So., 08.09.24 | 18:30 Uhr
Das Erste
Marokko / Libyen: Wiederaufbau nach Erdbeben und Flut
Hier stand mal das Haus von Zahras Familie. Die Trümmer und die Trauer sind noch da. 17 Verwandte hat Zahra in der Nacht des Bebens verloren, auch ihren Vater. Ihr einfacher Alltag – mit einem Schlag vorbei: "Unser komplettes Leben ist hier begraben, und unser Vieh. Alle Tiere sind gestorben. Hier liegen sie, Knochen und Staub."
Bei Zahras Nachbarn – erste neu gebaute Mauern. Vorboten eines langsam wieder auferstehenden Dorfes. Aber noch wohnen alle hier in Zelten.
Zahra und ihr 12-jähriger Sohn Yacine haben den Tisch im Wohn-Schlafzimmer für uns gedeckt. Außer den Hühnern haben sie keine Tiere mehr, Zahras Mann Abdelrahim sucht Arbeit. Wasser und Strom sind da, sogar ein Kühlschrank. Aber es regnet rein, und sie hoffen, dass sie bald keine Angst mehr vor Schlangen und Skorpionen haben müssen.
Jetzt im September kommt die letzte Rate der Staatshilfe, monatlich etwa 230 Euro. Für den Hausbau bekommen sie auch Geld, aber die erste von vier Raten hat gerade mal fürs Fundament gereicht.
Darna, Libyen
Trauer und Verwunderung verspürt Muhammed bei der Anfahrt auf seine Heimatstadt Darna, gelegen im Norden Libyens am Mittelmeer. Muhammed Elalwani kann es kaum glauben: der Wiederaufbau findet hier in schnellem Tempo statt. Hunderte Millionen Dollar investiert die Regierung im ölreichen Osten Libyens nach der Flut.
Heftige Regenfälle und marode Dämme sorgten für tödliche Fluten. Mindestens 12.000 Menschen starben. Jeder in Darna hat Familienmitglieder oder Freunde verloren, auch Muhammed. Als Fotograf stürzt er sich in die Arbeit – Traumabewältigung. Die Auswirkungen der Flut dokumentiert er damals wie heute.
Darna, von den Machthabern Libyens über Jahrzehnte vernachlässigt. Ihr Ruf: eine Stadt der Aufständischen. Hier demonstrierten sie einst früh gegen Langzeitherrscher Gaddafi.
Marokko
In Marokko können sich die glücklich schätzen, die schon so weit sind. Zwar haben fast 58.000 Familien die erste Rate für den Hausbau bekommen. Fertig gebaut haben gerade einmal 1000. Kein Wunder, dass wir auf unserer Reise höher ins Atlasgebirge kein einziges fertiges Haus sehen.
Vor einem Jahr sah es hier noch ganz anders aus: geradezu euphorisch anmutende Hilfsbereitschaft aus ganz Marokko und dem Ausland. Nach wie vor sind internationale Helfer im Land, stellen Container auf, liefern Öfen. Auch das deutsche Entwicklungsministerium hat Projekte. Aber je höher im Atlas, desto weniger Hilfe kommt an.
Im Epizentrum des Bebens sieht es noch schlechter aus. Manchmal kommen Gastkartuschen an, aber bezahlen könne man die nicht, klagen die Bewohner.
Libyen
In Darna, der zerstörten libyschen Hafenstadt können dank des Baubooms Moscheen, Schulen und Krankenhäuser schon bald wieder öffnen. Doch für viele Einwohner stellt sich weiter die Frage nach Gerechtigkeit. Wegen Fahrlässigkeit in Bezug auf die maroden Dämme wurden ein paar Offizielle verurteilt. Die Mächtigsten, der autoritäre General Haftar und Parlamentspräsident Saleh blieben aber unangetastet.
Fotograf Muhammed sieht es wie viele. Er richtet sein neues Studio ein. Noch immer sichtet er täglich Bilder von Familien, aufgenommen kurz vor ihrem Tod. Die Vergangenheit lässt ihn nicht los.
Marokko
In der Monarchie Marokko wagt kaum einer, öffentlich die Frage nach politischer Verantwortung zu stellen. Hier freut man sich über kleine Lichtblicke
Yasin geht nach den Ferien in seine neue Schule. Zarah bekommt in der nahen Kleinstadt medizinische Versorgung. Ein Alltag zwischen Trümmern.
Autoren: Kristina Böker, ARD Madrid und Ramin Sina, ARD Kairo
Stand: 08.09.2024 20:07 Uhr
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