Mo., 27.08.18 | 04:50 Uhr
Das Erste
Russland/Ukraine: Brücke auf die Krim
Für Russlands Präsident Putin ist die neue Brücke über die Krim ein wichtiges Symbol: Sie soll zeigen, dass die 2014 annektierte Krim endgültig zu Russland gehört. Vier Jahre lang wurde an dem gigantischen Bauwerk über die Meerenge von Kertsch gearbeitet. Mit einer Länge von 19 Kilometern ist das Prestigeobjekt die längste Brücke Europas. Jetzt ist die Krim mit Russland erstmals über einen direkten Landweg verbunden. Die Brücke soll die Versorgung der Krim erleichtern und den Tourismus aus Russland ankurbeln. Für die Ukraine dagegen ist der Bau schlicht illegal.
Russen zieht es auf die Krim
Seit der Eröffnung im Mai zieht es viele Russen auf diesem Wege auf die annektierte Halbinsel. Dort sind spürbar mehr Autos unterwegs. Die Fahrer müssen Geduld mitbringen. Die Autobahn wird noch gebaut, der Verkehr stockt. Ein Campingplatz direkt am Schwarzen Meer: Alexander ist mit seiner Frau und den Kindern zum ersten Mal auf der Krim. Sie kommen aus Woronesch, etwa 20 Autostunden entfernt. Ohne die Krim-Brücke hätten sie woanders Urlaub gemacht: "Erstens war es früher hier ein anderer Staat. Das war eine der Schwierigkeiten, mit den Zöllnern und so weiter. Und zweitens ist es durch die neue Brücke viel einfacher geworden. Als die Krim an Russland angeschlossen wurde, gab es die Fähre, ja, aber: Mit der Brücke ist es doch viel bequemer", sagt Alexander. Fürs Camping am Strand haben sie alles von zu Hause mitgebracht. Mit den Kindern und den vielen Sachen geht das nur mit dem Auto.
Erst seit der Brücke sei die Krim als Urlaubsort in Frage gekommen, sagt Sweta, Alexanders Nachbarin aus Woronesch. "Man merkt schon bei der Fahrt über einen Teil der Halbinsel. Hier entwickelt sich was. Es werden Straßen gebaut, die Infrastruktur verändert sich. Früher war das die Ukraine und jetzt ist es einfach mehr Russland, das ist sichtbar", sagt Sweta. Politik sei im Urlaub kein Thema, sagt Alexander noch. Auf der Krim würden ja sowieso vor allem Russen leben.
Die Probleme bleiben: höhere Preise auf der Krim, gerade beim Sprit. Dem Bootsverleih von Sergej Kriwoschapow hat die Brücke dennoch einen Schub verliehen: 30 Prozent mehr Touristen, schätzt er. Weniger Ukrainer, kaum Westler, dafür aber viele Russen und Chinesen: "Viele Eltern kommen mit Kindern, mit Säuglingen, viele Studenten – alle besuchen die Krim. Wir sind sehr zufrieden mit dieser Saison. Und ich denke, dass nach der Eröffnung der Eisenbahnverbindung nächstes Jahr noch mehr Urlauber kommen werden."
Kurzarbeit im Hafen von Mariupol
Auch die Ukraine spürt die Brücke. Denn sie überspannt die Zufahrt einer Schiffsroute in die Hafenstadt Mariupol. Dort hat Galina Odnorog eine Initiative gegründet. Geschäftsleute, Politiker, Verbände – mit aller Kraft wollen sie darauf aufmerksam machen, wie sehr der Hafen unter der neuen Brücke leidet. Galina Odnorog ist sauer: "Die Brücke von Kertsch ist nicht rechtmäßig erbaut worden. Sie wurde gebaut, um eine Wirtschaftsblockade von unseren beiden wichtigen Häfen einzurichten, Mariupol und Berdjansk. Denn das sind wertvolle Häfen, der Hafen von Mariupol ist eines der wichtigsten Unternehmen der Stadt."
Was sie mit der Wirtschaftsblockade meint, will Galina Odnorog im Hafen zeigen. Sie trifft Schichtleiter Sergej Kiriluk. Seit 32 Jahren arbeitet er im Hafen von Mariupol. Doch seit dem Krieg in der Ostukraine ist es viel schlimmer geworden. Früher waren täglich 20 Kräne gleichzeitig im Einsatz, jetzt nur noch fünf bis sechs. Und die Schiffe kommen wegen Kontrollen russischer Behörden nicht mehr pünktlich an. "Das Schiff, das dort steht, saß auf dem Weg hierher etwa vier bis fünf Tage fest. Sie haben es nicht durchgelassen. Und drüben auf dem achten Pier wird gerade ein türkisches Schiff entladen, das ebenfalls festgehalten wurde", sagt Sergej Kiriluk.
Eines der Schiffe ist die "Sea Commander". Sie ist viel im Schwarzen Meer und dem Mittelmeer unterwegs. Aus Mariupol soll sie Waren Richtung Libanon transportieren. Der erste Offizier Yussuf Sami hat an der Krim-Brücke sechs Tage vor Anker liegen müssen – teure Wartezeit: "Sechs Leute kamen an Bord und haben das ganze Schiff und die ganze Mannschaft überprüft. Sie haben alles überprüft. Unter der Kontrolle der Küstenwache kann man nichts dagegen sagen. Es kann sein, dass nächstes Mal das Schiff nicht mehr nach Mariupol fährt. Denn sechs Tage sind eine lange Zeit."
"Russen verletzen Meeresrecht"
Wegen der Krise fährt der Hafen schon Kurzarbeit, freitags wird nicht gearbeitet. Nur noch ein Drittel der Güter, die vor dem Krieg umgeschlagen wurden, werden jetzt noch verladen. Einen wichtigen Vertrag über die Ausfuhr von Roheisen in die USA hat der Hafen bereits verloren. "Das ist eine Folge des Krieges, eine Folge der Ereignisse an der Straße von Kertsch, der Krimbrücke. Der Hafen hat jetzt einen großen Gewinneinbruch. Aber wir sind dazu verpflichtet, dass der Betrieb weiter Profit macht. Deshalb haben wir Manager unsere Ausgaben sehr genau im Blick", erklärt Alexander Olejnik, Direktor des Hafens Mariupol.
Galina Odnorog befürchtet jedoch, dass der Hafen irgendwann seinen Betrieb ganz einstellen könnte. Deshalb will sie, dass internationale Organisationen den Fall untersuchen: "De Facto verletzen die Russen aus meiner Sicht das Meeresrecht und das müssen wir zeigen." Von Mariupol aus ist die Brücke am anderen Ende des Asowschen Meeres nicht zu sehen. Doch die Folgen spüren sie bis hierhin. Die Ukraine denkt jetzt über Vergeltungsmaßnahmen nach.
Autor: Demian von Osten, ARD Studio Moskau
Stand: 27.08.2019 13:53 Uhr
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