So., 14.07.24 | 18:30 Uhr
Das Erste
USA: Wie fit ist Biden?
Er macht weiter, als sei nichts gewesen. Gibt sich volksnah und kämpferisch. Inszeniert sich in der Autostadt Detroit als Verteidiger der Arbeiterklasse. Joe Biden am Freitagabend bei einem Wahlkampfauftritt in einer High School im so wichtigen Swing State Michigan. An dem Ort, an dem er vor vier Jahren versprach, als Brücke für eine neue Generation führender Demokraten zu dienen. Davon will er mittlerweile offenbar nichts mehr wissen. "Ihr habt mich zum Kandidaten gemacht, niemand sonst - nicht die Presse, nicht die Strategen, nicht die Insider, nicht die Spender. Und ich gehe nirgendwo hin."
Basis steht weiter hinter Biden
Die Basis steht weiter hinter ihm – auch wenn ihr Zugpferd gerade nicht wirklich zieht. Vor einer Eisdiele versuchen Virginias Demokraten, Amerikaner für die Wahl zu begeistern. Aber bei 30 Grad im Schatten ist den meisten die Erfrischung wichtiger. Holly Hazard hat schon für Jimmy Carter Wahlkampf gemacht. Sie glaubt trotz aller Fehltritte, dass Biden nach wie vor der Richtige ist: "Er hat es schon mal geschafft. Und mir ist ein Mann lieber, der ab und zu ein Wort vergisst, als ein Mann, der jeden Tag seines Lebens die Verfassung vergisst."
Demokrat Bill Millhouser vertraut darauf, dass der Präsident mal wieder seine Comeback-Qualitäten unter Beweis stellt. Die Partei ist ihm ohnehin wichtiger als das Personal. "Ich stimme für die Demokraten, egal, wer unser Kandidat ist. Und ich denke, es wird Joe sein. Es ist nicht so einfach, den Kandidaten zu wechseln."
Mindestens 19 Abgeordnete und ein Senator der Demokraten haben Joe Biden trotzdem mittlerweile öffentlich zum Rückzug aufgefordert. In einem offenen Brief schließen sich ihnen nun 24 ehemalige Abgeordnete an. Die Integrität und die Vision des Präsidenten seien unverändert, allerdings fehlten die Energie und die Ausdauer für den Wahlkampf und eine weitere Amtszeit. "Die Fragen nach seiner Gesundheit werden nicht mehr aufhören – und jeder, der alternde Eltern oder Großeltern hat, kennt diese Sturheit, mit der viele ältere Amerikaner ihre eigenen Schwächen nicht zugeben wollen", sagt Jessica Taylor von The Cook Political Report.
Vize-Präsidentin Kamala Harris wird als einzige echte Alternative zu Joe Biden gehandelt. Noch stellt sie sich jedoch demonstrativ hinter ihn. Obwohl sie ihn möglicherweise bald ersetzen könnte: "Er ist ein Kämpfer. Und er ist der Erste, der sagt: 'Wenn du niedergeschlagen wirst, stehst du wieder auf.'"
"Wir sind gut darin, uns selbst zu schaden"
Holly Hazard hofft, dass sich die Gemüter schnell wieder beruhigen – spätestens bis zum Parteitag der Demokraten im August. Was es jetzt brauche, sei eine geeinte Partei, die geschlossen hinter ihrem Kandidaten steht. "Wir sind gut darin, uns selbst zu schaden – mehr als es die Republikaner je könnten. Wir sollten aufhören, Joe Biden in Frage zu stellen!"
Knapp vier Monate bleiben Holly und ihren Mitstreitern noch, die Wähler in Virginia zu begeistern. Nächstes Wochenende wollen sie wiederkommen.
Autor: Torben Börgers. ARD-Studio Washington D.C.
Stand: 14.07.2024 20:32 Uhr
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