Mo., 23.10.17 | 04:50 Uhr
Das Erste
Kiew/Accra/Düsseldorf: Ein Engel und seine Kinder
Vor 15 Jahren kam der Ghanaerin Harriet Bruce-Annan die Idee, Straßenkinder in ihrer Heimat aus dem Slum zu holen. Viel Geld hatte sie in ihrer Wahlheimat Düsseldorf selbst nicht zum Leben. Ihr Job als Putzfrau ließ keine großen Sprünge zu.
Kinderheim für Straßenkinder
Doch mit Hilfe von Spenden und Patenschaften baut sie ein Kinderhaus auf. Über die Jahre hat sie Hunderten von Kindern aus den Slums von Accra eine Schulausbildung finanziert. Sie akquiriert Spenden in aller Welt. Bekam das Bundesverdienstkreuz. Diese Straßenkinder holt Harriet Bruce-Annan vor zehn Jahren in ihr Kinderheim. Das ist Veronica, hier ist Priscilla, das ist Derek und das Asheley, Abraham und das ist James Brown.
Und das ist James Brown heute. 27 Jahre alt und Student der Landwirtschaft in Kiew. Er und die anderen Straßenkinder hatten die Chance eine Ausbildung zu bekommen und nutzten sie.
Ihr haben sie es zu verdanken. Harriet Bruce-Annan hat sie an Unis in Kiew untergebracht. Sie studieren Medizin, Informatik, Jura, BWL.
Nach dem Studium zurück nach Ghana
Warum gerade in der Ukraine? Weil es auch ein Land ist, ähnlich wie Ghana, das um Demokratie ringt, erklärt Harriet.
"Sie lernen was für's Leben. Denn die Probleme, wie die Korruption, ist auch in Afrika ein grosses Thema. Hier sehen sie wie Leute aufstehen, um für Demokratie zu kämpfen."
"Und auch die Jugend in der Ukraine gibt nicht auf. Sie wehren sich, machen sich stark für ihr Land. Das ist beeindruckend. Während wir in Ghana alles unseren Politikern überlassen", sagt Richard.
Außerdem schreibt das ukrainische Gesetz vor, dass sie nach dem Studium in ihr Heimatland nach Ghana zurückkehren müssen. Das liegt Harriet am Herzen. Das war ihr Plan, als sie vor 15 Jahren nach Düsseldorf kam.
Der Verein "African Angel"
Als Putzfrau hat sie in Düsseldorf gearbeitet und ihr Erspartes nach Ghana geschickt, um ein Kinderhaus aufzubauen. Paten und Spender in Deutschland hat sie gesucht und den Verein "African Angel" gegründet.
Lange wussten die Kinder und Studenten nicht, dass Harriet in Düsseldorf Toiletten schrubbte, um ihre Ausbildung zu finanzieren.
"Unglaubliche Demut – fühlte ich. Wenn jemand wie sie sich so erniedrigt und Toiletten putzt, damit wir zur Schule gehen können, dann darf ich es mir nicht erlauben, nicht zu lernen", so James.
"Ich wusste überhaupt nicht, was ich sagen sollte. Ich wäre nie zur Schule gegangen, wenn sie nicht Toiletten geputzt und sich um mich gekümmert hätte. Ich hätte überhaupt keine Chance gehabt. Ich war auf der Straße gelandet, nirgendwo, wo ich hingehen konnte", erzählt Mary.
Ghana wieder aufbauen
Die Studentin Mary kommt aus Bulom, einem Armenviertel Accras. Ihre Eltern konnten sich nicht um sie kümmern. Sie waren arbeitslos. Um zu verhindern, dass die Mädchen in der Prostitution landen und die Jungs auf der Straße, holt Harriet sie in ihr Kinderhaus. Lange hat Harriet verschwiegen, dass sie Toiletten putzte, denn sie wollte, dass die Kinder nach Höherem streben und helfen ihr Heimatland zu entwickeln. "Wenn diese Studenten hier in den Industrienationen bleiben würden, fallen sie nicht weiter auf. Aber wenn sie dahin gehen, wo sie herkommen, können sie viel bewirken und die Gesellschaft stark beeinflussen."
"Es ist mein großes Ziel im Leben nach Ghana zurückzukehren, um dort die Bedingungen zu verbessern. Alle beschweren sich über das korrupte System dort. Ich habe einige Geschäftsideen. Ich werde nicht darauf warten, dass mir jemand einen Job anbietet. Es ist unsere Aufgabe – Jobs zu schaffen. Ich will ein Großunternehmer werden", erzählt James.
Und eine seiner Geschäftsideen hatte James hier beim besten Chocolatier in der Ukraine. Immer wieder bestaunt er mit seinem Freund Richard die liebevoll verpackten Pralinenschachteln und träumt von ähnlichen Geschäften in seiner Heimat.
"Wo kommt der Kakao her? Wahrscheinlich aus Ghana. Es ist also an der Zeit, dass wir die Kakaobohnen selbst weiterverarbeiten. Das bringt die Wirtschaft voran."
"Wir haben aber nicht nur Kakao. Wir haben auch Zucker und alle Früchte, die man sich denken kann. Wir könnten also Ananas, Äpfel oder Bananen mitverarbeiten und so Jobs schaffen", so Richard.
Wirtschaft vorantreiben
Sie lernen viel in der Ukraine. Harriet ist zufrieden. Und als Afrikaner fällt ihnen das Handeln natürlich auch nicht schwer. Die Marktfrau kann nicht wiederstehen. Längst putzt Harriet keine Klos mehr, sondern managt den Verein und zwar mit Erfolg. Und auch hier siegt afrikanisches Verhandlungsgeschick.
"Sie sind selbstständig. Selbstbewusst. Haben Perspektiven im Leben. Sie wissen genau, was sie wollen. Das macht mich sehr froh und stolz. Man kann sie nicht hin und her schieben."
Im nächsten Jahr werden James und Richard als erste in der Gruppe ihren Uniabschluss machen. Damit hat Harriet bewiesen, wenn man Straßenkindern eine Chance gibt, können auch sie zu den Besten gehören.
Bericht: Gudrun Engel/Birgit Virnich
Stand: 31.07.2019 07:17 Uhr
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