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Färöer: Freude auf den Brexit

Es scheint nicht leicht zu sein, auf diesen schroffen Felsen im Nordatlantik sein Glück zu finden. Doch die Färöer-Inseln sind im Aufbruch. Und wenn jemand für den derzeitigen Wandel steht, dann ist es Simun Peter Fossa.

Boom durch Zuchtlachs

Färöer: Mit Zuchtlachsfarmen schaffen sie Arbeitsplätze und geben der Insel eine neue Zukunft
Färöer: Mit Zuchtlachsfarmen schaffen sie Arbeitsplätze und geben der Insel eine neue Zukunft

Jeden Morgen fährt er von Foglafjördur hinaus in die Bucht. Früher ist Simun Peter Tage lang auf See gewesen. Hochseefischerei betreiben die Färinger zwar auch heute noch – doch den großen Boom hat der Zuchtlachs gebracht. In jedem der Ringe schwimmen 100 Tausend Fische. Ein Millionenvermögen. Der größte Feind ist die Lachslaus, ein winziger Parasit. Deshalb die tägliche Kontrollfahrt. Heute ist alles in Ordnung. Der Job auf der Lachsfarm hat das Leben von Simun Peter deutlich verändert.

"Ich bin jeden Tag zuhause, da ist man ja nicht, wenn man auf See ist. Zuhause bei Frau und Kind, jeden Tag – das ist viel besser. Und man kann hier viel Geld verdienen", erzählt Simun Peter Fossa.

Der wirtschaftliche Erfolg der Inseln hat auch mit dem wachsenden Tourismus zu tun. Gleich drei neue Hotelbauten entstehen derzeit in der Hauptstadt. Die Gastronomie boomt. In einem der ältesten Häuser von Torshavn liegt das Restaurant "Raesk". Kari Kristiansen ist hier Küchenchef. Über ihn schreiben Restaurantkritiker in New York und London.

"Noch vor fünf Jahren gab es hier nur drei oder vier Restaurants, wo Du gut essen konntest. Heute sind es zehn bis zwölf. Und jedes Jahr kommen neue hinzu", sagt Kari Kristiansen.

Mit Kabeljau Gourmet-Restaurants beliefern

Färöer: Die Färinger Inseln sind im Aufbruch, die Wirtschaft wächst
Färöer: Die Färinger Inseln sind im Aufbruch, die Wirtschaft wächst

Von ihm bekommt Kari seinen Fisch: Mortan Johannesen. Jahrzehnte ist er zur See gefahren. Heute ist das Fermentieren von Fisch sein Hobby. Er beliefert mit seinem Kabeljau die Gourmet-Restaurants auf der Insel – auch das von Kari. Das große Geld wird mit dem Zuchtlachs verdient. Dafür steht Bakkafrost, mit seinen rund 1000 Mitarbeitern inzwischen das größte Unternehmen des Landes. Vor einem Jahr wurde die neue Firmenzentrale eingeweiht. Bakkafrost ist an der Börse notiert, macht Millionengewinne. Manager Andrias Petersen ist für die Produktion an Land zuständig. Er hat eine einfache Erklärung für das gute Geschäft mit dem Lachs.

"Eine Sache ist ganz klar: Es wird weltweit immer mehr Sushi gegessen. Das ist einer der wichtigsten Gründe für die gestiegene Nachfrage und den gestiegenen Preis für Lachs in den vergangenen fünf bis sechs Jahren", findet Andrias Jacobsen.

Eine halbe Milliarde Kronen hat Bakkafrost in die neue Anlage investiert. Rund 70 Millionen Euro. Von hier aus geht der Fisch immer häufiger nach China, in die USA, aber auch nach Russland. Da die Färöer-Inseln nicht Mitglied in der EU sind, sind sie auch nicht von den Russland-Sanktionen betroffen. Das nutzen die Färinger geschickt aus.

"Russland ist für uns ein Markt wie jeder andere auch. Wir versuchen unseren Fisch auf den Märkten zu verkaufen, zu denen wir Zugang bekommen und wo wir einen guten Preis erzielen können", so Andrias Petersen.

Regierung investiert in junge Generation

Färöer: Die Färinger freuen sich auf den Brexit, hoffen auf ein Freihandelsabkommen
Färöer: Die Färinger freuen sich auf den Brexit, hoffen auf ein Freihandelsabkommen

Die Färinger sind Freigeister. Unabhängig, eigensinnig – und erfolgreich. Sie haben eines der ältesten Parlamente der Welt und einen eigenen Ministerpräsidenten: Aksel Johannesen. Für ihn und seine Regierung ist wichtig, fernab von Brüssel selbst entscheiden zu können. Dass nun die Briten mit dem Brexit praktisch auf ihre Seite wechseln, wird auf den Färöer-Inseln als Chance und weniger als Risiko gesehen. "Wir setzen auf ein Freihandelsabkommen mit den Briten. Aus einem einfachen Grund: Großbritannien ist unser wichtigster Markt in Europa. Mit der EU haben wir kein Freihandelsabkommen. Deshalb wollen wir das nun mit den Briten schaffen", erzählt Aksel V. Johannesen, Ministerpräsident der Färöer-Inseln.

Das ist schon jetzt ihr Stolz: Das neue Glasir College in Torshavn. Ein nagelneues Bildungszentrum, entworfen von einem dänischen Star-Architekten. Die Regierung investiert in die junge Generation. Peter und Maria lassen sich hier zu Finanz-Ökonomen ausbilden. Früher hätte man dafür nach Dänemark gemusst. Als alleinerziehende Mutter von zwei Kindern ist vor allem Maria froh, dass sie mit ihrer Ausbildung bessere Chancen auf einen Job im eigenen Land hat.

"Es ist mir sehr wichtig hier leben zu können. Das gibt mir Geborgenheit für mich und meine Kinder, weil wir hier bei der Familie bleiben können. Das gibt mir Sicherheit. Wäre ich in Dänemark, dann wäre ich ganz auf mich alleine gestellt. So ist es viel besser", sagt Maria Dahl, Studentin am Glasir College.

Optimismus auf den Färöer-Inseln

Färöer: Die Färinger Inseln freuen sich auf den Brexit
Färöer: Die Färinger Inseln freuen sich auf den Brexit

Früher haben viele junge Leute die Inseln verlassen. Auch Kari hat eine Zeit lang im Ausland gelebt. Aber jetzt ist er 29, erwartet zusammen mit seiner Frau das zweite Kind. Er findet, dass er hierher gehört. "Als ich Anfang 20 war, waren die meisten meiner Freunde in Dänemark, in Kopenhagen. Die wenigsten haben hier auf den Färöern gelebt. Aber jetzt kommen immer mehr zurück", erzählt Kari Kristiansen. Vor dem Servieren wird der vergorene Fisch mit einem Püree aus Kartoffeln und Lammfett übergossen. An diesem Abend ist das Geschäft eher ruhig. Das stört Kari nicht. Der Sommer war lang und anstrengend genug. Jetzt freut er sich auf den Urlaub.

Das Zuhause von Manager Andrias westlich von Torshavn. Die Hauptstadt sei zu hektisch, erzählen die beiden. Hier sei man näher an Meer und Natur. Andrias und seine Frau haben in Dänemark studiert, aber immer geahnt, dass sie irgendwann zurückkehren würden. Erst Recht nach diesem Zufall vor fast 20 Jahren, den Borgny für Schicksal hält.

"Wir Färinger halten doch irgendwie zusammen. Wie kann es sonst sein, dass mein Mann und ich uns ausgerechnet in Kopenhagen kennenlernen? Warum passiert so etwas? Zwei Färinger in Kopenhagen. Das hat doch einen Grund. Das muss etwas mit unseren Wurzeln tun haben", erzählt Borgny Jacobsen.

Zukunftsängste – Fehlanzeige. Es herrscht Optimismus auf den Färöer-Inseln. Vielleicht sind diese rauen Felsen im Nordatlantik doch ein richtig guter Platz, um glücklich zu werden.

Autor: Christian Stichler / ARD Studio Stockholm

Stand: 03.12.2019 11:29 Uhr

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