So., 08.12.24 | 18:30 Uhr
Das Erste
Ukraine: Der Liebeszug nach Kramatorsk
Auch die 39-jährige Tetiana aus der Westukraine: Sie ist schon die ganze Nacht unterwegs auf dem Weg zu ihrem Mann: "Ich fahre die Strecke zum ersten Mal. Ja, ich habe große Angst. Mein Mann hat da eine Wohnung gemietet, weil er nicht in Kramatorsk selbst ist. Er ist dort irgendwo an der Front, irgendwo da draußen, wo genau, kann er nicht sagen. Die Gespräche könnten abgehört werden. Und er hat auch nur ein paar Tage frei genommen und dann fahre ich auch schon wieder zurück."
Drei Monate haben sie sich nicht gesehen. Viele Beziehungen zerbrechen darüber. Es verlange einem viel ab, meint sie. Er ist seit Beginn des Krieges an der Front.
Für Schaffnerin Natalia ist dies ihre Lieblingsstrecke, obwohl die ukrainische Eisenbahn immer wieder von russischen Bomben angegriffen wird. Hier fiebere sie so mit den Menschen mit, dass sie alles vergesse: "Hier reisen jeden Tag Frauen, und nicht nur sie. Sie bringen ihre Kinder zu ihren Vätern. So versuchen die Frauen ihr Familienleben irgendwie aufrechtzuerhalten."
Die ersten Fabriken und Schlote von Kramatorsk. Tetiana hat ein mulmiges Gefühl - so nah an der Front.
Jetzt muss alles ganz schnell gehen. Alle Angst ist plötzlich wie verflogen. Jetzt zählt nur noch ihr Mann!
Kramatorsk: Früher einer der wichtigsten Industriestandorte der Ukraine. Jetzt versuchen Putins Truppen die Stadt und damit den Donbass unter ihre Kontrolle zu kriegen. Die Front ist hier gerade mal 20 Kilometer entfernt. Immer wieder wird die Stadt mit Raketen beschossen. Die Ukraine organisiert hier ihren Abwehrkampf im Osten. Die Stadt ist voller Militär.
Ein Café zum Entspannen
Für die Soldaten ist dieses Café ein Ort zum Entspannen. Den Namen nennen wir nicht, denn immer wieder werden Cafés zur Zielscheibe russischer Raketen. Die 33-jährige Besitzerin Kateryna wollte schon immer ein pinkes Café - für Mütter und ihre Kinder. Doch dann brach der Krieg aus. Cup Cakes in Kramatorsk – wer hätte das gedacht. Die Soldaten lieben Katerynas Kuchen, alle selbstgebacken. Kateryna Seledtsova: "Das erinnert an zu Hause. Sie sind einsam. Ihre Frauen, Mütter und Schwestern sind weit weg. Und deshalb wollen sie einfach menschliche Wärme."
Die Hauptregel im Cafe: keiner redet über den Krieg. Keine Fragen, wo sie herkommen. Die Männer wollen hier abschalten.
Und auch Tetiana und ihr Mann sind dankbar für das gemeinsame Wochenende. Sie schicken uns Fotos, denn noch einmal treffen wollen sie uns nicht – zu knapp die Zeit. Glückliche Momente, die ihnen helfen die Trennung zu überstehen.
Und am Bahnhof von Kramatorsk warten schon die nächsten Soldaten auf ihre Frauen und können ihr Glück kaum fassen.
Birgit Virnich, ARD Kyjiw
Stand: 08.12.2024 19:36 Uhr
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