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Lettland: Leben in Karosta

Lettland: Leben in Karosta | Bild: NDR

Die Brandung donnert an die alte Festung von Karosta. Die Geschichte liegt hier längst Trümmern. Aber die Zukunft hat noch nicht ganz begonnen. Katja, 19 Jahre, wohnt hier in Karosta. Und Gleb ist auch hier geboren. Die beiden Freunde versuchen, das Gute zu sehen an diesem Ort, der so viele Seiten in sich vereint. "Du kannst hier eine gute Zeit haben, ein guter Ort zum Entspannen, als Tourist zum Beispiel. Das Meer ist nicht weit, wir haben eine schöne Landschaft, gutes Wetter", sagt Ekaterina Soloveja. "Aber ja, es gibt hier natürlich sehr eigentümliche Leute, sehr alte Häuser und Gebäude. Alles zusammen genommen wirkt es eben wie ein abgeschottetes ehemaliges Militärgebiet."

Hier in Karosta lässt sich die ganze bewegte Geschichte Lettlands ablesen. Der Zar hat sich vor 100 Jahren mit einer golden glänzenden Basilika verewigt. Dann kamen die Sowjets. Karosta, die Militärgarnison, wird zum Sperrgebiet. Als Lettland wieder unabhängig wird und die rusischen Truppen abziehen, bleiben Tausende russische Familien hier. Ihre Hoffnung auf ein besseres Leben wird enttäuscht. "Vielleicht sind die Leute deshalb so verschlossen – es hängt mit unserer Geschichte zusammen", sagt Gleb Shishko.   

"House of Hope" – ein Ort für Teenager aus Karosta

Das frühere Sperrgebiet bleibt auch im neuen Lettland eine Welt für sich. Drogen, Gangs, Gewalt – diese Zeiten sind vorbei. Aber die Tristesse ist geblieben. Katja und Gleb wollen sich damit nicht abfinden. Zweimal in der Woche kommen sie hierhin zum "House of Hope", dem Haus der Hoffnung. Tatjana Makovija kümmert sich um die Teenager aus Karosta. "Für die Jugendlichen ist es vor allem ein sicherer Ort. Manche haben mir gesagt, ohne das 'House of Hope", wären sie vielleicht nicht mehr am Leben", sagt Tatjana Makovija. An manchen Tagen kommen 70 oder 100 Teenager zu Tatjana. Um sich zu abzureagieren, sich auszuprobieren. Um gemeinsam zu lachen, sich zu entspannen, auf andere Gedanken zu kommen. "Wer sich nach emotionaler Hilfe sehnt, wenn jemand zu viel über sein Leben grübelt oder zu Hause eine Tragödie passiert – dann sind wir da für die Jugendlichen." Dieser Ort ist angenehm und gut, sagt Gleb. "Ich habe hier gelernt, wie man Holz sägt. Wir haben hier eine obdachlose Katze, und ich möchte ein Haus für sie bauen, damit sie dort leben kann."

Ein Haus zum Leben – hier zwischen den Plattenbauten von Karosta hat alles angefangen. Vor fast 30 Jahren. Die Not war damals groß, so groß. Hungrige Kinder klopften an Tatjans Fenster und baten um eine Scheibe Brot. Immer mehr Teenager suchen über die Jahre Hilfe bei Tatjana. Auch Kristine und Olga. "Ich bin damals an die falschen Leute geraten und habe angefangen Drogen zu spritzen. Durch Zufall habe ich Tatjana kennengelernt. Sie sah meine Unterarme. Und sie hat mir klar gemacht, dass ich auf dem falschen Weg bin und dass ich mein Leben ändern kann", sagt Olga Sapelkina.

Karosta: Zeit für Zukunft

Drei Personen am Wasser
Tatjana, Gleb und Katja leben in Karosta. | Bild: NDR

Für so viele da zu sein – der Glaube helfe ihr, sagt Tatjana. Und außerdem zwingen sie ja die Umstände: "Alle Menschen wollen geliebt werden, aber nicht alle Familien können diese Liebe geben. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns gegenseitig unterstützen." Tatjana finanziert ihre Arbeit überwiegend mit Spenden, auch aus Deutschland. Tatjana möchte ein zweites Jugendzentrum aufmachen. Es stecke so viel Potenzial in Karosta, vor allem in den Menschen, die hier wohnen: "Ich will meinen Traum vom College wahr machen", sagt Katja. "Aber ich möchte auf jeden Fall im Jugendzentrum helfen. Vielleicht kann ich da sein für Teenager, denen es so geht, wie mir oder deren Lage komplizierter ist."

So hat jeder seine Träume hier, Große und Kleine. Karosta hat genug Geschichte gesehen. Jetzt, finden Gleb und Katja, ist Zeit für Zukunft.

Autor: Philipp Abresch

Stand: 29.04.2024 10:52 Uhr

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