Mo., 04.04.16 | 04:50 Uhr
Das Erste
Panama: Indios erobern die Geschäftswelt
Ein Flussbarsch fürs Mittagessen aus den Tiefen des Lago Gatún. Erst jetzt kann es losgehen. In sicherer Distanz zu den Ozeanriesen im Panama-Kanal steuert Atilano Flaco auf seine Gäste zu. Er ist ein Nokó, der Vize-Häuptling der Ureinwohner vom Stamm der Emberá hier am Río Gatún.
Alles dreht sich um den Tourismus
An Bord sind Touristen aus Florida. In der Trockenzeit muss Atilano die Touristen durch den Fluss schieben, um die neue Heimat seines Stammes zu erreichen. "Wir haben unsere alte Heimat verlassen. Sie liegt an der Grenze Panamas. Jetzt haben wir hier am Rio Gatún ein neues Leben", erzählt Atilano Flaco. Und in dem dreht sich alles um die Touristen. Zur Begrüßung gibt es einen großen Bahnhof. Es ist Teil ihrer Tradition und Teil ihres Geschäfts. Die Emberá rollen Gästen den roten Teppich aus.
Während nebenan Barsch und Yucca brutzeln, erklärt Atilano, wieso er Vorstandsmitglied einer indigenen Aktiengesellschaft ist. "Wir wollten, dass uns unser Boden gehört. Also haben wir mit unserer Firma vor neun Jahren dieses Land gekauft."
Ein Paradies und eine Solidargemeinschaft
Jetzt sehen sie ihre Chance darin, ihre Kultur selbst zu vermarkten. Miguel Flaco, Atilanos Onkel, ist Medizinmann – so wie schon sein Großvater. Früher lebte er im Darién, dem Armenhaus Panamas an der Grenze zu Kolumbien, einem berüchtigten Dschungel. "Gefährlicher als die Guerilleros waren die Drogenschmuggler. Denn die kamen mit ihren Drogenpaketen auf dem Rücken an und waren fähig, uns einfach so umzubringen. Die reden nicht. Solche Probleme hatten wir. Deshalb sind wir hier her gekommen und haben dieses Gelände gekauft", erzählt Miguel Flaco.
Zehn Emberá-Familien nahmen ihr Schicksal selbst in die Hand. Mit einem Kredit kauften sie die Halbinsel mit fünf Hausaffen – und Tukan "Tony". Ein Paradies und eine Solidargemeinschaft, in der jeder ein Grundgehalt von rund 200 Euro erhält. "Wir hängen sind von den Touristen abhängig: Wenn viele kommen, verdienen wir mehr. Was wir einnehmen, teilen wir auf alle Bewohner auf, damit jeder von uns ein Einkommen hat", erklärt Yomaida Paz.
2015 kamen 6.000 Touristen – ein gutes Jahr. Damit das so bleibt, müssen alle anpacken. Auch der Vorstandsvorsitzende ihrer Aktiengesellschaft: Atilano Senior, der Anführer der Emberá: "Das ist Gemeinschaftsarbeit. Wir machen die Fahrrinne frei, damit wir mit den Booten durchkommen, denn wir haben kein anderes Transportmittel. Nur über den Fluss kommen wir mit der Außenwelt in Kontakt."
Sechs Uhr früh: Häuptling Atilano bei seiner morgendlichen Ansprache vor seinem Vorstand. Dann werden die Aufgaben für den Tag verteilt. Nebenan hält Atilano Senior penibel alle Fäden in der Hand – Buchhaltung im Paradies. Gar nicht viel anders als bei einem DAX-Konzern. Es gibt monatliche Berichte. Alles ist ganz transparent.
Die Vision: Expansion
"Seit einem Monat ist unser Grundstück abbezahlt. Den Kredit von 11.000 Dollar haben wir abgestottert. Stück für Stück. Obwohl es auch Monate ohne einen einzigen Touristen gab. Jetzt aber läuft es und wir haben jeden Tag Touristen", erzählt Atilano Flaco, Gechäftsführer der Emberá Quera S.A.
Tourismus ist ein sauberes Geschäft, sagen die Emberá. Und das ganze Dorf hat eine Vision, die sie bald schon verwirklichen wollen. "Wir haben viele Kinder und Jugendliche, die irgendwann heiraten wollen. Die brauchen Platz. Und das Gelände, das wir haben, reicht nicht. Wir wollen also das Nachbargrundstück kaufen und dort Hütten bauen – für uns und die Touristen", sagt Atilano Flaco.
Seit einem Jahr sparen sie, um expandieren zu können – ganz so wie die großen Aktiengesellschaften.
Autor: Matthias Ebert, ARD-Studio Mexico-Stadt
Stand: 11.07.2019 12:24 Uhr
Kommentare