlkampf für die Republikaner. Sein Heimatstaat ist ihm wichtig. Er hat sich die Umrisse von Arizona sogar als Tattoo stechen lassen. An seiner Uni sind konservative Studenten wie er in der Minderheit. Am Telefon versucht er, Wähler zu gewinnen. Die jungen Anhänger der Republikaner stimmen nicht in allem mit US-Präsident Trump überein. Entscheidend aber sei die Wirtschaftspolitik. Ihnen gefällt, dass es weniger Regulierungen gibt, niedrigere Steuern, mehr Jobs, viele neue Chancen. "Ich will Leute in der Politik sehen, die mir zutrauen, meine eigenen Entscheidungen zu treffen, die mir zutrauen, mich als Mitglied dieser Wirtschaftsgesellschaft von unten nach oben zu arbeiten", sagt Cameron Decker. Sie nennen es Freiheit. Zu viel soziale Sicherheit lehnt die Gruppe ab. Das sei Sozialismus.

Viele Erstwähler wollen ihre Stimme abgeben

Zwei junge Frauen mit Masken unterhalten sich.
Wirtschaft und Gesundheit sind Themen, die auch die jungen Wähler umtreiben. | Bild: NDR

Sozialismus als Schreckgespenst – Adela und Alexa halten das für überholt, gerade unter den Jungen. Sie wollen mehr soziale Gerechtigkeit und glauben, dass das viele in ihrem Alter so sehen wie sie. "Wir sind sozusagen aufgewacht. Besonders über den Sommer hinweg, mit der Black-Lives-Matter-Bewegung. Viele, die früher nicht politisch aktiv waren, sagen jetzt: 'Lasst uns wählen gehen. Die Demokraten. Egal wen.' Das ist spannend“, sagt Adela Diaz. Alexa Basualdo ergänzt: "Sie sagen ihre Meinungen mehr als zuvor. Sie sind verärgert und wollen einen Wandel."

Adela Diaz studiert Gesundheitswesen, Alexa Basualdo Pharmazie. Wie die beiden sind seit der Wahl vor zwei Jahren in den USA 15 Millionen junge Menschen 18 geworden und damit wahlberechtigt. Ein Recht, das viele Erstwähler dieses Mal wahrnehmen wollen, heißt es in Prognosen. Auch Adela und Alexa wollen wählen. Für sie der wichtigste Grund, Trump abzuwählen. Adela Diaz kritisiert seinen Umgang mit der Corona-Pandemie. "Er ist wahrscheinlich der einzige Präsident, der die Menschen mehr spaltet als zusammenbringt. Selbst jetzt in einer nationalen Krise. Wäre es nicht an der Zeit, sich gegenseitig zu helfen und Mitgefühl zu zeigen? Aber es ging immer nur um Maske ja oder nein, die Pandemie als Betrug. Ich finde das enttäuschend. Ich will ihn nicht nochmal vier Jahre haben.“

Das geringere Übel wählen

Cameron betont immer wieder, es gebe vieles, das ihn an Donald Trump störe, aber er wolle pragmatische Lösungen und die sehe er nicht bei den Demokraten: "Es geht doch um das politische Programm und nicht um seine Rhetorik oder die Beschimpfungen. Die verteidige ich gar nicht. Er ist nicht meine erste Wahl, nicht meine zweite oder dritte. Es ist wie 2016. Damals sagten viele Amerikaner, es gehe darum, das geringere Übel zu wählen."

Auch Adela und Alexa kennen das mit dem geringeren Übel. Sie hätten lieber Bernie Sanders als Kandidaten der Demokraten gesehen. Aber nur, weil es Joe Biden wurde, nicht zur Wahl zu gehen, das kommt für die jungen Frauen nicht in Frage. Beide sind Latina. Auch deshalb falle ihre Wahl auf die Demokraten. "Die Republikaner sind viel schlimmer. Ein großer Teil ihrer Politik schadet Menschen mit niedrigen Einkommen und mit dunkler Hautfarbe. Ich könnte nie, okay, das ist eine harte Aussage, aber ich seh mich nicht, wie ich für einen Republikaner stimme. Die Demokraten sind nicht perfekt. Aber zumindest nutzt ihre Politik den Ärmeren", erklärt Adela Diaz.

Wahl in einem gespaltenen Land

Mehrere Personen sitzen mit Abstand in einem Raum und telefonieren.
Wahlkampf am Telefon.  | Bild: NDR

Camerons Familie verlor 2008 in der Wirtschaftskrise ihr Haus. Erst vor zwei Jahren, auch dank Trumps Steuersenkungen, wagten die Eltern den Kauf eines neuen Hauses in einer bezahlbaren Wohngegend. Das hat den Studenten der Agrarwirtschaft sehr geprägt. Auch deshalb wähle er republikanisch: "Der Kapitalismus hat der Welt Wohlstand gebracht. Sicher, die Reichen werden immer noch reicher, aber auch die Armen haben mehr Geld, in manchen Fällen sogar zu einem größeren Prozentsatz." Auch ihn belastet, wie sehr sein Land gespalten ist: "Wir haben ein gemeinsames Ziel. Wir wollen, dass es jedem besser geht. Aber der Weg dahin ist anders. Wenn wir uns doch nur zuhören würden. Das wäre wirklich wichtig."

Darin sind sich die jungen Leute einig. Und doch bleibt jeder in seiner Welt. "Ich wünsch mir, dass wir toleranter wären und uns die Bedenken der anderen Seite anhören würden", sagt Adela Diaz. Und Alexa Basualdo sagt: “Ich wünsche mir mehr Offenheit, damit jeder für sich selbst entscheiden kann. Diese Freiheit wollen viele anderen nicht geben.“  

Die Zukunft soll besser werden. Ob demokratisch oder republikanisch – beide Seiten sagen, dass sie fest an den Wahlsieg glauben.

Autorin: Claudia Buckenmaier, ARD Washington

Stand: 27.09.2020 20:22 Uhr

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