So., 16.08.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
USA: Joe Biden und die schwarzen Wähler
Bisher läuft alles bestens, für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden. Das chaotische Corona-Management der Trump-Administration hat ihm einen komfortablen Vorsprung in allen Umfragen beschert. Diesen Vorsprung muss er am Wahltag in Stimmen ummünzen. Wichtig für Joe Biden werden die afroamerikanischen Wähler und Wählerinnen sein. Auf ihre Unterstützung muss er hoffen, will er Trump schlagen. Und deswegen hat er sich bei seiner Wahl der Vize-Präsidentinnen-Kandidatin für Kamala Harris entschieden: Eine erfahrene Juristin, die auf Grund ihrer Herkunft auch die schwarze Wählerschaft anspricht. Dennoch gibt es Vorbehalte bei den Schwarzen gegenüber Biden. Denn auch er gilt als "alter weißer Mann". Was erwarten die schwarzen Wähler von ihm? Ein Farmer in vierter Generation und zwei Jungunternehmer über ihre Hoffnungen und Wünsche.
John Boyd ist einer der wenigen schwarzen Farmer in Virginia. Nur noch fünf Prozent aller amerikanischen Landwirte sind schwarz. Seine Erwartungen an die Demokraten sind hoch: "Wir wollen ein besseres Amerika. Ein Amerika, das alle fair behandelt. Und ohne Vorurteile wegen der Hautfarbe. Ich hoffe, dass Banken uns Schwarzen künftig Kredite geben werden. Und wir wünschen uns Menschen mit dunkler Hautfarbe in Führungspositionen."
Biden ist ein Kompromiss
Aber all diese Themen müssen bis nach der Wahl warten. Denn jetzt gehe es darum, dass sich alle hinter Joe Biden versammeln. Boyd weiß um die Schwächen des Kandidaten. Er war bereits oft in Washington, um für die Anliegen schwarzer Farmer zu kämpfen. "Ich kenne den Vizepräsidenten schon eine ganze Weile. Er ist nicht der aufregendste Kandidat. Das kann man ruhig zugeben. Viele Amerikaner denken wahrscheinlich ähnlich, aber ich glaube, dass er weit besser ist als Trump."
Seine Frau Kara Brewer Boyd – sie ist vom indianischen Volk der Lumbee – sieht das genauso. Biden ist ein Kompromiss. Ganz anders dagegen Kamala Harris. Von ihr ist Kara begeistert. Eine Politikerin ganz nach ihrem Geschmack: "Ich freue mich wirklich darauf, dass eine Frau mit ihrer Ausbildung und ihrem Hintergrund Vizepräsidentin werden soll. Sie kann Joe Biden helfen, Dinge voranzubringen. Sie ist ein Gewinn für sein Team."
Kamala Harris: "Gewinn für Biden-Team"
Der Süden Virginias ist "Trump-Land". Die Boyds haben täglich mit Menschen zu tun, die für den Präsidenten sind. Es gebe viele Spannungen. Auch deshalb wollen sie Biden. Sie glauben, dass er am ehesten versöhnen kann. Doch im Moment haben sie vor allem Sorge vor einem schmutzigen Wahlkampf. Einen ersten Beleg dafür bekommt Kara bei einem Telefonat mit ihrer Mutter. Die hatte 2016 Trump gewählt und ist jetzt noch unentschieden. "Harris ist gut, sicher", sagt Karas Mutter, "aber wenn Biden etwas passiere, dann sei nicht garantiert, dass sie Präsidentin werde." Kara widerspricht: "Als Vizepräsidentin wird sie das automatisch." "Die sagen, das stimme nicht", sagt die Mutter wieder. Bewusst gestreute Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Harris‘ Kandidatur?
John Boyd ist optimistisch, dass die Demokraten besser aufgestellt sind als 2016. Sie dürften nur Donald Trumps Wahlkampf nicht unterschätzen: "Sie müssen die Dinge anders anpacken. Nicht so wie bisher in den USA üblich. Sonst werden sie verlieren. Sie müssen an vorderster Front kämpfen."
Alles auf die Anti-Trump-Karte setzen
In der Hauptstadt von Virginia, in Richmond, am Denkmal des umstrittenen Bürgerkrieggenerals Lee: Die Black Lives Matter-Bewegung hat diesen Platz für sich erobert. Hier gibt es viel Kritik an der nicht gerade als links geltenden Kamala Harris. Vor allem an ihrer harten Haltung gegenüber Schwarzen in ihrer Zeit als Generalstaatsanwältin.
Nikko Dennis und Earl Mack verstehen das, aber es gehe jetzt darum, das kleinere Übel zu wählen. Dahinter müsse alles andere zurückstehen. "Ja, sie hat diese Dinge getan, aber die anderen waren weit schlimmer. Wir hoffen eben, wenn wir Biden und Harris wählen, dass sie sich dann für eine Politik entscheiden, die gut für die Menschen ist. Und dass sie aus ihren Fehlern lernen und künftig das Richtige tun", sagt Dennis. Und Mack ergänzt: "Ich hoffe, dass die beiden die Leute motivieren können, wählen zu gehen. Sie müssen uns zeigen, dass sie für die kämpfen werden, deren Stimmen sie bekommen wollen."
Zuerst Corona, dann die Demonstrationen gegen Polizeigewalt. Auch das Geschäft von Earl und Nikko leidet darunter. Ihr Laden für Freizeit-Kleidung war monatelang geschlossen. Doch die beiden 30-Jährigen stehen hinter den Protesten. Die Politik müsse begreifen, dass die Lage der Schwarzen so nicht bleiben könne. "Wir werden weiter versuchen zu überleben, egal wer Präsident ist, aber wir hoffen, dass die nächste Regierung den Menschen draußen tatsächlich zuhört, und einige Dinge zum Guten verändern wird", sagt Mack.
Ausgerechnet der bei manchen Schwarzen beliebte Rapper Kanye West könnte den Demokraten wichtige Stimmen abnehmen. "Es ist verrückt. Hoffentlich zieht er seine Kandidatur nicht durch. Wenn doch, könnte die Stimmen für ihn die ganze Wahl vermasseln", sagt Dennis.
Alles auf die Anti-Trump-Karte setzen. Für schwarze Wähler der Demokraten scheint das, zumindest hier in Virginia, das Rezept zu sein.
Autorin: Claudia Buckenmaier, ARD-Studio Washington
Stand: 24.09.2020 21:06 Uhr
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