So., 01.02.15 | 19:20 Uhr
Das Erste
Großbritannien: Pubsterben auf der Insel - Kommerz statt Geselligkeit
Jede Woche müssen in Großbritannien zur Zeit 29 Pubs schließen, so die Zahl einer Gewerkschaft. Das sind doppelt so viele wie 2011. Ob in London oder in kleinen Städten - diese Institutionen müssen immer häufiger Luxuswohnungen oder Geschäften weichen. Damit lässt sich mehr Geld verdienen.
Pubs im Würgegriff der Investoren
Der Svan und Edgar Pub in Londons Linhope Street hatte Seele, war für Alex Melman ein Stück Zuhause. Hier hat er Freunde getroffen, so manchen Ärger runtergespült, seiner Frau den Heiratsantrag gemacht. "Früher waren hier die Lichter an, die Leute saßen draußen und schwatzten, jetzt ist alles tot und auch nicht mehr sicher. Außerdem sind die Häuser und Wohnungen hier sehr klein - der Pub war einfach unser Wohnzimmer, der Mittelpunkt unseres Lebens". Die Investoren werden wohl Wohnungen aus dem Pub machen, glaubt er. Geld schlägt Gemeinschaft. "London sei eben gierig geworden", sagt Alex.
Kräne, Baustellen, Big Business - jeder Quadratmeter ein Fest für Investoren. Nirgends anders lässt sich Wohnraum so teuer verkaufen. Altes muss Neuem Platz machen - immer mehr Pubs in Bestlage geraten in den Würgegriff. Neulich brachte einer über 35 Millionen Euro.
"Verlieren wir die Pubs, verlieren wir England"
Das Pubsterben ist nicht nur ein London-Phänomen - deswegen haben wir uns mitten in England in Hereford mit Mark getroffen. Mark rettet nicht nur das Ale, sondern auch Englands Erbe. "Der Pub ist der Mikrokosmos unserer Gesellschaft. Wir müssen kämpfen. Verlieren wir die Pubs, verlieren wir England."
Tina ist ne echte Type und in ihrem Pub in Hereford läufts. "My Pub is my Hub", sagen sie hier. Das Broadleys ist vielen Gästen Heimat und Hafen. Keiner versteht, warum hier bald Schluss sein und die geliebte Kneipe ein Coop Supermarkt werden soll.
Nun wollen sie dafür sorgen, dass es für ihren Pub keine Totenmesse geben wird. "Wenn ihr Euch jetzt nicht wehrt - habt ihr vielleicht bald keine Chance mehr dazu. Also macht mit", sagt Wirtin Tina Carey.
Last Order im Broadleys? Undenkbar. Seit über 70 Jahren gibt es den Pub. Mark von der Kampagne fürs echte Ale hat Prominenz zusammengetrommelt. Auch der Abgeordnete Jesse Normann steigt für den Pub in die Bütt - es ist ja bald Wahl hierzulande. Er kündigt ein Gesetz an, das es Supermärkten sehr schwer machen soll , Pubs zu schlucken. "Ich werde so hart wie möglich arbeiten, dass das Gesetz für das Broadleys noch rechtzeitig genug kommt", sagt der Politiker.
Hillesley: Ein Ort rettet die Tradition
Manch einer nennt es das Wunder von Hillesley, das vielleicht andernorts Schule machen kann . Der Ort in den Cotswolds ist ein Idyll. Ein einsames Idyll. Die Post hat dicht gemacht, das Pfarrhaus steht leer. Und trotzdem sind sie glücklich hier. Weil es ihn gibt - den Fleece-Inn Pub. Die Farbe ist so frisch wie der Stolz über den gemeinsamen Sieg. Als ein Investor aus dem Pub Wohnungen machen wollte, griff das Dorf zu. Sie kauften das Fleece-In und machten 130 Bürger zu Aktionären. Wenn sie jetzt ein Pint ordern, trinken sie auf, aber vor allem zu ihrem eigenen Wohl.
Ein Glücksfall, dass hier Kenntnis und Knete zusammenkamen. Und so haben die Bürger von Hillesly am Ende ihr Stück England gerettet.
Autorin: Hanni Hüsch, ARD-Studion London
Stand: 01.02.2015 21:35 Uhr
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