So., 30.06.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
INDIEN: Eine Frau unter 60.000 Männern
Delhis erste Rikscha-Fahrerin
Für sie ist es Alltag: Sunita Chaudarhy. Sunita ist die einzige Frau, die in Delhi Tuk-Tuk fährt. Mittendrin im Chaos auf den Straßen ist ihr Arbeitsplatz.
Sunita hat einen rauen Beruf gewählt. Einen, dem viele Leute mit wenig Respekt begegnen.
"Das Leben ist ein Kampf" steht auf ihrer Rikscha.
Sie hat sich durchgesetzt - nicht nur im Straßenverkehr.
Als einzige Frau unter fast 60.000 Kollegen erregt Sunita Aufmerksamkeit, wo immer sie auftaucht. Meist die von Männern.
Tuk-Tuk-Fahren als Frau – für viele war das bis vor kurzem undenkbar.
Vielleicht sind das Einzelmeinungen. Wir hatten eher Ablehnung von Sunitas männlichen Kollegen erwartet.
Sunitas Heimatdorf, rund 100 Kilometer nord-östlich von Delhi: Bevor Sunita in die Stadt kam, wurde sie verheiratet. Da war sie erst 14 Jahre alt. Und lebte mit ihrem Mann weit weg von ihrer Familie.
Ein Jahr ging alles gut. Doch dann, eines Tages, schlugen ihr Mann und seine Freunde sie zusammen. Als sie bewusstlos wurde, hielten sie Sunita für tot. Sogar ihr Grab hatten sie schon ausgehoben.
Irgendwie gelang es Sunita zu fliehen. Monatelang lag sie danach im Krankenhaus. Ihre Familie wusste davon nichts. Sie hielten die Tochter schon für tot. Sich daran zu erinnern, fällt ihr noch immer schwer.
Dass sie jetzt Tuk-Tuk fährt, sagt Sunita, würde niemand im Dorf akzeptieren. Ihre Eltern wissen deshalb auch gar nicht so genau was sie da macht in Delhi. Aber weil sie in der großen Stadt arbeitet, genießt sie Respekt. Und das macht auch die Eltern stolz.
Besonders Frauen schätzen Sunita als Fahrerin. Bei einer Frau am Steuer fühlen sich viele einfach wohler, als bei einem Fahrer.
Doch das alleine reicht Sunita nicht. Sie will auch helfen. Inzwischen kennen viele ihre Telefonnummer - und rufen sie an, wenn sie Hilfe brauchen, zum Beispiel weil der Mann gewalttätig wird. So war es auch bei Nirmála.
Bei Sunita fand sie Unterschlupf, sie ging mit ihr zur Polizei. War einfach da für sie.
Die Welt um sie herum jeden Tag ein Stückchen besser machen, das ist Sunitas Antrieb, erzählt sie uns. Sie hat noch viel zu tun in Delhi.
Autor: Christian Dreißigacker, ARD New Delhi
Stand: 15.04.2014 11:08 Uhr
Kommentare