Mo., 04.04.16 | 04:50 Uhr
Das Erste
USA: Wenn der Boss bei der Familienplanung mitmischt
Kostenlose Cocktails, Häppchen: Fruchtbarkeits-Happy-Hour in einer Bar in New Hampshire. Hier plaudern die Gäste über das Einfrieren von Eizellen, das Eggfreezing. Eine Art Tupperparty - nur dass die Frauen sich hier über sehr Intimes austauschen: "Das ist mal was anderes. Es fühlt sich noch ein bisschen komisch an, aber es ist eine entspannte Atmosphäre, um mit anderen zu reden, die vielleicht die gleichen Fragen haben", sagte eine Teilnehmerin. Eine zweite ergänzt: "Das ist wie ein erster Schritt, bevor man dann einen Arzttermin vereinbart". Eine dritte Frau erklärt: "In so einem informellen Rahmen kannst du doch leichter über alles nachdenken und du hast deine Freundinnen dabei und jede bringt ihre Gedanken ein."
"Das eröffnet Frauen tolle Optionen"
Eine Ärztin spricht über Hormonspritzen und Fruchtbarkeitskurven – medizinische Ratschläge zwischen Weißwein und Hähnchenspießen. "Frauen, die Anfang bis Mitte 30 sind und ihre Schwangerschaft bis in ihre 40er verschieben wollen, sollten unbedingt in Betracht ziehen, Eizellen einzufrieren. Das eröffnet Frauen tolle Optionen, auch wenn es schon Kritik daran gab. Aber ehrlich gesagt: Als man die Pille erfand, wurde das auch kritisch gesehen", sagt Reproduktionsmedizinerin Kristen Wright.
Dabei kann der Eingriff zur Tortur werden: Vor der Entnahme müssen die Eizellen stimuliert werden. Das heißt: Mehrfach täglich sind Hormonspritzen nötig - zwei Wochen lang. Übelkeit und Krämpfe sind noch die harmloseren Nebenwirkungen.
Alles total easy, aber meint die New Yorkerin Yana. Sie hat Eizellen einfrieren lassen. Das Model, das sein Alter geheim hält, empfindet das als befreiend. Und unter ihren Freundinnen sei sie da keine Ausnahme: "Ich bin derzeit einfach nicht bereit für ein Kind, aber ich wollte für die Zukunft vorsorgen. Und jetzt kann ich die Eizellen nutzen, wann auch immer ich sie brauche. Das Ganze ist so populär geworden. Das machen doch inzwischen so viele, dass ich dachte, warum nicht?"
Neues Verfahren – verlässliche Daten fehlen
An der Yale Universität in Connecticut halten Experten so manche vollmundige Marketingkampagne für bedenklich, denn es gibt bisher bei diesem noch sehr neuen Verfahren keine verlässlichen Daten über Erfolgsraten, sagt Professor Pasquale Patrizio: Manche sprechen von 60 Prozent, andere von gerade 24. "Das Einfrieren von Eizellen ist definitiv keine Versicherung. Eine Frau versucht damit, ihre Möglichkeit zu erhalten, später schwanger zu werden. Es gibt keine Garantie, dass mithilfe der eingefrorenen Eizellen tatsächlich einmal ein Baby geboren wird." Zudem ist es ein teures Verfahren, das sich nicht jede Frau leisten kann. Die Hormonbehandlung, die Entnahme, das Prüfen und Einfrieren der Eizellen in solchen Stickstofftanks kann bis zu 20.000 US-Dollar kosten.
Pentagon will Kosten für Soldatinnen übernehmen
Doch nun will selbst das Pentagon die Kosten übernehmen – um ein attraktiver Arbeitgeber zu werden. Ab 2017 können Soldatinnen ihre Eizellen kostenlos einfrieren lassen. Ein Angebot, das manche Frau vielleicht als Befehl verstehen könnte. Doch der Pentagonsprecher Brad Carson hat keine Bedenken. "Das ist nur ein Angebot. Wir erwarten keinesfalls, dass junge Frauen für Amerika in den Krieg ziehen und das Kinderkriegen aufschieben. Das Eggfreezing-Verfahren funktioniert ja auch nicht immer. Das ist ein berechtigter Einwand. Deshalb verbessern wir gleichzeitig den bezahlten Mutterschutz und die Kinderbetreuungsmöglichkeiten."
Meredith (40) hat die Prozedur vor einem Jahr von ihrem Arbeitgeber bezahlt bekommen, einem großen Pharmakonzern. Sie ist leitende Angestellte in der IT-Abteilung. Frisch geschieden, will sie sich bis Mitte 40 die Option auf ein Baby offen halten. Sie sagt, dass alle Arbeitgeber das Eizelleneinfrieren bezahlen sollten. Sie fühlt sich dadurch nicht unter Druck gesetzt. "Ich habe das nie so sehr als ethisches Problem gesehen, ich glaube, die Firmen wollen Frauen einfach die Möglichkeit geben, eine eigenständige Entscheidung zu treffen. Ich finde, dass es immer noch verdammt schwer ist, eine Frau zu sein. Wenn du 20 oder 30 bist, musst du dich einfach um deine Karriere kümmern und unglücklicherweise ist das genau die Zeit, die biologisch gesehen die beste wäre, um schwanger zu werden."
"Irgendwann ist es nichts anderes, als einen Computer zu kaufen"
In einem der glänzenden Bürotürme von New York hat die Firma Eggbanxx ihre Büros. Eine Art Kontaktbörse für Ärzte und Frauen. Kredite für den teuren Eingriff gibt es gleich obendrauf. Das Rundumsorglospaket verspricht Eggbanxx Chefin Gina Bartesi, eie jede junge Frau künftig in der Pflicht sieht. "Ob die Frauen die gefrorenen Eizellen nutzen oder nicht, ist ja ihre Sache, Hauptsache sie haben sie erst mal. Irgendwann ist es nichts anderes, als sich einen Riesen-Fernseher zu kaufen, einen Computer oder die neue Apple Watch. Die Kosten werden runtergehen und dann wird dieses Verfahren noch mehr Frauen offen stehen."
Eizellen einfrieren lassen – für manche junge Amerikanerin ist dies inzwischen längst ein Punkt auf der To-do- Liste für die moderne Frau.
Autorin: Sandra Ratzow, ARD-Studio Washington
Stand: 11.07.2019 12:24 Uhr
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