So., 19.10.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
Nordirland: Mit Fototapeten zum Erfolg
Willkommen in Bushmills - einem lebendigen Dorf, mit freundlichen jungen Menschen, bunten Läden, in denen die Zeit stehengeblieben zu sein scheint, mit Pubs, in denen es alten irischen Whiskey gibt, und Gänsen in der Tür des Tante Emma Ladens.
Kluge Fälscher am Werk
Man muss schon genau hinschauen, um zu erkennen, dass man klugen Fälschern auf den Leim gegangen ist: "Klar, ist das nicht echt, aber diese Bilder erzählen Geschichten", sagen Art und Roy, die sich das Ganze ausgedacht haben. Der Grund: Sie wollen Touristen in ihr Dorf zu locken. "Die Idee ist, dass die Leute jetzt anhalten, um sich das anzusehen. Du entscheidest ob Du anhalten willst, in den ersten drei Sekunden. Wenn du irgendwo vorbeifährst. Und jetzt sagen die Leute, sie mögen das Dorf. Die meisten Häuser stehen zwar weiter leer, aber es sieht besser aus", sagen die beiden Männer.
Vorher sah ihr Dorf nämlich gar nicht gut aus. Und an vielen Ecken hinter der Hauptstraße sieht man das auch immer noch. Nach dem Ende des Bürgerkriegs traf Nordirland die Rezession 2008 besonders schwer. Bauprojekte gingen pleite, Investoren blieben aus. Es gab Tage, an denen der Dorf-Metzger kein einziges Stück Fleisch verkaufen konnte. "Einmal kam eine Frau in den Laden, und sagte, das sieht hier ja aus wie Sarajewo, wie ein Kriegsgebiet. Es war wirklich deprimierend. Ein so lebendiges Dorf so niedergedrückt zu sehen", erzählt der Metzger.
Dorfbewohner ziehen mit
Deshalb waren die Dorfbewohner auch gleich Feuer und Flamme, als sie selbst für die Foto-Attrappen posieren sollten und so ihre alten Lieblingsorte wiederaufleben ließen. Robert ist einer von ihnen. Er ließ sich vor seinem Pub fotografieren. "Das hat das Dorf total verändert. Und die meisten dieser Fotos sind historisch, zeigen, was hier mal war. Die Alten haben das sofort erkannt, und das bringt Erinnerungen an gute Zeiten, und gute Erinnerungen machen gute Laune“, sagt Robert.
Und gute Laune bringt eben auch die Touristen - manchmal sogar ganze Busladungen. Die Touristen kommen aus ganz Europa und sind fasziniert von den liebevoll gemachten Fenstergeschichten.
Helen Byrne - der kreative Kopf der Bildgeschicht
Ausgedacht hat sich die Geschichten Helen Byrne. Sie war zunächst voller Sorge, ob das Dorf ihre Bildergeschichten am Ende wirklich mögen würde: "Wir hatten alle große Sorgen, dass die Leute sie zerstören oder über die Gesichter drüber malen würden, aber bis jetzt ist das nicht ein einziges Mal passiert. Das ist schon ein echter Erfolg." Und: Über die Dorfgrenzen hinaus findet diese Idee Abnehmer.
Dank der Touristen konnten die ersten Attrappen bereits abgenommen werden. So hat seit einigen Monaten wieder ein Café geöffnet. In dessen Hinterzimmer planen Roy und Art bereits die nächsten Streiche: Einen Wanderweg zur Küste und zurück.
Autorin: Annette Dittert, ARD-Studio London
Stand: 05.01.2015 09:21 Uhr
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