So., 15.12.24 | 18:30 Uhr
Das Erste
Russland – Geopolitik: Welche Optionen hat der Kreml?
Irgendwo in den Nobeltürmen des Moskauer Business-Viertels soll er jetzt wohnen. Assad und seine Familie besitzen hier laut Medienberichten 19 Wohnungen. Hierher ist er geflohen, samt Entourage. In einer Iljuschin-Transportmaschine der Russen.
Am Montag wechselte die syrische Botschaft in Moskau die Seiten. Hiesige Syrer hissen die Flagge der Opposition. Weithin sichtbares – und hörbares – Signal. Auch dafür, dass Russland Assad nicht helfen wollte. Oder konnte. "Leider muss die alte Flagge weg, aber es geht nicht anders. Alles, was mit dem Regime verbunden ist, muss jetzt weg. Ein für alle Mal", sagt ein Mann.
Syrien: Ein wichtiger Verbündeter weniger für Russland
Kein Regime hält ewig – auch das ist ein Signal, das man hier in Moskau wohl gehört hat. Auch im Kreml. Ein wichtiger Verbündeter weniger. Die Woche begann nicht gut für Wladimir Putin. Und dann kamen aus Paris auch noch diese Bilder. Wiedereröffnung von Notre Dame, Staatsgäste aus aller Welt – und Macron bringt Trump mit Selenskyj zusammen. Der hat also nun Vorsprung im Umgarnen von Trump. Auch das wird man hier nicht gerne gesehen haben. Trump hatte zuvor zudem Russlands Partnern in der Brics-Staatengruppe mit hohen Zöllen gedroht, falls die sich gegen US-Interessen stellen. Noch ein Schlag in Putins Kontor.
Und Zuhause fällt der Rubel, in Tiefen, sie es seit langem nicht mehr gab. Auch, weil Investitionen fehlen. Zum jährlichen Investor-Forum kamen nur wenige Ausländer, Putin ließ stundenlang auf sich warten – und beschwor die Stärke der russischen Wirtschaft: "Einige Staaten hatten sich ja die Aufgabe gestellt, uns eine strategische Niederlage beizubringen. Nicht nur militärisch, auch ökonomisch. Sie sollten unsere Industrie schwächen. Aber sie sind krachend gescheitert."
Putin sieht, was er sehen will, sagt Alexandra Prokopenko, früher Beraterin von Russlands Zentralbankchefin. Seit Kriegsbeginn lebt sie in Berlin. Wenn Aktiva per Präsidenten-Erlass enteignet werden können, wenn Eigentum nicht geschützt ist, investiert natürlich niemand. Es liegt nicht nur an den Sanktionen, dass kein Geld fließt. Selbst China und andere befreundete Länder investieren doch kaum in Russland. Kriegssymbolik überall. Nach Verhandlungsbereitschaft sieht das nicht aus. Auch, wenn man neuerdings die Gesellschaft auf ein mögliches Kriegsende vorzubereiten scheint: Die Ziele der Spezialoperation seien fast erreicht, heißt es jetzt. Lange könne das ja auch nicht mehr gutgehen, glaubt die Expertin.
"Putin braucht ganz offensichtlich eine Kriegspause"
Im kommenden Jahr, sagt sie Expertin, werde Russland sämtliche Steuereinnahmen in den Krieg stecken müssen: "Die Chancen, dass es mit Russlands Wirtschaft bergab geht sind jetzt weit höher, als dass sie wieder floriert. Putin braucht ganz offensichtlich eine Kriegspause. Sie käme ihm jetzt sehr zupass."
Parallel treibt Putin den Preis hoch – und droht. Auf eine wohl bestellte Frage, ob Russlands Oreshnik-Mittelstreckenrakete auch die Kiewer Regierung angreifen könne, antwortet Putin - auf Putin-Art. "Wissen Sie, es gab früher mal diesen Witz über Wettervorhersagen. Der ging so: Im Laufe des Tages… ist alles möglich."
Mit dem Schuh winken sie den Russen zum Abschied aus Syrien. Offenbar zieht Moskau zumindest teilweise ab. Transportflieger landen gestern auf der Airbase bei Latakia. Handybilder einer schier endlose Kolonne von Militärgerät auf dem Weg dorthin. Assads Sturz ist auch eine Niederlage Russlands.
Autorin: Ina Ruck, ARD-Studio Moskau
Stand: 15.12.2024 21:36 Uhr
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