So., 02.11.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
Argentinien: Das Steak als "Krisenopfer"
Diese Rinder waren einmal der ganze Stolz Argentiniens. Ihr Fleisch gilt mit als das Beste überhaupt.
Mit ganzer Leidenschaft ist Raul "Ganadero", Viehzüchter.
1.700 Rinder besitzt seine Familie, es waren auch schon mal mehr.
Aber die Viehzucht lohnt kaum noch, sagen sie.
Die Regierung sei schuld. In alles mische sich die Politik ein und versuche selbst kleinste Wirtschaftsabläufe zu bestimmen.
Raul Berrueta, Viehzüchter:
Jahrelang konnte auch Rauls Familie durch Fleischexporte gute Geschäfte machen. Aber weil immer mehr ins Ausland geliefert wurde, stiegen auch die Fleischpreise im Inland. Zuviel fand die Regierung und schränkte die Ausfuhr ein.
Fleisch müsse billig sein im Land der Gauchos. Aber für Viehzüchter wurde das Geschäft immer unrentabler und dem Staat gingen Devisen verloren.
Adolfo Berrueta, Viehzüchter:
Drei Generationen am Mittagstisch – kurze Pause vom harten Alltag auf dem Campo.
Seit über hundert Jahren ist die kleine Farm im Familienbesitz, irgendwo in der legendären Pampa, anderthalb Stunden von Buenos Aires entfernt.
Sie haben angefangen Soja, Mais und Getreide anzubauen, obwohl es in dieser schier unendlichen Idylle bis vor wenigen Jahren nur die berühmten Hereford- und Angusrinder gab.
Abends am Feuer des Asado, des traditionellen Grillens der Argentinier, sind diese Nachwuchsfarmer um Raul zusammengekommen. Sie diskutieren, suchen Lösungen, um mit der Krise umzugehen.
Raul Berrueta, Viehzüchter:
Manch verarmter Rinderzüchter hat aufgeben müssen, Viehtreiber wurden entlassen, aber sie wollen am Steak festhalten, und den Stolz Argentiniens wieder aufleben lassen.
Sebastian Zara:
Messer wetzen für das Fleisch, das Symbol, das einst für Argentinien stand und gegen die ihrer Ansicht nach verfahrene Politik der populistischen Regierung.
Sie wollen, für sich selbst und für ihr Land, dass hier in der Pampa wieder Gauchos und die Rinder das Bild beherrschen.
Wir fahren nach Buenos Aires, wollen sehen, wie die Hauptstadt mit den Krisenbedingungen zurechtkommt.
Argentinien gilt derzeit als offiziell zahlungsunfähig. Nichts braucht das Land so dringend wie Devisen. Geschätzte 40 Prozent Inflation. Die Wirtschaft schrumpft, es gibt nur wenige Exporte, der offizielle Wechselkurs zum Dollar eingefroren. Offiziell erlaubt die Regierung kaum Besitz von Fremdwährungen, der Peso soll geschützt werden. Das verleitet aber erst recht. Der Schwarzmarkt boomt. Wir drehen mit versteckter Kamera: Illegaler Geldwechsel an jeder Straßenecke, über 60 Prozent mehr bekommt man da für den schwarz getauschten Dollar.
Krisengeschütteltes Buenos Aires – Politik und Bürger scheinen die Pleite zu ignorieren – auf den ersten Blick.
Aber hinter der Fassade…..
Eine Frau:
Ein Mann:
Mittagspause in den Parillas, den Grillrestaurants. Da, wo früher um diese Zeit jeder Tisch voll besetzt war, herrscht nun oft Leere. In den letzten Wochen gingen 8000 Jobs in der Gastronomie verloren.
Der Grillmeister:
Dabei ist das "Carne" doch Grundnahrungsmittel. Fast 70 Kilogramm verdrückte der durchschnittliche Argentinier pro Jahr in besten Zeiten. Das ist vorbei. Farmer mussten deshalb nach Alternativen suchen.
Soja beispielsweise: eine riesige Nachfrage und kurzfristig eine Möglichkeit auch für Raul im Ausland Geld zu verdienen, bis seine Regierung eine Exportsonderabgabe von 35 Prozent verlangte. Und nun gibt es auch noch ein Überangebot an Soja auf dem Weltmarkt, da horten die Farmer lieber ihre Ernte, statt sie mit Verlusten zu verkaufen.
Raul Berrueta, Viehzüchter:
Raul und seine Familie setzen wieder mehr auf Rinder. Jungtiere werden geimpft, die Herde soll wachsen. Aber selbst der langgediente Veterinär bleibt skeptisch, ob sich Argentiniens Steaks in nächster Zeit besser verkaufen lassen.
Elvio Mansilla, Veterinär:
Raul hat viel Geld für den Sojaanbau investiert. Aber eigentlich liegt seine ganze Hoffnung in der Tradition und bei den Rindern.
Autor: Michael Stocks, ARD Rio de Janeiro
Stand: 05.01.2015 09:24 Uhr
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