So., 11.08.24 | 18:30 Uhr
Das Erste
Malawi: Das Geschäft mit Cannabis
Pililani Kankwamba füllt Wasser in ihre Plastik-Gießkanne und wässert eine Pflanze nach der anderen. Sie und ihre 50 Kompagnons nehmen die Sache sehr ernst. Die 15.000 Cannabis-Pflanzen könnten für die landwirtschaftliche Kooperative im Norden der malawischen Hauptstadt Lilongwe einen großen finanziellen Gewinn bedeuten. Für Malawi, eines der ärmsten Länder Afrikas, könnte Cannabis mehr Einnahmen generieren als die bisherige Einkunftsquelle Nummer eins: Tabak. Doch da, wo Geld zu machen ist, gibt es – wie fast immer in Afrika – viele, die sich darauf stürzen und dadurch alles zerstören. Nachdem Cannabis für medizinische Zwecke 2018 legalisiert worden war, tauchte eine dubiose Firma auf dem Markt auf. Die angeblichen Unternehmer sammelten hunderttausende Dollar von kleinen Farmern und Farmerinnen wie Pililani ein und tauchten unter. Für viele kleine und arme Bauern und Bäuerinnen war das der finanzielle Ruin. Trotzdem machen viele einfach weiter, genau wie Pililani und ihre Mitstreiterinnen. Knapp 20.000 Cannabis-Pflanzen wachsen in den Himmel über Malawi. Die Ernte ist im Oktober, dann zeigt sich, ob die Hoffnung auf Reichtum diesmal berechtigt war.
Die Hoffnungen der Cannabis-Farmer wurden enttäuscht
Auf dem Weg in den Westen Malawis, die Grenze zu Sambia ist nah. Seit die Produktion von medizinischem Cannabis vor sechs Jahren legalisiert wurde, ist Malawi wie im Rausch. Eine goldene Nase könne man sich verdienen, so lautete das Versprechen der Regierung und von vielen Firmen, die Tausenden von Farmern teure Lizenzen verkauften. Um solche Felder geht es – voll mit Marihuana. Diese acht Hektar gehören ihm: Simeon Sent. Sein Cannabis gedieh prächtig, doch seine Hoffnungen wurden bitter enttäuscht.
Die Firmenbosse, die sein Geld und das der anderen Farmer eingestrichen hatten, tauchten unter. Das Geld war weg und niemand da, der Simeon seine Ernte abkaufte. Schon drei Jahre geht das so; seine Lagerhallen sind zum Bersten voll mit Cannabis. Ein Desaster. Viele haben ihr ganzes Erspartes verloren. "Als klar war, dass die Firma uns unsere Ernte nicht abkaufen würde, war das eine Katastrophe. Wir alle haben viel Geld verloren, einige hatten ihre Autos verkauft, um dabei zu sein, andere ihre Grundstücke, einige sogar ihre Häuser. Doch das Geld war weg."
Tausende von betrogenen Farmern, in jedem Fall ein Verbrechen, vielleicht auch Korruption. Die Firma Invegrow will es nun besser machen und einen neuen Vertriebsweg für das teure Gras aufbauen. Doch die staatliche Cannabis-Regulierungsbehörde versucht, uns an unserer Arbeit zu hindern. Wohin wir auch kommen, die Behörde hat schon angerufen und vor uns gewarnt. Konsequenz: die Cannabis-Firma Invegrow zieht frühere Drehgenehmigungen wieder zurück. Wir sollen offenbar bloß keinen Staub aufwirbeln.
Cannabis als Alternative zum Tabak
Viele Politiker singen dagegen noch immer das hohe Lied der magischen Pflanze. War bislang Tabak der Exportschlager in Malawi, könnte es in Zukunft Cannabis sein. "Die Cannabis-Industrie wird die gesamte Landwirtschaft Malawis verändern", glaubt Peter Dimba. "Die Gesamtgewinne aus dem Export von Tabak sind rückläufig und haben sich am Ende auf nur noch 300 Millionen US Dollar belaufen. Mit dem Export unserer eigenen, lokalen Cannabis-Pflanzen könnte man im Gegensatz dazu bis zu 700 Millionen Dollar pro Jahr verdienen, das Doppelte bis das Dreifache. Also – es gibt Hoffnung!"
Treffen der Cannabis-Kooperative von Lisasadzi nördlich der Hauptstadt Lilongwe. Ein weiteres Opfer der betrügerischen Cannabis-Firmen. Jedes der 50 Mitglieder hatte umgerechnet fast 150 Euro für die Lizenz zahlen müssen und – verloren. Sehr viel Geld in einem der ärmsten Länder Afrikas, die Mehrheit lebt von weniger als einem Euro am Tag. Doch die führenden Frauen der Kooperative lassen den Kopf nicht hängen. "Mit Cannabis kann man viele Dinge anstellen, zum Beispiel kann man daraus Medizin machen, oder Tierfutter", erklärt Leah Willima. "Oder man kann Kleidung herstellen, sogar Schuhe. Man kann es für alles Mögliche gebrauchen. Wir sehen Cannabis als Alternative zu Tabak, um damit Geld zu verdienen und um ausländische Währungen ins Land zu holen."
Bis zu viermal in der Woche kommen die Mitglieder der Kooperative zusammen, um auf dem fast quadratischen Gemeinschaftsfeld die zarten weiblichen Hanf-Pflänzchen zu hegen und zu pflegen. Die Trockenheit macht den Bäuerinnen zu schaffen, also haben sie kleine Kuhlen um die Cannabispflanzen aufgeschichtet. Sollte es doch einmal regnen, kann man so das kostbare Wasser länger nutzen. So mühsam die Arbeiten, so verlockend die Aussichten. "Wir haben einen Hektar Land mit unserem Cannabis gepflanzt, also 100 mal 100 Meter", sagt Pililani Kankwamba. "Wenn alles gut geht, so hat man uns versprochen, können wir damit 100 Millionen Kwatcha verdienen, umgerechnet gut 50.000 Euro."
Die Farmer geben nicht auf
Der Malawi-See, eine Urlaubsdestination mit großem Potenzial. Doch ohne einen eigenen Flugplatz werden die Touristen wohl ausbleiben. Das Geld für Investitionen fehlt an allen Ecken. Ohne zahlungskräftige Unternehmen aus dem Ausland werden die Aussichten auf Wachstum vermutlich weiterhin in Rauch aufgehen. Apropos Rauch. Nicht nur karibischer Reggae, sondern auch die lokalen Hochgewächse verschaffen den geneigten Raucherinnen und Rauchern Hochgefühle. Eine der THC-stärksten lokalen Cannabis-Sorten trägt den Namen Black Widow – schwarze Witwe.
Zurück auf der Farm von Simeon an der Grenze zu Sambia. Die Pflanzen brauchen täglich Wasser, regelmäßig Dünger und sie dulden kein Unkraut neben sich. Doch selbst wenn sie geerntet wurden, verlangen die Sensibelchen weiterhin Pflege. Jede Stunde müssen sie gewendet werden, damit auch die letzte Spur von Feuchtigkeit verschwindet. "Ein Fehler, und du verlierst deine gesamte Ernte, vor allem muss man aufpassen, wenn die Pflanzen noch auf dem Feld stehen und noch wachsen. Wenn man zum Beispiel die männlichen Pflanzen nicht ausreißt, dann kommt es zur Befruchtung der weiblichen Pflanzen und die gesamte Ernte ist unbrauchbar. Marihuana ist sehr empfindlich. Durch unsere Erfahrung werden wir aber immer besser. Jedes Jahr ein Stück mehr."
Das Problem sind nicht die Farmer, die sich alle Mühe mit ihren Pflanzen geben, sondern die korrupten Firmen, die mit dem vielen Geld verschwunden sind. Obwohl hunderte von Familien in den Ruin getrieben wurden, haben einige wie Simeon trotzdem nicht aufgegeben. Denn sie wissen um die gigantische, globale Nachfrage nach Spitzenqualität. Vielleicht triumphiert Simon am Ende – denn das Gras aus Malawi gehört zu dem besten der Welt.
Autor: Thomas Aders, ARD-Studio Johannesburg
Stand: 15.08.2024 11:51 Uhr
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