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Chinas Silver-Economy – Leben im Alter

Chinas Silver-Economy – Leben im Alter | Bild: WDR

Sie üben ein bisschen "Peking Oper", wenn Besuch da ist – im Aufenthaltsraum der Kommunistischen Partei. Wir sind in einer Seniorenresidenz, einem Altersheim für Wohlhabende. Vereinzelt treffen wir Grüppchen an. Viel ist hier aber wahrlich nicht los. Diese Musikanten stimmen für uns die Melodie eines patriotischen Liedes an. 

"Ich bin alt, ungefähr 80 Jahre alt. Die sind sogar älter als ich. Es wird für uns in Zukunft möglicherweise schwieriger, uns selbst zu versorgen", erzählt ein Bewohner im Altersheim. Das Altersheim mit sieben Hochhäusern, gebaut von Fosun Immobilien, betrieben von Fosun Pflege – der Mutterkonzern eines der größten Unternehmen Chinas. Der Hauptteil ist hier betreutes Wohnen, mit Kantine, für 800 Menschen, es gibt aber auch knapp zweihundert Betten für Pflege, da dürfen wir nicht hin. Eine Mitarbeiterin zeigt uns den Showroom für ein Appartment, die Miete hier kostet rund 1.000 Euro pro Monat, kaufen kann man die Wohnung auch, für rund 150.000 Euro. "Wir vermieten für ein halbes Jahr, einen Monat oder sogar ein Jahr, mit dem Ziel, dass die Senioren das Leben hier und unsere Dienstleistungen erleben können. Wir hoffen, ihre Einstellung zu ändern und sie zum Kauf zu bewegen. Wenn sie kaufen, ist das das Beste", erklärt eine Mitarbeiterin.

Wer gekauft hat und dort lebt, muss alle Dienstleistungen extra zahlen. Der Manager erklärt uns, dass er hoffe, bald Profit zu machen, die Silver-Economy werde in den nächsten Jahren noch wachsen. "Der Markt für Altenpflege in China ist erst in einem relativ frühen Stadium. Jeder möchte es ausprobieren, also investiert er. Jetzt meint man, dass es viele Altersheime gibt, aber in fünf bis zehn Jahren, wird man nicht mehr denken, dass das zu viel ist", sagt Liu Fei.

Pflege im Alter – für viele zu teuer

China: Tanzen im Park statt Altenheim – Chinas Silver Generation.
China: Tanzen im Park statt Altenheim – Chinas Silver Generation. | Bild: WDR

Angeblich sind nach sieben Jahren mehr als 70 Prozent vermietet oder verkauft, kurz nach Einbruch der Dunkelheit sieht es allerdings leerer aus. Im ganzen Land sind nach Schätzungen Altersheime im Schnitt nur zur Hälfte besetzt. Die potenziellen Kunden sind lieber hier im Freien, im Park und pflegen ihre Hobbies. Die Idee, in ein Altersheim zu gehen, passt nicht zur chinesischen Lebensweise und meist auch nicht zur niedrigen Rente. "Ein gutes Altersheim ist zu teuer. Normale Rentner, wie wir es sind, können sich das nicht leisten. Ich gehe da nicht hin, wir haben unsere Kinder. Ich habe eine Tochter und einen Sohn, ich brauche das nicht. Leben im Altersheim ist wie im Gefängnis, warum sollte man da hin?", erzählt ein Rentner.

Außerdem: selbst staatliche Altersheime sind für viele zu teuer. Es gibt aber eben etliche Hilfsbedürftige – so wie dieses Ehepaar in Peking. Freiwillige Helfer bringen ihnen Medikamente in ihre Wohnung, die beiden können sich nicht mehr gut bewegen. Er hat auf dem Bau gearbeitet, nun kümmert sich der 82-Jährige um seine Frau, die ein Blutgerinnsel im Gehirn hatte. Sie können sich nicht einmal die staatlichen Einrichtungen leisten: "Ein Altersheim kommt für uns nicht infrage. Um ehrlich zu sein, das ist für uns zu teuer. Meine Frau kriegt 300 Euro Rente, ich 400. Wir haben nicht die finanziellen Möglichkeiten."

Helfer Hou Hongli ist 66, selbst schon pensioniert. Er nimmt Teil an einem Projekt, das die großen Pflegelücken füllen soll. Die Zeit, die er einsetzt, wird ihm gutgeschrieben auf einer sogenannten Zeitbank, das gibt’s in mehreren Städten – mit eher mäßigem Erfolg. Der Leiter dieses Nachbarschaftskomitees in Peking erklärt uns, wie gut es bei ihnen funktioniere: "Freiwilligenpunkte können gegen Pflegehilfe, Essen und verschiedene andere Dinge eingetauscht werden, die Senioren benötigen. Wir sind dabei, den Inhalt anzureichern."

Unternehmen warten auf den Boom der Silver Economy

Wie also sollen die Millionen Senioren in Zukunft versorgt werden? Eine Silver-Economy-Messe in Shanghai. Hier wird vorgeführt, was in Zukunft an die Senioren und Seniorenheime in rauen Mengen verkauft werden soll. Die Regierung plant im großen Stil und unterstützt den Aufbau neuer Strukturen. Hier, auf großem Areal, soll einer von zehn staatlich geförderten Industrieparks entstehen, die sich nur auf Seniorenangebote – von Pflege, Reisen bis Anti-Ageing –  konzentrieren. Es gibt etliche Start-ups und junge Unternehmen, die sich auf goldene Zeiten freuen, wie in dieser Fabrikhalle in Shanghai. Hier werden humanoide Roboter entwickelt und hergestellt.

"Kannst du ältere Menschen füttern, ihnen Essen geben?", fragt Reporterin Marie von Mallinckrodt und der Roboter antwortet: "Als ein Roboter habe ich keine emotionalen und physischen Bedürfnisse." So ganz klappt es noch nicht. Der Gründer dieser Firma hat bereits Unterstützung bekommen von der Shanghaier Regierung, für die Entwicklung seiner Roboter. Er träumt davon in zwei bis drei Jahren auch welche für Senioren zu entwickeln. "Roboter haben ein großes Potenzial in der Silver Economy. Ich habe gerade mehrere Funktionen erwähnt, die sie für ältere Menschen erfüllen müssen: etwa Senioren begleiten und mit ihnen kommunizieren, sie sollen ihnen beim Training helfen, beispielsweise beim Tanzen und Singen", erklärt Wang Lei.

Die meisten Menschen aber leben eher so wie diese, mit zu wenig Rente, um sich einen Roboter oder einen Platz im Altenheim leisten zu können. Ob Stadt oder Dorf – Altersheime sind per se nicht so beliebt. Und denen, denen es noch gut geht, die tanzen lieber auf ihrer eigenen Linie. 

Autorin:  Marie von Mallinckrodt / ARD Peking

Stand: 26.01.2025 20:21 Uhr

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