Mo., 29.06.15 | 04:50 Uhr
Das Erste
Griechenland: Tauziehen in Athen
Feierabendverkehr am Athener Syntagmaplatz - direkt im Herzen der Stadt hat Giorgos Mavrotas sein Abgeordnetenbüro. Seit fünf Monaten sitzt er für die liberale Partei "To Potami" im griechischen Parlament. Einst ein Königspalast, heute Sinnbild der griechischen Krise – Symbol für die Zerrissenheit des Landes.
"Das Land muss in der Eurozone bleiben"
Giorgos Mavrotas ist in Sorge, sein Parteichef hat kurzfristig eine Krisensitzung anberaumt. Es ist Freitagabend die Verhandlungen in Brüssel stocken. Auch wenn die Institutionen dem griechischen Volk wieder einiges abverlangen sollten, es muss eine Einigung her – dringend, sagt er. Das Land muss in der Eurozone bleiben. "Das hat absolute Priorität. Es gibt keine Alternative." Tsipras lehne die Forderungen der Institutionen ab, heißt es bei der Oppositionspartei To Potami. Kommentieren wollen uns das Parteichef Theodorakis und auch Mavrotas nicht – sie spekulieren auf Neuwahlen.
Doch kurz vor dem Auslaufen des Hilfsprogramms hat Regierungschef Alexis Tsipras ganz anderes im Sinn – das Ergebnis der nächtlichen Kabinettssitzung schlägt ein wie eine Bombe. Einmal mehr sträubt er sich, geht seinen eigenen Weg und überlässt die Entscheidung dem Volk. Tsipras fordert ein Referendum und damit Europa heraus. "Es gilt die Demokratie und auch die gemeinsamen europäischen Regeln zu respektieren", sagt er.
Verunsicherung und Hektik im Parlament
Wohin steuert Griechenland? Wie reagiert Brüssel? Verunsicherung und Hektik am nächsten Morgen vor dem Parlament. Das muss nun über das Referendum abstimmen. Unsere Verabredung mit einem Syriza-Abgeordneten platzt – vorerst. Während der Debatte findet er dann doch noch Zeit. Thanasis Petrakos zählt zum linken Flügel – hält die Forderungen der Brüssler Institutionen für absurd. Tsipras solle die Wahlversprechen einhalten. Die Entscheidung sei zu Gunsten aller Griechen nicht nur der Syriza-Wähler: "Wir müssen das Referendum machen. Es ist notwendig, damit das Land gerettet werden kann."
Kopfschütteln bei dem politischen Gegner Giorgos Mavrotas. Nach Monaten vergeblichen Verhandelns fürchtet er, daß Tsipras sich jetzt verzockt. "Das ist ein Teil seines Spiels. Ich denke nicht, aber ich hoffe es gehört zu seiner Verhandlungsstrategie, sein letzter Zug im Verhandlungspoker. Wenn das nicht klappt, ist es eine sehr gefährliche Entscheidung."
Schlangen vor den Geldautomaten
Im Parlament dürfen wir nicht drehen. Photos auf Twitter aber zeigen Schlangen an den Geldautomaten im Parlamentsgebäude. Selbst hier scheinen sie verunsichert zu sein. Schnell sind die Maschinen leer. Der Geldtransporter bringt Nachschub.Bleiben die Banken offen ja oder nein? Wird es Kontrollen des Kapitalverkehrs geben?
Wartende auch vor den Automaten in der Stadt.Die Lage spitzt sich zu. Mittlerweile steht fest, die Eurogruppe will das Hilfsprogramm für die Griechen nicht verlängern. Damit wird die Volksabstimmung über weitere Sparmaßnahmen wie Steuererhöhungen und Rentenkürzungen eigentlich überflüssig. Doch Tsipras hält daran fest.
"Das griechische Volk trägt den Widerstand in sich"
Bis tief in die Nacht diskutieren und streiten sie. Die meisten Oppositionsparteien lehnen das Referendum ab – die Regierung setzt sich durch. Syriza fordert die Bürger auf, die Sparmaßnahmen abzulehnen. Ja es ist eine kritische Woche – es kann viel geschehen räumt der Syriza-Abgeordnete Thansis Petrakos ein: "Das griechische Volk trägt den Widerstand in sich. Sie werden sich widersetzen. Sie wollen einen griechischen Weg in Europa." "Ich denke es wird eine Entscheidung für oder gegen Europa werden", sagt Giorgos Mavrotas.
Erschöpft sind sie – erst einmal eine Nacht drüber schlafen – an etwas anderes denken, Doch selbst am nächsten morgen beim Wasserballturnier von Giorgos Mavrotas jüngstem Sohn klappt das nur schwer, nicht nur beim Politiker Mavrotas. "Die Wahrscheinlichkeit, daß etwas Schlimmes passieren könnte. Ja das macht uns Angst."
Noch gibt es Nothilfen
Noch bis früh in den morgen hat Thanasis Petrakos mit seinen Parteifreunden von der Syriza diskutiert. "Wir rufen die Leute dazu auf, bitte nicht ihre Konten zu räumen.“ Genau das aber tun viele auch heute. Es gibt wieder Schlangen vor den Geldautomaten. Vorerst will die Europäische Zentralbank die griechischen Banken noch mit Nothilfen über Wasser halten. Wie lange noch? Dienstag endet das Hilfsprogramm – ein Schicksalstag für Griechenland – wieder einmal.
Autorin: Stephanie Stauss, ARD-Studio Athen
Stand: 05.07.2019 11:44 Uhr
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