So., 30.04.23 | 18:30 Uhr
Italien: Kampf für den Verbrenner-Motor
Italien fremdelt mit der E-Mobilität. Nur 0,3 Prozent aller Fahrzeuge im Land sind elektrisch betrieben. Es mangelt an der Lade-Infrastruktur, am politischen Willen – vor allem aber an der Leidenschaft für ein E-Auto. Und ohne die wird sich nichts ändern, sagen Experten. Hinzu kommt, dass viele Italiener:innen sich ein teures neues E-Auto gar nicht leisten können. Sie kämpfen um ihre alten, kleinen Verbrenner-Autos, die sie deutlich länger fahren als andere in Europa.
Kaum Elektro-Autos, kaum Ladestationen
Pietro Milone wohnt im Zentrum von Palermo. Morgens fährt er mit dem Auto zur Arbeit – obwohl der Verkehr höllisch ist. Stau rund um die Uhr. "Heute ist mehr Verkehr als sonst. Nicht, dass es sonst keinen Verkehr gäbe, aber heute ist er noch dichter. Ihr seht ja: alles steht still, man bewegt sich im Schritttempo." Alle fahren mit dem Auto. Warum fährt Pietro bei diesem Verkehr nicht mit dem Bus? "Ich glaube, ich würde ja jetzt noch an der Bushaltestelle auf ihn warten… Aber darf ich jetzt Euch mal was fragen: Habt Ihr auf der ganzen Fahrt irgendeinen Bus gesehen? Die Antwort? Nein! Na, also!"
Eine knappe halbe Stunde haben wir für die vier Kilometer bis zu seiner Arbeit gebraucht. Pietro ist Rechtsanwalt. Während er seine Mandanten trifft, suchen wir in der Stadt nach Elektroautos. Auch in der Innenstadt: herkömmliche Autos – neben Fußgängern. Wer nicht fahren will, geht zu Fuß. Durch die Autoabgase. Je weiter im Süden von Italien, desto älter sind die Autos und desto größer die Luftverschmutzung in den Städten. E-Autos als Alternative zu Verbrennern sehen wir hier kaum – und im ganzen Zentrum keine einzige Ladestation. Wir folgen dem Navi, aber die angegebenen Ladesäulen sind entweder nicht erreichbar oder außer Betrieb oder weit weg am Hafen!
Italien setzt auf Verbrenner und Bio-Kraftstoff
Um zu verstehen, warum die Elektromobilität im Süden Italiens so schlecht ausgebaut ist, lohnt sich ein Abstecher auf die Südseite der Insel. Gela: Hier hat der staatliche Energiekonzern ENI jahrzehntelang Öl raffiniert. Die ganze Gegend roch stark nach Gas und man sah dicke schwarze Wolken über dem Gelände, erzählt uns Rosario Catalano von der örtlichen Gewerkschaft. 2019 wurde dann auf Bio-Kraftstoff umgestellt. "Man kann schon sagen, dass das die Umwelt verändert hat. Die Lebensqualität hat sich deutlich verbessert. Aber natürlich wird es Jahre dauern, bis wir hier wieder eine saubere Umwelt und gute Luft zum Atmen haben."
Italiens Autoindustrie hat in der Vergangenheit voll auf den Verbrenner gesetzt, der Staatskonzern ENI auf Bio-Kraftstoff. Der ist aber nicht CO2-neutral, darf also nach den EU-Beschlüssen ab 2035 nicht mehr getankt werden. Rosario Catalano macht sich Sorgen, was das für die Zukunft hier bedeutet. "Es kann nicht sein, dass die Arbeiter dieser großen Unternehmen letztlich allein den hohen Preis für all diese plötzlichen Veränderungen bezahlen müssen". Bis zu 70.000 Arbeitsplätze könnten durch das Verbrenner-Aus in Italien verloren gehen. So die Befürchtung.
Es fehlt die Leidenschaft für E-Autos
Pietro ist von der Arbeit nach Hause gekommen. Die Familie bereitet gemeinsam das Abendessen vor. Seine Frau Donatella war auch den ganzen Tag mit dem Auto unterwegs. Einkaufen, die Töchter zur Schule und Freundinnen fahren. Anders gehe es einfach nicht, sagt sie. "Leider fahre ich ziemlich viel. Ich rechne immer die Zeit vorher aus, die ich brauche, aber das stimmt eigentlich nie wegen des vielen Verkehrs in der Stadt. Das ist wirklich anstrengend." Könnte sie sich vorstellen, auf ein E-Auto umzusteigen. "Die hohen Kosten für solche Autos schrecken mich ab. Wir könnten uns ein Elektroauto gerade nicht leisten – da hätten wir echte Schwierigkeiten." Es fehle aber auch am Bewusstsein, ergänzt Tochter Sara die Diskussion beim Abendessen. "Wir reden auch in der Schule nicht viel über dieses Thema. Man sollte mehr darüber sprechen und informieren. Weil es sehr, sehr wichtig für den ökologischen Wandel ist".
Wie schafft es Italien, weg von den Verbrennern zu kommen? Wir fahren zu Nuccio Salemi. In seinem Museum für Automobilgeschichte sammelt er Liebhaberstücke. Man müsse bei den Italienerinnen und Italienern vor allem die Liebe und Leidenschaft für das Elektroauto wecken, sagt er. "Wir müssen Schönes erschaffen, das verzaubert. Die globalen Hersteller müssen sich von diesen Autos der Vergangenheit für die Welt von morgen inspirieren lassen."
Leidenschaft für E-Autos haben Pietro und Donatella überhaupt nicht. Vor allem sind sie ihnen aber viel zu teuer. "Das E-Auto? Ich persönlich habe große Zweifel, dass durch E-Autos Probleme wie Umweltverschmutzung und Mobilität wirklich gelöst werden können." So wie Pietro und Donatella denken viele in Italien. Und auch die Regierung setzt weiter auf den Verbrenner.
Autorin: Anja Miller, ARD-Studio Rom
Stand: 01.05.2023 00:06 Uhr
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