So., 24.02.19 | 19:20 Uhr
Das Erste
Marokko: Der Sonnenkönig
Stundenlang geht es über eine Schotterpiste in den Hohen Atlas – für Installateur Jaouad Ait Rabeh sind solche Fahrten in entlegene Dörfer Berufsalltag, und doch immer etwas besonderes – denn er kann mit seiner Solartechnik das Leben seiner Kunden verändern.
Erstes Mal richtiges Licht dank Solartechnik
"Das ist schon toll, wenn Du die Freude einer Familie siehst, die zum ersten Mal elektrisches Licht bekommt", erzählt Jaouad Ait Rabeh, Solar-Installateur. Im Bergdorf Tadrat gibt es nichts. Kein Wasser, keinen Strom, kein Telefon. Hier wird Solartechniker Jaouad mit seinem Kollegen schon sehnsüchtig erwartet. Das Solarmodul wird oben auf dem Dach montiert, während die Familie von Mohamed Ben Said ganz genau zuschaut. Einige hundert Euro wird sie die Anlage kosten, viel Geld. Der Aufbau geht schnell voran – die Technik ist simpel, problematisch sind Wartung und Lebensdauer der Batterie. Und die wird jetzt auf etwas unorthodoxe Weise verkabelt – aber es funktioniert. Jaouad schließt das Modul unten an die Batterie an, die kann sich nun aufladen. "Unsere Technik ist schnell. Aber bis man erst einmal in diesen Dörfern ankommt, das dauert lange", so Jaouad Ait Rabeh.
Der ganze Reichtum der Bauern befindet sich in diesen Feldern – Safran. Ein Gramm des Gewürzes kann den Bauern bis zu einem Euro einbringen. Mit dem Safran finanziert die Familie von Ben Said die Solaranlage. "Die Sonnenenergie ist für uns ziemlich teuer, wir haben nicht viel Geld. Aber wir hoffen, dass sich unser Leben mit dieser Anlage verbessern wird", sagt Mohamed id Ben Said, Kunde.
Bald ist es soweit. Von der Batterie wird das Kabel in den Wohnraum gezogen, Jaouad schraubt die Glühbirne in ihre Fassung. Ein bewegender Moment – zum ersten Mal hat die Familie richtiges Licht in ihrer Hütte. "Das ist toll, früher konnte ich abends nichts sehen, manchmal waren dann Kakerlaken im Topf. Nun sind wir glücklich", sagt Fatima id Ben Said, Kundin. "Für mich ist es immer ein tolles Gefühl, wenn ich sehe, wie sich die Leute freuen", erwidert Jaouad Ait Rebah.
Und so brennt am Abend das Licht in einem Haus in Tadrat, für die Familie Ben Said ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Am nächsten Morgen machen sich Installateur Jaoud und sein Kollege auf den Rückweg nach Ouarzazate. Die Stadt ist eine Drehscheibe im Süden Marokkos, die Sahara liegt nicht weit entfernt. Hier hat die kleine Firma von Jaouad ihren Sitz.
Sonnenlicht – ein Rohstoff im Überfluss
Auf 3.000 Sonnenstunden kommt Marokko im Jahr, ein Rohstoff im Überfluss. Der 28 Jahre alte Jaouad beschäftigt vier Angestellte, seine Branche boomt. Auch, weil Marokkos Regierung seit Jahren schon auf erneuerbare Energien setzt. In Ouarzazate steht mittlerweile eine der größten Solaranlagen überhaupt. "Ouarzazate ist so etwas wie die Hauptstadt der Solarenergie weltweit, und das liegt an diesem Großprojekt", so Jaouad Ait Rebah. Schon von weitem sieht man den hohen Turm der Solaranlage "Noor" – das bedeutet auf Arabisch "Licht". Weil Marokko bislang fast den gesamten Energiebedarf durch Importe abdecken musste, setzt das Land auf solche Kraftwerke. Auf einem riesigen Areal umgeben 7.500 Spiegel den Turm, sie bündeln das Sonnenlicht und reflektieren es auf die Turmspitze. Diese erhitzt sich auf mehr als 1.000 Grad.
Im Schatten des Turms unterhält sich der marokkanische Manager, Tarik Bourquouqou, mit Markus Faschina von der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau. Deutschland ist mit mehr als 800 Millionen Euro größter Kreditgeber, alleine könnte Marokko dies nicht finanzieren.
"Sehen Sie, Marokko verfügt über keine fossilen Brennstoffe, gleichzeitig wächst unser Energiebedarf. Und deswegen setzt unsere Regierung eben auf erneuerbare Energien", erzählt Tarik Bourquouqou, Direktor Solaranlage "Noor". "Das ist ein ganz besonderes Projekt, weil es in der Größenordnung nicht nur in Marokko oder auf dem afrikanischen Kontinent, sondern weltweit kein vergleichbares Projekt gibt", so Markus Faschina, Kreditanstalt für Wiederaufbau.
Große Energiewende in Marokko
Schon in wenigen Jahren werden in Marokko mehr als 40 Prozent des Stroms aus Solar- und Windkraft erzeugt. Der Bau von fünf solcher Großanlagen ist geplant, damit gilt das Land nicht nur in Afrika als Vorreiter.
Von der Hi-Tech-Anlage zurück in die Berge – nun werden die Esel gesattelt, Jaouad und sein Team brechen zum nächsten Haus auf. Eigentlich hat Marokko die Stromversorgung in den letzten Jahren enorm ausgebaut. Doch manche Dörfer sind einfach zu entlegen. Da kommen die Solartechniker gerade richtig. Lahsen Ait-Bella und seine Frau Anya erzählen von harten Tagen im Dezember, an denen sie ihre Hütte nicht verlassen können. Auch deshalb wollen sie endlich richtiges Licht.
"Bislang benutzen wir nur Kerzen, aber wenn es stürmisch ist, werden die sofort ausgeblasen. Wir haben hier nichts, unser Leben ist sehr hart", so Anya Ait Bella, Kundin. Es sind solche Augenblicke, für die Installateur Jaouad gerne lange Wege auf sich nimmt – es lohnt sich, sagt er. "Die Menschen hier sind sehr großzügig, sie nehmen uns gastfreundlich auf und versorgen uns, es ist wirklich eine Freude, ihnen zu helfen".
Ein Königreich für die Sonne: Es ist eine erstaunliche Energiewende, die sich gerade in Marokko vollzieht.
Bericht: Stefan Schaaf/ARD Studio Madrid
Stand: 24.02.2019 20:15 Uhr
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