So., 04.10.20 | 19:20 Uhr
Das Erste
Kenia: Wälder retten mit Samenbomben
Die Idee ist einfach aber effektiv. Eine Samenbombe ist ein beschichteter Baumsamen in einer kleinen Kugel aus recyceltem Holzkohlenstaub, der mit nahrhaften Bindemitteln vermischt ist. Die Biokohlebeschichtung schützt den Samen im Inneren vor Vögeln, Nagetieren und Insekten. Wenn es regnet, weicht er auf und heraus kommt ein Baumsämling. Eine Idee eines kleinen Start-up Unternehmens, die helfen soll, die ehrgeizigen Ziele Kenias umzusetzen: die Entwaldung aufhalten. In zwei Jahren sollen 10 % der Fläche des Landes bewaldet sein.
Der Weltspiegel-Podcast zum Thema "Aufforsten gegen den Klimawandel" ist ab Samstag in der ARD Audiothek und auf allen Podcast-Plattformen abzurufen.
Wiederaufforstung aus der Luft
Gleich hinter der Abbruchkante tut sich der Blick auf über das Rift-Valley. Das ist heute das Einsatzgebiet von Teddy Kinyanjui. Wo kaum noch Bäume stehen, lässt es Teddy nun schwarze Kugeln regnen: Es sind Samen mit einem Mantel aus Holzkohlestaub. So kehrt die Holzkohle gleichsam als Saat-Hilfe für einen neuen Baum zurück. In einem Gebiet indem illegal gerodet wird, um Holzkohle zu gewinnen. Teddy und sein Kompagnon, Elsen Karstad, haben die Firma aufgebaut, die heute Saatkugeln produziert. In einem Vorort von Nairobi ist ihr Testgelände. Hier schauen sie, wie gut Bäume aus der Kugel wachsen, und welche Bäume man überhaupt pflanzen will: "Das hier ist eine Gelbfieberakazie", erklärt Teddy Kinyanjui, Mitbegründer von "Seedballs Kenya". "Ihre Rinde ist etwas gelber und sie hat Stacheln. Sie ist berühmt, man sieht sie am Naivasha-See und in der ganzen Region. Traurig für sie ist: sie produziert eine exzellente Holzkohle. Deshalb ist es in vielen Gebieten auch der erste Baum, der gefällt wird: Er gibt einfach gutes Feuerholz ab."
So sah das Testfeld noch vor kurzem aus – und so jetzt. Die Samen kommen vom nationalen kenianischen Waldforschungsinstitut, das wiederum von Bauern beliefert wird. Die Bauern verdienen daran – und helfen so beim Waldschutz. Haben sich Teddy und Elsen für eine Sorte entschieden, bekommen die Samen einen Mantel – einen Schutzmantel. "Das Tolle bei den Saatbällen ist: sie verhindern, dass die Körner von Mäusen, Vögeln und Insekten gefressen werden", sagt Teddy Kinyanjui. "Darum geht es hier: die richtige Saat, die richtige Region und der richtige Schutz gegen diejenigen, die die Saatkörner fressen wollen." Zudem kann der Wind die Körner nicht mehr wegblasen. Die kleine Kugel-Manufaktur von Teddy und Elsen nutzt Kohlestaub, den die Köhler sonst nicht verkaufen könnten. Er bleibt übrig – hier ist er Rohstoff. Deshalb funktioniert das System so gut. "Es ist hier kein Abfall mehr, weil wir ihn ja kaufen", sagt Elsen Karstad. "Wir haben die Händler, die rufen an und sagen: wir haben eine Lkw-Ladung. Hier wird das dann gesiebt und zu Briketts verarbeitet. Wir haben Binder, Wasser und eine Roll-Maschine. Das nennt man "Holzkohle aus Verkaufsabfall”.
Digitale Samenbomben helfen bei der Finanzierung
Wie genau der Samen in die Kugel kommt, ist übrigens Betriebsgeheimnis. Wie sie ausgebracht wird, nicht. Man kann sie – natürlich – klassisch vergraben. Oder verschießen. Mit der Steinschleuder. Und dann gibt es noch diese Pflanzmethode: Im Internet. "Usiku Games" macht´s möglich. Ein Startup für Computerspiele in Nairobi. Die Stadt ist ein Zentrum für Computertechnik und Software in Afrika. Hier wurde Afrikas erste Video-Konferenzplattform "Gumzo" erfunden. Um hohe Ansprüche geht es auch bei den Spielen, erzählt uns Gründer Jay Shapiro. "Wir setzen die Kraft des Spiels ein, um alle Arten sozialer Herausforderungen anzusprechen. Es ging schon um Klimawandel, Gesundheitsvorsorge und Bildung. Als Teddy mit den Saatbällen zu uns kam, kannten wir die Organisation schon. Wir sind froh, helfen zu können."
Helfen – das geht so: wir fliegen im Computerspiel über ein kahles Land und werfen "Seedballs" ab. Wo ein Baum gepflanzt wird, gibt’s Punkte – für diese Punkte wird dann gespendet. Geld, mit dem dann echte Saatbälle finanziert werden. "Das wird die lokalen Naturschützer prima zusammenbringen", meint Teddy Kinyanjui, "gerade auch mit Leuten, die Seedballs gespielt haben. Ich habe gehört, es wurde schon in Berlin und Florida gespielt. Jetzt schlägt es sich nieder in Saatgut. Das können wir dann durch unsere Nebenstellen im ganzen Land verteilen."
Wie viel das am Ende bringen wird, ist noch unklar – die digitalen Flieger sind erst ein paar Wochen unterwegs, der erste Kassensturz steht noch aus. Es geht um Afrikas Wald. Elf Millionen Saatbälle haben sie in den vergangen vier Jahren ausgebracht – jetzt hoffen sie, dass das Projekt so richtig abhebt. Die elf Millionen seien erst der Anfang.
Norbert Hahn, ARD-Studio Nairobi
Stand: 04.10.2020 22:21 Uhr
Kommentare