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Bolivien: Die Quinoa-Könige

Bolivien: Die Quinoa-Könige | Bild: WDR

Vulkane, Vicuñas und dünne Luft, auf knapp 4000 Meter Höhe. Hier, in Boliviens Anden-Hochland, schießt sie überall aus dem Boden – leuchtend, als hätte sie ein Regenbogen benetzt: Quinoa. Jetzt, kurz vor der Ernte, kontrolliert Delida Huanca besonders genau ihre Pflanzen der Sorte 'Quinoa Real' – das 'königliche Quinoa'. Jahrtausende alt und besonders nährstoffreich. "Das ist das Wertvollste, was wir anpflanzen. 'Quinoa Real' besitzt wichtige Proteine und sieben Vitamine. Weil wir Bauern es täglich essen, sind wir so gesund und stark", erzählt die Quinoa-Bäuerin.

Eigene Innovationen helfen gegen Schädlinge

Kurz vor der Ernte bereitet Delida eine neue Plage Sorgen. Gefräßige Würmer befallen die Sträucher – seit wenigen Jahren erst. "Die tauchen jedes Mal plötzlich auf. Ich puste dann und sie fallen heraus. Danach sprühen wir eine Flüssigkeit auf die Pflanzen, aber keine Chemie, sondern etwas Selbstgemachtes", sagt sie. Ihr Wundermittel ist erstaunlich naheliegend. Der Agrar-Ingenieur Eduardo Paye hatte sie darauf gebracht, eine Flüssigkeit aus Lama-Mist und Kräutern möglichst lange gären zu lassen.

Nicht nur Delida, sondern alle Bauern hier im Hochland schwören auf diese Tinktur, die gegen Schädlinge bestens wirke. "Hier wird nur ökologischer Dünger verwendet. Nur so schützen die Bauern ihre Böden und Mutter Natur. Das ist allen wichtig", erklärt Eduardo Paye vom Quinoa-Verband 'Anapqui'. Gesprüht wird oben, wo der Quinoa-Samen wächst. Der Anbau ist ökologisch zertifiziert. Die Bauern hier exportieren ihr Bio-Quinoa gemeinsam – sogar bis nach Deutschland.

'Quinoa Real' will sich von Konkurrenz abheben

Doch längst sind sie nicht mehr die einzigen. Der Anbau von Boliviens 'Superfood' ist weltweit explodiert. Auch wenn es nur hier das raue Klima und die salzigen Böden gibt, die die Pflanze so liebt. Der Konkurrenz aus dem Ausland wollen sich Delida und die anderen Bauern nicht kampflos geschlagen geben, deshalb haben sie den Bio-Quinoa-Verband 'Anapqui' gegründet. Gerade findet eine Sitzung statt.

Bolivien: Quinoa-Pflanze – seit 5000 Jahren angepflanzt in Bolivien – ein Exportschlager
Bolivien: Quinoa-Pflanze – seit 5000 Jahren angepflanzt in Bolivien – ein Exportschlager | Bild: WDR

Mit Hilfe von Experten wie Eduardo soll es gelingen, die Konkurrenten in die Schranken zu weisen. Germán Tito, Regionalleiter von 'Anapqui' erzählt: "Wir von 'Anapqui' wollen unsere 'Quinoa-Real'-Pflanze weltweit bekannt machen. Diese edle Sorte wächst nur hier auf dem Anden-Hochland, wo wir von Salzseen umgeben sind." Eduardo ist bei 'Anapqui' angestellt und für die Qualitätssicherung zuständig. Wenn er nicht gerade auf dem Feld mithilft, bahnt er sich seinen Weg Richtung Fabrik. Vorbei an Lama-Herden und endlosen Quinoa-Feldern. Viele davon gehören zu 'Anapqui'. Dem Bio-Verband haben sich bislang bereits 25000 Familien angeschlossen.

Quinoa ist Teil des Lebens im Anden-Hochland

Das Leben auf dem Anden-Hochland dreht sich seit Jahrhunderten um Quinoa. Bis heute. Auf dem Markt bestellt man Quinoa-Suppe mit Hühnchen. In den Gängen wird gefeilscht um den Preis für die Samen – roh oder geröstet. Draußen an der Straße warten Quinoa-Großhändler auf Kundschaft für ihre 50-Kilo-Säcke. Viele von ihnen sind frustriert, denn die Preise waren zuletzt gefallen, weil die Konkurrenz im Ausland immer mehr produziert. "Unser 'Quinoa Real' wächst auf fruchtbaren Böden und ist nahrhafter als die anderen Sorten im Ausland. Dort spritzen sie außerdem Chemie. Das kann man mit unserem Anbau nicht vergleichen", sagt Quinoa-Händlerin, Rosa Chambi.

Bei 'Anapqui' ist man guter Dinge, die neue Konkurrenz in Schach halten zu können. Gerade erst wurde eine neue Anlage eingeweiht. Säckeweise landen die bunten Samen in der Sortieranlage. Pro Monat exportieren sie 100 Tonnen Bio-Quinoa allein nach Deutschland. Ökologisch angebautes 'Quinoa-Real' ist in Europa gefragt.Trotz des Erfolgs macht sich auch Eduardo von 'Anapqui' Sorgen. Denn der Markt für Quinoa ist so umkämpft wie nie: "Langsam geht das Prestige von Quinoa verloren. Mittlerweile exportieren viele Länder andere Quinoa-Sorten. Wir befürchten, dass das auf Kosten unserer traditionellen und edlen Sorte 'Quinoa-Real' gehen könnte."

Es gibt immer neue Herausforderungen

Hoffnung setzen sie bei 'Anapqui' auf neue Produkte – geröstetes, glutenfreies Quinoa-Müsli zum Beispiel. Mehr als ein Dutzend neuartige Lebensmittel sind in Bolivien bereits auf dem Markt – auch Quinoa-Mehl, -Snacks und -Nudeln. All das will der Präsident des Bio-Verbands 'Anapqui' bald ebenfalls nach Europa exportieren – dann, wenn die Virus-Krise endlich vorüber ist. "Die Pandemie haben wir nicht kommen sehen. Anfangs gerieten wir in Schwierigkeiten, aber zum Glück ist die Nachfrage jetzt wieder stabil", sagt 'Anapqui'-Präsident, Nelson Perez.

Bolivien: Die Quinoa-Bauern setzen auf neue Produkte
Bolivien: Die Quinoa-Bauern setzen auf neue Produkte | Bild: WDR

Auf den Feldern gibt es noch eine andere Herausforderung: heftiger Frost, sinnflutartige Niederschläge oder, wie zuletzt, ungewöhnliche Trockenheit. Delida nimmt neue Wetterextreme wahr. Die sonst so widerstandsfähige Quinoa-Pflanze hält dem nicht immer stand. "Wir sind besorgt, denn derzeit fehlt unseren Pflanzen Regen. Seit Monaten fällt hier ungewöhnlich wenig Niederschlag. Das treibt uns um", erzählt die Quinoa-Bäuerin. Hier, auf knapp 4000 Meter Höhe, haben sie sonst kaum eine andere Einnahmequelle außer dieser uralten Pflanze mit den leuchtenden Farben.

Autor: Matthias Ebert / ARD Studio Rio de Janeiro

Stand: 03.03.2021 13:32 Uhr

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