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Finnland – Aufrüsten für mehr Sicherheit

Finnland – Aufrüsten für mehr Sicherheit | Bild: NDR

Ein bisschen unsicher ist sie noch. Denn ein Sturmgewehr hat Kaisa heute zum ersten Mal in der Hand. Eigentlich ist sie Personalberaterin. Aber der Krieg in der Ukraine hat sie auf diesen Schießstand gebracht. Im Ernstfall will sie mit anpacken können, nimmt an einem Kurs für Zivilistinnen teil. "Ich interessiere mich dafür, wie ich mein Land verteidigen kann. Und dann habe ich die Anzeige für den Kurs im Internet gesehen und wollte mitmachen." Finnland bietet viele solcher Kurse für Laien an. Vom Schießen bis zum Survival-Training im Wald. Alle wollen vorbereitet sein. Der Grund: der Nachbar Russland. Das Verhältnis: frostig.

Finnland hat eine der stärksten Artillerien in Europa

Die Länder verbindet eine lange Grenze. Auch deshalb üben sie hier mit schweren Geschützen. Wir sind hoch oben im Norden Finnlands. Nicht weit von der Grenze zeigt die NATO bei diesem Artillerie-Manöver Muskeln. Finnland hat eine der stärksten Artillerien in Europa. Dass das Land seit zwei Jahren NATO-Mitglied ist, finden hier alle gut. Auch Konsta. Er sitzt am Steuer dieses Raketenwerfers. "Wir sind zu dritt da drin. Da harren wir aus und warten auf Feuerbefehle", sagt der Wehrdienstleistende. Seinen ganzen Namen darf Konsta uns nicht verraten. Mit anderen Wehrpflichtigen und Soldaten übt er hier bei Eis und Schnee. "Jetzt im Winter haben wir extra diese Ketten drauf, ein bisschen wie Winterreifen. Damit können wir besser fahren. Aber es ist trotzdem noch richtig glatt auf den Wegen."

Einen Angriff Russlands halten viele hier gerade für unwahrscheinlich. Ein neuer kalter Krieg aber sei längst schon da. Der spielt sich auch tief unten am Grund der Ostsee ab. Dort wimmelt es von solchen Gaspipelines und Datenkabeln. Sie sind immer wieder Ziel von hybriden Attacken. Wie die Pipeline Balticconnector zwischen Finnland und Estland. 2023 reißt ein Schiff ein Leck in die Leitung. In Finnlands Hauptstadt Helsinki sind sie deswegen schon lange auf der Hut. Nun sei auch der Rest von Europa aufgewacht, sagt Außenministerin Elina Valtonen: "Und das, finde ich, ist ganz wichtig, dass wir erstens dieses Verständnis haben endlich mal gemeinsam, weil das führt dann auch dazu, dass wir auch gemeinsam handeln können und müssen."

Wachsamkeit liege in der finnischen Mentalität, sagt die Ministerin.Deshalb versuchen sie hier in Helsinki, Lösungen zu finden. Im Kompetenzzentrum für hybride Bedrohungen. Mit Experten aus ganz Europa. Aber die stehen vor einem Riesenproblem: "In unseren offenen Gesellschaften ist Sabotage schwierig zu verhindern. Wenn es also jemand versucht, ist er in der Regel erfolgreich", sagt Jukka Savolainen, Leiter des Kompetenzzentrums für die Abwehr hybrider Bedrohungen.

Wachsamkeit liegt in der finnischen Mentalität

Soldat bei einer Übung im Schnee
Einen Angriff Russlands halten viele hier gerade für unwahrscheinlich. | Bild: NDR

Ortswechsel: Die finnische Küste südlich von Helsinki. Marinesoldaten beim NATO-Manöver "Freezing Winds". Eisige Winde sind sie hier gewohnt. Trainieren im Schneesturm – für diese beiden kein Problem. "Es ist gut, denn es macht uns wachsamer – für den Ernstfall. Hoffentlich tritt er nicht ein. Aber wenn er es tut, sind wir bereit", sagt der Wehrdrienstleistende Mathias.

Wachsam müssen jetzt auch die Zivilistinnen am Schießstand sein. Die Waffen zusammengebaut, schießen sie zum ersten Mal. Für Kaisa läuft es anfangs noch holprig. "Ich hatte ein paar Probleme und bin nicht wirklich zufrieden. Aber immerhin hab' ich die Scheibe getroffen." Gegen Ende des Tages klappt es besser. Für ihre Sicherheit sind die Finnen bereit, weit zu gehen. Vier von fünf würden ihr Land verteidigen. Auch viele der Kursteilnehmerinnen heute. "Frauen haben immer schon eine Rolle im Krieg gespielt. Die aktuelle Lage hat das noch verstärkt", erzählt Kaisa. Das Schießtraining ist vorbei. Für Kaisa steht fest: Sie will noch mehr lernen. Und: Sie hat keine Angst, ihre neuen Fähigkeiten im Kriegsfall auch an der Front einzusetzen.

Autorin: Julia Wäschenbach, ARD-Studio Stockholm

Stand: 15.12.2024 21:36 Uhr

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