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Honduras/Mexiko: Lebensgefährlich - Kinder auf der Flucht

Honduras/Mexiko: Lebensgefährlich - Kinder auf der Flucht | Bild: NDR
Eine Menschengruppe überquert den Nuevo Laredo.
Über den Rio Bravo versuchen viele Menschen, in die USA zu gelangen. | Bild: NDR

Obwohl der Grenzschutz Präsenz zeigt, versuchen besonders viele illegale Migranten in Nuevo Laredo die USA zu erreichen. Anders als weiter im Westen gibt es hier keine meterhohen Stahlzäune.Nach der oft wochenlangen Flucht durch Zentralamerika, das Ziel endlich vor Augen, laufen viele den Grenzern direkt in die Arme. 

Gefährliche Reise an die US-Grenze

Marco aus Honduras im Interview.
Marco aus Honduras will in die USA . | Bild: NDR

Seit Monaten sind immer mehr Kinder alleine auf der Flucht. Einer von ihnen ist Marco. Der 17-Jährige kommt aus Honduras. Er ist alleine unterwegs. "Die Reise ist gefährlich, nach ein paar Tagen auf dem Güterzug bist Du schrecklich müde, alles ist dreckig. Frauen werden von Banden vergewaltigt oder entführt. Einen Mann haben sie vom Zugdach gestoßen, der ist bestimmt gestorben. Ein anderer stürzte von selbst auf die Gleise und der Zug trennte ihm ein Bein ab", erzählt der Junge.

Marco hat direkt hinter der guatemaltekischen Grenze den berüchtigten Güterzug la Bestia bestiegen, der durch ganz Mexiko nach Nuevo Laredo fährt. "Ich bin traurig, ich vermisse meine Familie und denke oft an sie. Hier muss ich zusehen, wie ich an Essen komme, also arbeite ich als Tagelöhner. Ich muss es in die USA schaffen. Ich will dort Geld verdienen, um dann meiner Familie in Honduras zu helfen", sagt Marco.

Endstation Abeschiebeheim

Für viele andere Kinder die Flucht bereits vorbei. Die Migrationspolizei hat sie erwischt und in eines der Abschiebeheime gesteckt. Dort warten manche monatelang auf die Reise zurück in ihre Heimatländer. Manche kommen so verstört und entkräftet in Nuevo Laredo an, dass sie freiwillig aufgeben. Ein Psychologe hilft ihnen, die schlimmen Erinnerungen zu verarbeiten. "Ich bin vor den Mörderbanden in Honduras geflohen. Die Maras wollten, dass ich bei ihnen mitmache, und so werde wie sie, aber das wollte ich nicht. Da haben sie gedroht mich umzubringen", erzählt ein Junge.

Familien leben im Ungewissen

Bilder von Personen in Honduras, die in die USA flüchten wollten.
Vermisst: Viele Familien in Honduras wissen nicht, was auch ihren Angehörigen geworden ist.  | Bild: NDR

Auf dem Weg werden den Kindern oft Geld, Papiere oder ihr Handy mit den Telefonnummern gestohlen. "Meine Eltern haben keine Ahnung wo ich bin. Sie können auch nicht nach mir suchen, dazu fehlt ihnen das Geld. Sie wissen ja nicht mal, wo sie nach mir fragen sollen, weil ich ihnen nicht sagen konnte, welchen Weg ich nehme", erzählt ein weiterer Jungen im Abschiebeheim.

3.000 Kilometer südöstlich in Honduras: Die meisten Kinder, die wir in Mexiko stranden, kommen von hier. Einige Mütter haben sich zusammengetan, suchen gemeinsam nach ihren Kindern, von denen sie nichts mehr gehört haben, seit die zur Flucht in ein vermeintlich besseres Leben aufgebrochen sind. "Meine Schwester lebt ohne Papiere in den USA. Sie hat meinem Sohn gesagt, er solle kommen, sie würde ihm helfen. Also zog er los. Aber er ist niemals dort aufgetaucht. Jetzt habe ich keine Familie mehr", erzählt Wilma Maldonado.

José ist wieder aufgetaucht. Auch er war auf dem mexikanischen Flüchtlingszug. Im Schlaf ist er zwischen die Waggons gestürzt und verlor ein Bein und einen Arm, die andere Hand zerquetschte er sich. Mit Glück blieb er am Leben, weil ihn jemand fand und ins Krankenhaus brachte, aber seine Träume musste er begraben: "Ich hatte eine Freundin, habe Fußball und Gitarre gespielt und dann kam ich so zurück. Ich bin mit der Illusion weggegangen, später mal meine Familie unterstützen zu können und ich kam als Last für sie zurück." Heute beschwört José andere Jugendliche, trotz aller Gefahren in Honduras zu bleiben.

Honduras: Angst vor den Mara-Banden

Zerstörte Häuser in San Pedro Sula in Honduras.
In San Pedro Sula in Honduras leiden die Mensche unter rivalisierende Mara-Banden.  | Bild: NDR

Aber die Situation in dem Land ist nicht so, dass man bleiben will: San Pedro Sula ist die  gefährlichsten Stadt Lateinamerikas. Jeden Tag gibt es vier Morde, dazu Entführung, Erpressung, Raub. Die Menschen fliehen scharenweise. In Stadtvierteln in denen sich rivalisierende Mara-Banden bekämpfen, steht die Hälfte der Häuser leer und ist geplündert. Wir können diese Orte nur mit Polizeischutz betreten. Auch wenn wir wissen, dass die Polizei gute Kontakte zu den Kriminellen pflegt und den Bewohner kaum Sicherheit bietet.

Wer hierbleibt macht entweder mit, zahlt oder stirbt. Es ist eine Stadt in Angst. Blanker Hohn, dass der wahlkämpfende Bürgermeister auf seinen Plakaten vom guten Leben in San Pedro Sula, und von einer Stadt ohne Angst spricht. "Alles wird nur schlechtgeredet. Es gibt ein paar Probleme in Honduras, in San Pedro Sula auch, aber das ist überhaupt nicht extrem. Sonst wären wir ja nicht hier", sagt Armando Calidonio.

Die Hoffnung auf ein besseres Leben

Wie extrem Honduras ist, erfahren wir von den Killern selbst. Wir treffen vier Bandenmitglieder der Maras. Sie sprechen nur mit uns, weil sie aussteigen wollen. Wir erwarten tätowierte Schlägertypen und sehen vier verschüchterte Jungs zwischen 15 und 18 Jahren, die bis vor Kurzem selbst noch Angst verbreitet haben. "Hier sind Tote an der Tagesordnung, Schießereien und Leute die fliehen. Du musst ständig aufpassen, dass du selbst am Leben bleibst. Es gibt Maras die kontrollieren Gebiete, kassieren und halten andere Diebe fern. Und es gibt Maras, die sind nur am schnellen Geld interessiert, die bedrohen die Leute in den Vierteln damit sie zahlen", sagt einer der Jungen.

Und Maras drohen nicht zweimal, wer nicht zahlen kann, der flieht. Alle wissen, dass auf der Flucht die nächsten Verbrecher lauern, doch das Risiko gehen sie ein. Zu groß ist die Verlockung des besseren Lebens in den USA.

Aber in San Pedro Sula landen jeden Tag zwei Flugzeuge mit Deportierten. Flüchtlingen, die erwischt und zurückgeschickt wurden. Die meisten haben jetzt Schulden, kein Haus mehr und Angst in ihr Dorf zurückzukehren. Deshalb wird ihr nächster Weg wieder der nach Nordwesten sein, der durch Guatemala und Mexiko, Richtung USA.

Autor: Peter Sonnenberg, ARD-Studio Mexiko Stadt

Stand: 29.09.2014 09:00 Uhr

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