So., 24.11.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Indien: Zum Heulen - Zwiebelpreise als Politikum
Ob roh, gebraten oder frittiert: Die Inder sind verrückt nach Zwiebeln. Wer Indien verstehen will, muss einmal tief einatmen. Es riecht scharf angebraten - überall und jeden Tag.
Die Zwiebelpreise haben sich fast vervierfacht. 100 Rupien (1,20 Euro) kostet das Kilo - doppelt so teuer wie in Deutschland. Bauer Ashok hat Glück: Er kann die eigene Ernte aufessen. Denn die Familie hat sich seit Jahrzehnten ihr Leben der Zwiebel verschrieben. Seit Jahrzehnten.
"Zwiebeln sind Medizin"
"Wir brauchen Zwiebeln, um zu überleben. Die sind so wichtig. Ich bete sie an. Zwiebeln haben ayurvedische Kräfte. Zwiebeln sind Medizin. Wenn jemand in Ohnmacht fällt, dann muss er nur die Zwiebel riechen. Und sofort ist er wieder hellwach", sagt Ashok.
Eigene Gesetze am Zwiebelmarkt
Der Zwiebelmarkt hat seine eigenen Gesetze. Beim letzten Mal verkaufte er seine Zwiebeln für nur zehn Rupien pro Kilo. Die Verbraucher müssen das Zehnfache berappen. "Wir säen aus. Wir kaufen Dünger. Wir zahlen Transport, Strom und Arbeitslöhne. Alles wird teurer. Der Bauer bekommt nichts. Unser Job ist es, die Zwiebeln anzubauen. Der Händler muss sie verkaufen. Diese Mittelsmänner sind es wohl. Sie sind es, sie stecken das gesamte Geld ein", vermutet Ashok.
Die Bauern können die Zwiebeln nicht lange lagern. Sonst vergammeln sie. Wenn die Knollen geerntet sind, muss bald verkauft werden - zu jedem Preis. Ashok machte Verluste, brauchte sogar einen Kredit, um zu überleben.
Schuld sind immer die anderen
Die Inflation ist in Indien sowieso schon hoch. Jetzt ist auch noch der Zwiebelmarkt launisch und die Inder hungrig. Und zwiebelhungrige Inder werden schnell böse. Fehlt der Nachschub, können Spitzenpolitiker stürzen. Es ist ein bisschen wie mit den Benzinpreisen in Deutschland. Die Preise steigen, wenn alle kaufen müssen: vor den Feiertagen.
Schuld sind immer die anderen - oder das Wetter. Im Monsun seien die Zwiebeln vergammelt. Andere sagen, die Spediteure müssen bestochen werden. Und dann gibt es noch die Geschichte von der Zwiebelmafia. Wenn die stimmt, dann ist auch Händler Arvid ein Teil davon. Unternehmer wie er sollen die Zwiebeln gehortet haben, so lange es geht. Und so hätten sie die Preise immer weiter nach oben getrieben. Auch Arvid hat davon gehört. Aber er sei natürlich unschuldig und zeigt zum Beweis ein leeres Lager.
Zwiebeln vom Erzfeind
"In den letzten zwei Jahren habe ich nur Verluste gemacht - Hunderttausende Rupien. Die Leute wollen einfach Zwiebeln, aber es gibt keine", sagt Händler Arvid Dabagore. Aber: Nur für welchen Preis hat er seine Zwiebeln verkauft? Warum exportiert er nach Dubai? Und wer hat die nagelneuen Lastwagen bezahlt? Klare Antworten bleibt der Händler schuldig.
In der Stadt, wo die Leute einkaufen, kostet ein Kilo bis zu 100 Rupien. Für viele Inder isr dies ein Tageslohn. Die Volksseele kocht. Damit lässt sich prima Wahlkampf machen.
Balasaheb Ghavne ist Oppositionspolitiker in Pune und empört sich: "Die Zwiebelhändler bestechen die Politiker. Und weil das Geld kostet, schlagen sie das auf den Preis drauf." Seine Partei sein unschuldig: "Als wir an der Macht waren, waren die Zwiebeln viel billiger." Das stimmt nicht ganz. Auch seine Partei flog einst aus der Regierung wegen hoher Zwiebelpreise.
Die Lage ist wirklich verfahren. Indien importiert jetzt schon Zwiebeln vom Erzfeind Pakistan.
Autor: Gábor Halász, ARD Studio Neu-Delhi
Stand: 15.04.2014 10:38 Uhr
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