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China: Stil-Ikonen im Netz

Die neue Kollektion eines amerikanischen Star-Designers, präsentiert in Shanghai vor ausgewählten Gästen. Besonders hofiert wird sie: Wenjun Lau ist weder Film- noch Popstar, sondern ein KOL, ein Key Opinion Leader in den sozialen Medien, eine Meinungsführerin in Sachen Mode.

Stil-Ikone durch soziale Medien

China: Werbung für Mode im Netz: Erfolgreiche Influencer bestimmen den Markt
China: Werbung für Mode im Netz: Erfolgreiche Influencer bestimmen den Markt

"Als KOL haben wir Vorteile. Wir sind schnell, wir arbeiten vor allem mit dem Handy und posten direkt, was wir sehen. Und als Privatperson sind wir näher an den Leuten", so Wenjun Lau. Sie hat Design studiert, zur Stil-Ikone ist sie durch ihre Fotos und Kommentare in den sozialen Medien geworden. Was sie anzieht und über Stilfragen postet, verfolgen Hunderttausende. Mal wird sie für Gagen gebucht, mal geht sie als Gast zu Modeevents. Sie suche sich das aus, was zu ihrem Stil passe, sagt sie, um für ihre Fans glaubwürdig zu bleiben.

Nach einer Stunde muss sie weiter zum nächsten Termin. Sie reist auch durch die Modemetropolen der Welt, aber Shanghai findet sie am aufregendsten.

"Europa ist in der Mode weit entwickelt, aber das Tempo dort wird eher langsamer. Wir sind in China deshalb sehr glücklich, vor uns liegt eine gute Zukunft, viele unvorhersehbare großartige Dinge werden kommen", findet Wenjun Lau, Mode-Influencerin.

Ankunft an einem Einkaufszentrum. Sie kann von ihrer Arbeit leben, kümmert sich aber noch um alles selbst. Zum Umziehen verzieht sie sich auch mal auf die Rückbank in der Tiefgarage.

KOL: Traumberuf vieler junger Chinesen

China: Stil-Ikonen im Netz, Influencer Wenjun Lau setzt die Modetrends
China: Stil-Ikonen im Netz, Influencer Wenjun Lau setzt die Modetrends

Ein anderer Superstar unter den chinesischen Influencern. Mehr als zehn Millionen Menschen folgen Zhang Dayi auf unterschiedlichen Internet-Kanälen. Ihre Bilderbuchkarriere ist vermutlich ein Grund, warum so viele junge Chinesen KOL als Traumberuf nennen. Das ehemalige Model wurde mit ihren Social-Media-Auftritten bekannt, mittlerweile hat sie ihre eigene erfolgreiche Modemarke. Sie macht Millionenumsätze und inspiriert junge Chinesen. "Trau' Dich, Du selbst zu sein", ist ihre Botschaft. Die 30-Jährige gehört zu der Generation von meist behütet aufgewachsenen Einzelkindern, die nur Chinas Boomwirtschaft kennen, und oft andere Vorstellungen vom Leben haben als ihre Eltern.

"Junge Chinesen möchten hervorstechen, sie gehen aus sich heraus. Sie sagen, ich möchte ich selber sein, ich sehe einfach gut aus. Sie sind anders als ältere Generationen. Früher dachten Chinesen eher, so ein Verhalten ist vielleicht nicht gut, sei etwas zurückhaltender", erzählt Zhang Dayi, Mode-Unternehmerin.

Zwar ist Chinas Internet streng zensiert, trotzdem lebt kaum eine Generation so digital wie junge Chinesen. Zhang Dayi verkauft ihre Kleidung nur online, und sie ist immer im Kontakt mit ihren Fans. Traditionelle Werbung braucht sie nicht, sie ist für ihre Marke Werbung genug.

Generationswechsel in China

China: Shanghai: Weltmetropole auch für die Modeszene
China: Shanghai: Weltmetropole auch für die Modeszene

In der Tiefgarage hat Wenjun Lau ihre Kleidung gewechselt für den nächsten Termin. Die 31-Jährige steht für eine Generation, die nicht nur die eigene Gesellschaft zunehmend prägt: sie rückt weltweit in den Fokus von Unternehmen.
Laut Untersuchungen kaufen Chinesen etwa ein Drittel der weltweiten Luxuswaren, Tendenz steigend. Und ein großer Teil entfällt auf die jüngeren Chinesen. Wenjun Lau wundert das nicht.

"Im Westen haben auch die älteren Generationen viel Luxus genossen, deshalb ist er für Jüngere dort nicht mehr so besonders. In Chinas älterer Generation hingegen ist das nicht so selbstverständlich, deshalb sind Chinesen viel neugieriger darauf und möchten Luxus haben", sagt Wenjun Lau.

Zwar spüren junge Chinesen auch großen gesellschaftlichen Druck – teure Wohnungen, harter Wettbewerb – viele verdienen aber schon gut oder kommen aus wohlhabenden Familien. Etwa 400 Millionen Menschen sind in China zwischen 18 und Mitte 30 – mehr als die Bevölkerung der USA.

Um zu verstehen, wie diese einflussreiche Konsumentengruppe am besten zu erreichen ist, arbeitet ein deutscher Autokonzern mit einer Shanghaier Elite-Uni zusammen.

"Diese junge Gruppe hat ganz eigene Ansprüche. Ich würde sie beschreiben als individualistisch, konsumorientiert. Schnelligkeit ist beim Konsumieren und Kaufen wichtig, sie wollen anders sein und Erfahrungen machen. Und sie sind schwer zufrieden zu stellen", so Zheng Han, Brand Academy Shanghai.

Autoritärer Staat kann Karriere jederzeit beenden

Was aus Europa oder Amerika kommt, ist in China nicht mehr automatisch ein Selbstläufer. Im Gegenteil: Die Vorstellungen der selbstbewussten Kunden aus Fernost beeinflussen zunehmend internationale Marken. Am Abend, eine Neueröffnung. Dessous. Die italienische Firma hat gleich mehrere Meinungsführerinnen aus den Sozialen Medien eingeladen, um eine große Kundschaft zu erreichen. Einige haben eigene Fotografen mitgebracht. Der Wettbewerb ist groß, längst nicht jede hier kann von dem Beruf leben.

So erfolgreich wie Wenjun Lau werden nur wenige. Wenn es Social-Media-Stars mit der Freizügigkeit übertreiben oder zu kritisch werden, kann der autoritäre Staat ihre Karrieren jederzeit beenden. Auf Influencer, die so viele Menschen erreichen, wie sie, haben die strengen Internetwächter ein besonderes Auge.

"Ich habe mir bislang da keine Sorgen gemacht, weil die Regierung diese Industrie unterstützt. KOLs sind eine aufstrebende Branche, die auch von der Mode- und Designindustrie sowie der Kunst unterstützt wird", erzählt Wenjun Lau.

Dass der chinesische Einfluss auch in der Mode weiter zunimmt, davon ist Wenjun Lau überzeugt. Sie will in diesem Jahr eine eigene Kollektion beisteuern – Bademoden. Und die beste Werbung wird sie vermutlich selber sein.

Bericht: Mario Schmidt / ARD Studio Peking

Stand: 14.04.2019 20:17 Uhr

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