So., 24.11.24 | 18:30 Uhr
Das Erste
Indonesien: Handel mit Plastik-Zertifikaten
300.000 Tonnen Plastik schwemmt der Ozean jedes Jahr an die Strände Balis. Plastik, das weltweit weggeworfen wird landet hier. Nur private Müll-Initiativen tun etwas dagegen. Ein paar kleine gibt es. Diese Müll-Sammler werden von sogenannten Plastic Credits mitfinanziert. Ein System ähnlich dem CO2-Handel. Firmen bezahlen dafür, dass sie ein "Unbedenklichkeitslable" auf ihre Produkte drucken können. Mit diesem Geld werden die privaten Müll-Sammler bezahlt. Diese Plastic Credits werden zur Zeit von der Plastik-Lobby stark unterstützt. Denn sie wollen, dass der UN Plastic Summit Ende November die weltweite Plastikproduktion möglichst wenig einschränkt.
Bali hat ein Problem mit Plastik-Müll
140 Müllsäcke müssen Lewi Neno und Putu Ardi in ihrer Schicht einsammeln. Bali hat ein Müllproblem. Und eine flächendeckende Müllabfuhr gibt es nicht. Sie arbeiten für eine private Firma. Die auch mit Geld aus Deutschland unterstützt wird. Ihre Kunden wollen den Müll nachhaltig entsorgen. "Normalerweise holen wir den Müll in Villen ab", sagt Lewi Neno. "Ja, Villen, Privatschulen, privaten Kitas und in Haushalten. Die meisten Kunden sind Ausländer."
Auf Bali wird das weltweite Problem mit Plastikmüll immer wieder besonders stark sichtbar. Die Wellen spülen bei Westwind regelmäßig dutzende Tonnen Plastikmüll an den Strand. Dazu kommt, dass viele den Müll in der Natur entsorgen, weil sie nicht wissen, wohin damit.
In ihrem Büro sammelt Mor Siregar Plastikspielzeug. Gefunden als Müll in der Natur. Sortiert nach Farben. Sie arbeitet für eine Nicht-Regierungs-Organisation, die das Müllproblem auf Bali angehen möchte. Mehrere private Müllsammelinitiativen gibt es schon. Doch es bleibt ein Problem: "Die recyclen den unterschiedlichen Plastik-Müll, zum Beispiel die Plastikdeckel – die haben einen Wert. Aber: das billige, dreckige Plastik – damit will niemand was zu tun haben. Das ist das Problem hier auf Bali."
Der Handel mit Plastik-Zertifikaten
Dieses dreckige Plastik landet auch in den Müllsäcken der privaten Müllabfuhr Eco Bali. Levi Neno und Putu Ardi sammeln den Müll ein. Als nächstes wird er sorgfältig getrennt. 30 unterschiedliche Preiskategorien für Plastikmüll gibt es. Eco-Bali verkauft den Müll. Übrig bleibt das wertlose Plastik, wie diese Etiketten. "Das sind die Mehrschichtverpackungen", erklärt Ni Made Dwi Septiantari. "Zum Beispiel Labels, Tüten für so kleine Portionspackungen. Wir haben davon ziemlich viele hier. Das hat mehrere Lagen. Shampoo-Verpackungen, Kaffeetütchen. Die kommen von privaten Haushalten und aus Dorfmüllstationen." Mehrschichtverpackungen können einfach nicht recycelt werden. Wenn sie nicht in der Natur landen, dann hier: die größte Müllkippe Balis.
Das Berliner Start-Up Clean-Hub wirbt damit, das Problem mit dem dreckigen Einmal-Plastik zu ändern. Eco-Bali ist ihr Vorzeigeprojekt. Das System von Clean-Hub: sie vermitteln Geld von großen Unternehmen an private Müll-Initiativen. Das System heißt Plastik-Zertifikate-Plattform. Mehre deutsche Unternehmen kaufen diese Plastik-Zertifikate. Darunter die Drogerie-Kette DM. Wer die Sonnencreme der Eigenmarke Sundance kauft, unterstützt die Müllsammlung von "dreckigem, nicht recyclebaren Plastik" auf Bali.
"Es geht darum, dass pro verkauftem Produkt eine gewisse Menge Kunststoff gesammelt wird", erklärt Joel Tasche von CleanHub, "also dass ein Teil vom Umsatz in die Sammlung geht, um Systeme aufzubauen, dass weniger Müll in die Meere geht." Statt auf die Mülldeponien, geht das dreckige Plastik jetzt in eine Zementfabrik. "Durch dieses Plastik-Zertifikat-System helfen sie uns, mehr davon einzusammeln und das dann an die Zementfabrik zu schicken. Sie subventionieren die Arbeit damit und die Transportkosten", so Ni Made Dwi Septiantari.
Weniger Produktion von Plastik statt Greenwashing
Auch Dextro Energy und die Gesichtsmasken-Hersteller Schaebens kaufen Plastik-Zertifikate über CleanHub. Das Hundefutter-Unternehmen Veg-Dog wirbt mit sogar mit dem Banner "Plastik-Neutral". 4.000 Kilo Plastik sei schon gesammelt und durch CleanHub getrackt worden. Als würde die Müllverbrennung in Bali rechtfertigen, in Deutschland mehr Plastik zu produzieren. Aber von so viel Greenwashing nimmt sogar der Start-Up Gründer Abstand. "Ich wollte niemanden täuschen. Für mich geht es da immer um die reine Balance. Ich sage nicht dadurch, dass ich auf der einen Seite was in Umlauf bringen und irgendwo was rausnehmen, entsteht kein Schaden mehr." Das Label Plastik-Neutral, das würde CleanHub ab jetzt nicht mehr verkaufen. Das teilt der Geschäftsführer nach dem Interview mit.
Solche Plastik-Zertifikate-Systeme könnten bald eine größere Rolle spielen. Die UN-Staaten verhandeln ab morgen beim Plastik-Gipfel in Südkorea ein globales Abkommen. Zwei Lager stehen sich gegenüber: Die einen wollen weniger Plastikproduktion. Viele Öl-Staaten aber blockieren. Sie wollen die Produktion sogar noch ausweiten und in einem nur bessere Müllsammelsysteme festhalten – etwa durch Plastik-Zertifikate. "Jede Initiative zählt, um die Plastik-Vermüllung einzudämmen", sagt Mora Siregar von Mudfish no Plastic. "Es ist wunderbar, wenn Eco Bali Müll aus Haushalten oder von Firmen einsammelt. Aber das ist doch nicht das Hauptproblem, den Müll wieder einzusammeln. Sondern es geht doch darum, das Einmal-Plastik zu minimieren. Das muss von oben kommen. Von denen die Macht haben, nein zu Einmal-Plastik zu sagen. Das ist das, was wir brauchen. Ansonsten wischen wir die ganze Zeit nur das Wasser auf von einem ewig tropfenden Wasserhahn auf."
Plastik-Zertifikate machen die Strände auf Bali langfristig nicht frei von Plastikmüll. Sie bleiben ein Tropfen auf dem heißen Stein. Prognosen befürchten, dass sich die Menge an Plastik bis 2050 verdreifachen könnte. Wirklich effektiv wäre laut Wissenschaft nur die Reduktion der Plastikproduktion weltweit!
Autoren: Elena Kuch und Christian Baars
Der Weltspiegel Podcast auch zu diesem Thema: "Müllflut in Indonesien: Was rettet unsere Meere?" Host: Joana Jäschke, Redaktion: Paul Jens.
Stand: 25.11.2024 16:38 Uhr
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