Mo., 12.09.16 | 04:50 Uhr
Das Erste
Iran: Todesstrafe im Kampf gegen Drogen
Noch immer hofft sie, dass ihr Mann nicht hingerichtet wird. Doch die 26-jährige Parwaneh muss jede Stunde damit rechnen, dass der staatliche Bote an ihrer Tür klopft, um ihr den Tod des Vaters ihrer beiden Kinder mitzuteilen.
Wir treffen uns mit ihr irgendwo ihn Teheran. Zuhause möchte sie nicht mit einem Kamerateam gesehen werden; zu sehr fürchtet sie die Ächtung der Gesellschaft. Doch auch hier auf der Straße ist es ihr unangenehm über ihr Schicksal zu sprechen. Wir gehen ins Auto. Dort zeigt sie mir ein Schreiben mit dem Todesurteil ihres Mannes. Er soll gehängt werden, wegen Drogenschmuggels. Das Urteil ist unanfechtbar.
Ein Todesurteil
Parwaneh Khosrawi erzählt: "Es waren fast zwei Kilogramm Drogen in dem Päckchen, das er transportierte. Vor zwei Jahren wurde er erwischt. Ein Jahr später kam die Verurteilung. Jetzt haben wir die Nachricht vom Obersten Gerichtshof, dass seine Hinrichtung bevorsteht. Mein Mann war nicht drogenabhängig, er war nur arbeitslos."
Vor zwei Jahren hatte ihr Mann seine Arbeit verloren, übernahm Gelegenheitsjobs, auch Kurierdienste. Dass sich in einem der ausgelieferten Pakete die Droge Crystal Meth befand, habe er nicht gewusst, sagt sie. Und auch nicht, von wem ihr Mann den Kurierauftrag erhalten hatte. Schon wer mit mehr als 30 Gramm der synthetischen Droge erwischt wird, dem droht im Iran die Todesstrafe.
Familie ohne Mann und Vater
Parwaneh Khosrawi ist verzweifelt: "Wie soll ich das bloß schaffen? Wenn er nur wieder bei uns wäre! Ich kann nicht mehr allein mit den Kindern. Mein Vater ist gestorben, meine Mutter ist so arm, dass sie sogar ihre Niere verkaufen musste."
Der Iran führt einen harten Kampf gegen die organisierte Drogen Kriminalität an seinen über 1900 Kilometern langen Grenzen zu Afghanistan und Pakistan. Über 3700 Polizisten sollen seit der Islamischen Revolution 1979 hier getötet worden sein. 500 Tonnen Drogen kommen jährlich über die Grenze. Viel wird konfisziert, doch genauso viel findet seinen Weg ins Landesinnere und weiter nach Europa. Besonders Heroin überschwemmt auch den iranischen Markt. Um die 1500 Drogenabhängige gibt es nach staatlichen Angaben im Iran; die inoffizielle Zahl soll doppelt so hoch sein. Viele leben auf der Straße, abgeschottet von der Gesellschaft.
Menschen am Rande der Gesellschaft
Wir begleiten die nichtstaatliche Hilfsorganisation Toloo, die diesen Menschen hilft. Jeden Dienstag verteilen sie tausende Portionen von Essen, alles finanziert durch private Spenden. Wir dürfen sie heute bei ihrer Arbeit begleiten, ansonsten könnten wir in solchen Vierteln der Stadt nicht drehen, solche Bilder nie filmen.
Ali ist sichtlich nervös: Erst letzte Woche wurden die Helfer von Drogendealern mit Messern angegriffen. Trotz der Gefahr ist er überzeugt davon, dass ihre Hilfe sich lohnt: "Das Essen ist ein Vorwand, um den Obdachlosen und Drogensüchtigen näher zu kommen, dass sie wissen, dass sie nicht allein in der Stadt sind. Durch das Essen möchten wir ihnen klarmachen, es gibt noch Hoffnung für sie. Für uns sind das keine schlechteren Menschen."
Durch die warme Mahlzeit gewinnen die ehrenamtlichen Helfer auf der Straße das Vertrauen der Süchtigen, kommen ins Gespräch und können einige sogar zu einem Entzug überreden.
Strategie gescheitert
Die Todesstrafe hat beim Kampf gegen Drogen nicht das gewünschte Ergebnis gebracht. Noch nie gab es so viel Drogenmissbrauch im Iran wie heute, obwohl so viele Dealer und Schmuggler hingerichtet wurden. Auch bei der iranischen Regierung scheint ein Umdenken einzusetzen. Die Vizepräsidentin Shahindokht Molawerdi warnte schon öfter davor, dass so lediglich Familien ihrer Väter beraubt würden und sich dennoch nichts ändere. Jetzt wird im Parlament eine Gesetzesänderung beraten: Die Todesstrafe auf Drogenschmuggel soll, auch aufgrund von internationalem Druck, in Haftstrafen umgewandelt werden: "Der Gesetzesentwurf liegt jetzt der Justizkommission im Parlament vor. Die Experten werden sich damit auseinandersetzen. Wir hoffen, dass es so schnell wie möglich zu einem Ergebnis kommt."
Wir fragen die junge Mutter, ob sie über das geplante Gesetzt informiert ist, das ihren Mann vielleicht noch vor dem Galgen bewahren könnte? Parwaneh Khosrawi antwortet uns: "Mir wurde davon erzählt. Aber im Gefängnis haben sie vor zirka einem Monat begonnen, die Männer, die mit meinem Mann in der Zelle sitzen, einen nach dem anderen hinzurichten. Vier bis fünf Männer saßen bis vor kurzem noch in derselben Einheit. Jetzt sind sie alle gehängt worden."
Parwaneh erzählt mir, dass sie jeden Tag dafür betet, ihren Mann doch noch zurückzubekommen. Aber ihre Hoffnung hat sie eigentlich schon verloren. Sie wird vermutlich ihre zwei kleinen Kinder alleine großziehen müssen.
Autorin: Natalie Amiri, ARD Teheran
Stand: 12.07.2019 18:02 Uhr
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