So., 21.04.24 | 18:30 Uhr
Das Erste
China: Staatliche Kuppelei
Heute ist Fan Zheuns großer Tag. Heute wird sie heiraten. Aber nicht irgendwie. Fan hat sich für eine staatlich organisierte Hochzeitszeremonie entschieden. Eine kollektive Vermählung. Zusammen mit acht weiteren Paaren: "Die Gruppenhochzeit ist sehr anders. Normalerweise sind die frisch Vermählten sehr damit beschäftigt, organisatorische Aufgaben zu erledigen. Aber bei einer Gruppenhochzeit habe ich das Gefühl, den gesamten Prozess zu genießen. Außerdem sind viele Gäste da", erzählt die Braut.
Aus 300 Bewerber-Paaren sei sie ausgewählt worden, erzählt sie. Danach musste sie sich um nichts mehr kümmern. Zeremonie, Fotograf, Schminke, alles hat die Lokalregierung organisiert: "Ich denke, der aufregendste Teil ist, wenn wir unsere Hände halten und die Zeremoniebühne betreten. Ich werde sehr aufgeregt sein. Alle werden mich anschauen. Ich denke, das wird der Höhepunkt meines Lebens. Auf der Bühne zu stehen wird so aufregend."
Die Vermählung findet in der für chinesische Verhältnisse kleinen Stadt Shengzhou mit rund 700.000 Einwohnern statt. Alles ist schon vorbereitet. Jetzt muss es noch perfekt werden. Es ist der dritte Probendurchlauf. In ein paar Stunden ist die Hochzeit. Für Fan und ihren Mann ist alles neu an der Zeremonie. Solche traditionellen chinesischen Hochzeiten kennen sie sonst nur aus Historienfilmen. Die beiden haben sich in der Schule kennengelernt. Bevor bald beide 30 werden, wollen sie ihre Bindung formal besiegeln – ohne großen Aufwand, genau wie es die Regierung will. "Normalerweise geben wir für Hochzeiten viel Geld aus, es braucht ein großes Bankett, Einladungen und Gegeneinladungen. Wir drängen junge Leute dazu, durch eine neue Art von bescheidenen Heiratsbrauch Geld zu sparen", erklärt Zhang Tao vom Amt für Zivilangelegenheiten.
Das gesamte Wochenende steht im Zeichen der bescheidenen Liebe. Eine kleine Hochzeitsmesse gehört auch dazu. Die Veranstaltung ist Teil von Großem. "Wir wollen eine Revolution der Bräuche, um der jüngeren Generation zu helfen, ihre Werte zu formen, eine Familie zu gründen und mehr Kinder zu bekommen, um einen Beitrag für das Land zu leisten", sagt Zhang Tao.
Staatlich organisierte Partnersuche
Diese landesweite Revolution soll nicht erst bei der Hochzeit beginnen. Die Regierung setzt schon bei der Partnersuche an. Heute bieten sie eine staatlich organisierte Verkupplung. 100 junge Leute haben sich angemeldet. Ma Shanning ist seit drei Jahren Single, das soll sich jetzt ändern: "Hoffentlich kann ich meine andere Hälfte finden. Ich habe keine Kriterien oder besondere Vorstellungen. Wenn es die Richtige ist, dann ist es die Richtige."
Die meisten hier sind um die 30 Jahre. In China ein sehr spätes Alter für die Heirat. Die Kindergeburtstagsspiele machen sie wieder jung. Für Ma Shanning sieht es vielversprechend aus: "Viele sind sehr schön. Ich weiß noch nicht genau, ob ich jemanden speziell mag, ich muss noch weiter checken", erzählt er. Gibt es auch eine Frau, die ihm schöne Augen macht? "Ohhh, schwierige Frage, schwer zu sagen", sagt er.
Und dann muss Ma wieder ran. Alle geben ihren vollen Einsatz für die Liebe. Aber Ma bleibt nicht bis zum Ende. Er verschwindet nach diesem Teil des Programms klammheimlich. Für die anderen geht es mit einer Schnitzeljagd über die Hochzeitsmesse weiter. Staatlich abgesegnete Zeit für Partnersuche. "Normalerweise haben wir keine Zeit für soziale Kontakte. Wir jungen Erwachsenen haben großen Druck bei der Arbeit", erzählt Zhao Han.
Hochzeit – bescheiden und traditionell
Natürlich gibt es auch Dating Apps in China. Aber dem Staat vertrauen sie mehr. "Die Überprüfung der Mitglieder ist sehr streng. Es erfordert eine Authentifizierung mit echtem Namen. In der Dating-App dagegen weiß ich nicht, was für einen Hintergrund er hat", sagt die 24-jährige Wei Rong.
Von denen, die geblieben sind, hat nun fast jeder ein paar neue Kontakte. Ein Gruppenfoto noch, dann brauchen sie die Bühne für das Hochzeitsprogramm. Für Fan ist es gleich soweit. Aber ersteinmal haben die Regierungsvertreter das Wort, preisen die neue Tradition der bescheidenen Hochzeit an. Wer hier dabei ist – so wird es später online verbreitet – ist Teil der neuen Ära des modernen Chinas. Die Regierungsvertreter auf dem Hochzeitsfoto bürgen dafür. War das jetzt romantisch für die frisch Vermählten? "Ja, es ist sehr festlich. Wir Chinesen mögen rot. Wir mögen festliche Dinge und chinesisches rot", findet Fan Zheyun.
Im Nu ist Fan wieder zurück in Jeans. Da ist sie bescheiden. Aber was ihr nicht gefällt: Teil der Veranstaltung ist auch der Aufruf gegen eine hohe Brautausstattung für die Frau: "Also ich will schon einen Brautpreis haben. Warum sollte das zu meinen Lasten gehen? Die Frauen zahlen den eigentlichen Preis, schließlich gebären sie." Umgerechnet 10.000 Euro hat sie von ihren Schwiegereltern bekommen, dazu ein Auto und die Anzahlung für eine Wohnung. Wenig in China, darum darf Fan heute dabei sein. Und: sie plant Nachwuchs und darum geht es der Regierung eigentlich, wenn sie heute von Liebe spricht.
Autorin: Tamara Anthony / ARD Peking
Stand: 21.04.2024 18:54 Uhr
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