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Italien: LGBTQ*-Community unter Druck

Italien: LGBTQ*-Community unter Druck | Bild: Tilmann Kleinjung, ARD Rom

Gemeinsam haben Marco und Paolo sie aufgebaut: ihre "Liberty Bar" in Rom. Wie ein Wohnzimmer soll sie sein, in dem man so sein kann, wie man ist. Am Samstagnachmittag werden die letzten Gäste bewirtet, die Bestände aufgefüllt. Gleich geht’s ins Wochenende.
Paolo und Marco sind seit 17 Jahren ein Paar. Und: seit sechs Jahren haben sie einen gemeinsamen Sohn, Flavio. Er wurde in Kanada von einer Leihmutter zur Welt gebracht. Das wäre nach italienischem Recht seit kurzem strafbar. Ein Schock für die Eltern: "Wir sind nie angegriffen worden. Wir haben von Anfang entschieden, uns als Familie zu zeigen. Die Bar haben wir eröffnet, als Flavio drei Monate alt war. Das heißt, alle hier kennen ihn, seit er drei Monate ist. Er ist unser Sohn. Punkt. Das heißt, unsere Gesellschaft ist da viel weiter als die Regierung."

Ein zweites Kind – nicht erlaubt

Eigentlich hatten Marco und Paolo ein zweites Kind geplant, wieder in Leihmutterschaft. Aber die italienische Regierung lässt das nicht mehr zu. Obwohl die beiden ihre Bar und ihr Italien lieben, überlegen sie jetzt zu gehen.
Seit zwei Jahren regiert Giorgia Meloni von den postfaschistischen Fratelli d’Italia. International ist sie anerkannt, eine verlässliche Partnerin auch für Papst Franziskus. Innenpolitisch zeigt sie vor allem in der Familienpolitik ihre rechts-konservative Handschrift: Vater, Mutter, Kinder. Giorgia Meloni beansprucht die Deutungshoheit darüber, was eine Familie ist. Leihmutterschaften waren in Italien schon immer verboten. Die Regierung hat das Verbot ausgeweitet. Künftig werden auch Italienerinnen und Italiener bestraft, die sich im Ausland dafür entscheiden.

Alessia Crocini engagiert sich für Regenbogenfamilien, queere Paare. Für die war es in dem katholisch geprägten Land schon immer schwer: Doch die neuen Vorstöße der Regierung machen ihr große Sorgen. Bei Vorträgen versucht Alessia wachzurütteln: "Sie werfen uns Knüppel zwischen die Beine und sagen uns jeden Tag, dass wir keine Eltern sein dürfen. Aber wir sind Dickköpfe, wie man so schön sagt. Wir fliegen um die halbe Welt, um Eltern zu werden. Und wenn wir dann in Italien ankommen, wird diese Elternschaft nicht anerkannt."
Vor zehn Jahren hat Alessia mit ihrer Partnerin ein Kind bekommen und spürt die Benachteiligung jeden Tag. Es gibt kein Gesetz, das regelt, dass gleichgeschlechtliche Paare gemeinsam Eltern eines Kindes sein können. Manche Bürgermeister haben diese Gesetzeslücke großzügig interpretiert und beide als Eltern eingetragen. Drei Monate nach Amtsantritt hat das die Regierung Meloni verboten.
Auch die mutige Alessia fühlt sich nicht mehr so sicher wie früher, seit eine ultrarechte Organisation sie diffamiert und öffentlich vorgeführt hat.
Giorgia Meloni verteidigt ihre Politik. Das Gesetz gegen Leihmutterschaft? Ein Gesetz zur Stärkung der Rechte der Frauen, sagt sie. Schon im Wahlkampf hat sie sich gegen Vorwürfe der LGBT-Comunity gewehrt.

Doch Marco und Paolo fühlen sich diskriminiert, behandelt wie Kriminelle. Die größte Sorge gilt ihrem Sohn. Das Gesetz, das Leihmutterschaft auch international unter Strafe stellt, könnte Kinder wie ihn stigmatisieren. Sie haben sich entschieden, Italien zu verlassen nach Kanada. Dort ist Flavio geboren. Dort soll eine Leihmutter ihr zweites Kind austragen, dort wollen sie leben.
Dass die drei wegen der Familienpolitik Giorgia Melonis das Land verlassen, ist ein harter Schlag für Flavios Großmutter. Ohne Enkel bleibt sie allein zurück in Rom.
In wenigen Wochen wird Marco zum letzten Mal den Rollladen seiner Liberty Bar in Rom schließen. Liberty, also die Freiheit so zu leben, wie man ist: in Italien findet er sie nicht mehr.

Tilmann Kleinjung, ARD Rom

Stand: 08.12.2024 19:02 Uhr

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