So., 05.05.19 | 19:20 Uhr
Das Erste
Iran: Gassi-Gehen verboten
In Teheran setzen sich die klerikalen Hardliner durch. Hunde gelten als westlich und unter den Konservativen als unrein. Zwei gute Gründe für sie, Hunde und ihre Besitzer unter Druck zu setzen. Gassi-Gehen mit dem eigenen Hund ist seit Anfang des Jahres verboten. Den verunglimpften Hunden und ihren liebenden Besitzern folgt die Reportage von Natalie Amiri, ARD-Studio Teheran.
Toffee darf heute Gassi gehen. Endlich. Sein Frauchen Nasima ist deshalb ziemlich angespannt. Denn Hunde sind in den Straßen von Iran nicht sicher. "Ich nehme Toffee zum ersten Mal seit langem mit raus. Eigentlich gehe ich nie alleine mit ihm auf die Straße. Der Grund dafür ist, dass ich mich nicht wehren kann, wenn ihn mir jemand wegnimmt oder mich angeht, warum ich mit dem Hund überhaupt draußen bin."
Hunde waren in der Islamischen Republik noch nie erwünscht. Doch jetzt wird es schlimmer. Ende Januar gab der Polizeichef von Teheran bekannt, dass ab sofort das Spazierengehen mit Hunden in der Öffentlichkeit verboten sei. Und auch im Auto dürften Hunde nicht mehr mitgeführt werden. "Sie sagen, ein Hund muss in einer Box im Auto sein, ok, dann ist er eben in einer Box", sagt Nasima Shiri. "Aber wenn mein Hund einfach nur entlang der Straße laufen will, warum müssen sie ihn dann einfangen. Das steht nirgendwo geschrieben, in keinem Gesetz ist das erlaubt, einfach meinen Hund einzukassieren. Ohne dass ich weiß, wohin sie meinen Hund bringen." Wenn Nasima heute von der Polizei oder den Basij-Milizen des Systems erwischt würde, müsste sie fürchten, dass sie Toffee nie mehr sieht. Ihr Hund könnte dann einfach konfisziert werden.
Der Hund gilt den Gelehrten als unrein
Hundehaltung sei vor allem auch westlich, so der Vorwurf der Geistlichen. Und während viele junge Menschen sich nach einem westlichen Leben sehnen, mit mehr Freiheit, Rechten und Würde, wird dieses westliche Leben der jungen Iraner als Gefahr in der Islamischen Republik gesehen. Im Islam ist der Hund "najes", das bedeutet unrein. Als Wach- und Jagdtier dürfe er existieren, erklärt uns der Geistliche in der Moschee. Sonst nicht. "Es muss doch nicht sein, dass die Hunde hier wie im Westen im alltäglichen Leben der Menschen dabei sind. Es ist nicht zu akzeptieren, dass diejenigen die hier im Land die Leute im Westen nachahmen, den Hund mit ins Bett nehmen oder sogar Essen aus dem Maul vom Hund nehmen und selbst essen."
Wir sind in einer Tierklinik mitten in Teheran. Vor 10 Jahren eröffnete der Tierarzt Payam Mohebi diese Einrichtung. Er war der erste, der sich traute eine Klinik für Tiere zu eröffnen. Seither versucht er zu vermitteln, zwischen Religion und der alten iranischen Kultur. Denn Hunde gehören schon lange zu diesem Land, meint er. "Die Iraner haben eigentlich einen guten Draht zu Hunden", erklärt der Tierarzt Payam Mohebi. "Die ersten Menschen in der Geschichte, die Hunde zu sich ins Haus genommen haben, waren die Iraner. Vor tausenden von Jahren. Die älteste Hunderasse der Welt ist der Saluki. Auch persischer Windhund genannt, er kommt aus dem Iran. Der Saluki ist sogar in der antiken Ruinenstadt Persepolis auf Säulen gemalt."
Geheime Orte zum Gassi-Gehen
Doch auch wenn Hunde schon lange zum Iran gehören, heißt es nicht, dass die Menschen hier "artgerecht" mit den Tieren umgehen. Das ärgert Mohebi. "Ich sagte Ihnen doch, sie sollen ihren Hund kastrieren." – "Ich möchte aber nicht" sagt die Hundehalterin – "Sie tun aber dem Hund damit keinen Gefallen." Die Hundehalterin ist nicht einsichtig. Solche Dialoge führt der Tierarzt fast täglich. Ein Problem sieht er besonders darin, dass wenn Tiere von der Straße verbannt werden und es keine Gesetze gibt und keine Regeln, die Tierhalter auch nicht lernen, wie sie mit ihren Tieren umgehen sollen. "Wir haben hier zum Beispiel keine Regel, dass wenn ein Hund sein Häufchen macht, sein Besitzer dafür sorgen muss, dass es weggemacht wird. Viele machen das hier nicht. In Europa sieht man, dass fast jeder Hundebesitzer dafür eine Plastiktüte mit sich trägt. Wir haben sogar diese Plastiktütchen in den Iran importiert und verkaufen sie hier. Aber keiner kauft sie."
Training für Hund und Herrchen. Hier bekommt man es. Ein Paradies für die Vierbeiner und ihre Besitzer hat Ronak und ihre Familie in der Islamischen Republik geschaffen. Ein Hundetrainingszentrum, es liegt außerhalb von Teheran. "Leider dürfen ja die Hundebesitzer nicht mehr mit ihren Hunden auf die Straße, also können die Hunde ihre Energie nicht mehr rauslassen", sagt Hundetrainerin Ronak Jan Mohammadi. "Deshalb haben wir diesen Platz aufgebaut. Damit sie freilaufen können."
Auch Nasim kommt mit Toffee hierher. Und für eine kurze Zeit können sie sich hier auf dem kleinen "Platz der Freiheit" mit ihren Hunden freuen. Aber immer raus aus Teheran zu fahren, mit einem Hund im Auto der dort eigentlich auch so nicht sitzen dürfte, das wäre zu anstrengend. Deshalb haben die Hundebesitzer in der Hauptstadt konspirative Rückzugsorte für ihre geliebten Vierbeiner in der Stadt gefunden. Kleine Parkanlagen. Nach Mitternacht.
Stand: 05.05.2019 21:29 Uhr
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