SENDETERMIN So., 12.12.21 | 19:20 Uhr | Das Erste

Afghanistan: Endlich in Deutschland

Afghanistan: Endlich in Deutschland | Bild: SWR

Seit zehn Tagen in Deutschland

Zehn Tage sind sie jetzt in Deutschland. Frozan und ihre Familie. In Afghanistan hatte sich Frozan aktiv für Frauenrechte eingesetzt. Fünf Monate stehen sie auf der deutschen Ausreiseliste. Aber sie konnten Afghanistan nicht verlassen. "Es waren sehr schlimme Tage. Wenn ich zurückdenke, kann ich nicht glauben, dass ich noch am Leben bin. Ich kann das, was wir erlebet haben, nicht in Worte fassen. Meine Familie und ich verbrachten eine Nacht am Flughafen, aber wir konnten das Gate nicht passieren. Es war alles überfüllt. Deshalb kehrten wir nach Hause zurück."

Mit Gewehr bewaffenter Taliban
Die Familie hatte immer Angst, verhaftet zu werden | Bild: SWR

"Mehr als 15 Jahre lang habe ich als Frauenrechtsaktivistin in Afghanistan gearbeitet. Als die Taliban erneut an die Macht kamen, haben wir alles verloren. Wir haben unser Land verloren. Wir haben unsere Errungenschaften verloren. Ich habe meinen Job verloren, meine Tochter ihre Schule. Nach der Machtübernahme der Taliban organisierten wir im Untergrund eine Schule für Mädchen, die nicht mehr zur Schule gehen durften. Mein Mann, ich und meine ältere Tochter haben die Mädchen zu Hause unterrichtet. Es waren nur kleine Dinge, die wir tun konnten. Doch trotz der Gefahr und der großen Schwierigkeiten, mit denen wir konfrontiert wurden, haben wir nicht aufgegeben."

Banges Warten auf die Ausreise

Drei Monate verstecken sie sich in der Wohnung, warten auf die Ausreise. "Manchmal hatte ich Angst. Ich dachte: Wenn die Taliban erfahren, dass ich gegen ihre Regeln verstoße, werden sie mich verhaften. Und das war ein großes Risiko für mich − aber nicht nur für mich, sondern auch für meine Familie. Ich kann den Moment einfach nicht vergessen, als ich mich von meinem Vater verabschieden musste. Das war nicht leicht. Wegen meiner Arbeit habe ich sie in Gefahr gebracht."

Familie von Frozan: Tochter, Mutter, Vater
In Sicherheit − 7.000 Kilometer entfernt von der Heimat | Bild: SWR

Am dreizehnten November fliegen Frozan und ihre Familie endlich aus. Über zwei Monate, nachdem die letzte deutsche Militärmaschine Afghanistan verlassen hatte. Frozan ist einer der 25.000 Menschen, die Deutschland aufnimmt. Ihr Flug geht über Pakistan. Zwischenstation auf dem Weg in die Sicherheit. "Wir lebten kurze Zeit in Pakistan. Doch in Pakistan ist es für uns auch nicht sicher. Es gibt viele Berichte, dass einige Menschen in Pakistan von den Taliban aufgespürt wurden. Wir waren etwa achtzehn Tage in Pakistan. Dort warteten wir auf unser Visum und unseren Flug nach Deutschland. Das Visum für Deutschland hat uns viel Hoffnung gegeben. Hier möchte ich meinen Kindern eine neue Zukunft bieten."

Ein neues Leben beginnen

Am zweiten Dezember checken sie ein nach Deutschland, erst einmal Hannover. Fast 7.000 Kilometer entfernt von ihrer Heimat. Sicherheit. "Jetzt sind wir in Deutschland, in einem neuen Land. Wir sind sehr glücklich. Ich weiß, dass es nicht einfach ist, ein neues Leben zu beginnen, bei null anzufangen. Wir werden unser Bestes geben. Ich möchte versuchen, mich als ehrenamtliche Menschenrechtsanwältin in Deutschland zu engagieren. Ich möchte eine Stimme für die Menschen sein, die benachteiligt sind und nicht in der Lage sind, ihre Stimme zu erheben." Frozan und ihre Familie wohnen jetzt in einem Aufnahmelager. Nach Afghanistan können sich erst einmal nicht zurück. "Die Taliban haben sich nicht geändert und sie werden das auch in Zukunft nicht tun. Den Taliban kann man nicht vertrauen. Heute tun sie so, als würden sie sich ändern, als würden sie die Rechte der Frauen respektieren, aber sie werden niemals die Rechte der Frauen und anderer ethnischer Gruppen respektieren. Niemals. "

Autorin: Mirela Delić

Stand: 13.12.2021 13:09 Uhr

3 Bewertungen
Kommentare
Bewerten

Kommentare

Kommentar hinzufügen

Bitte beachten: Kommentare erscheinen nicht sofort, sondern werden innerhalb von 24 Stunden durch die Redaktion freigeschaltet. Es dürfen keine externen Links, Adressen oder Telefonnummern veröffentlicht werden. Bitte vermeiden Sie aus Datenschutzgründen, Ihre E-Mail-Adresse anzugeben. Fragen zu den Inhalten der Sendung, zur Mediathek oder Wiederholungsterminen richten Sie bitte direkt über das Kontaktformular an die ARD-Zuschauerredaktion: https://hilfe.ard.de/kontakt/. Vielen Dank!

*
*

* Pflichtfeld (bitte geben Sie aus Datenschutzgründen hier nicht Ihre Mailadresse oder Ähnliches ein)

Kommentar abschicken

Ihr Kommentar konnte aus technischen Gründen leider nicht entgegengenommen werden

Kommentar erfolgreich abgegeben. Dieser wird so bald wie möglich geprüft und danach veröffentlicht. Es gelten die Nutzungsbedingungen von DasErste.de.