Mo., 14.12.15 | 04:50 Uhr
Das Erste
Frankreich: Kampf um Windräder
Manche finden sie majestätisch, andere würden sie am liebsten verschwinden lassen: Acht Windräder stehen auf dem Bergkamm mitten in den Bergen der Auvergne. Die Windräder blasen hier ganz heftig, und zwar zum Sturm: Es herrscht Streit zwischen zwei Dörfern.
Windräder machen Leben zur Hölle
In Saint Clément stehen die Windräder zwar auf Gemeindegebiet, aber man kann sie vom Dorf aus nicht sehen. In Lavoine dagegen, auf der anderen Seite des Bergkamms, sieht man sie. Und wie! Dabei verfügt Lavoine über kein einziges eigenes Windrad. Und den Menschen in Lavoine, die ganz nah wohnen, machen die Windräder das Leben zur Hölle – sagen sie. So wie Claude Scheffer. Er hört das Surren der Windräder, manchmal laut wie ein Flugzeug – Tag und Nacht: "Doppelverglasung und isolierende Fensterläden aus Aluminium und eine Schalldichtung mussten wir installieren. Wenn man sich darauf konzentriert, findet man gar nicht mehr in den Schlaf. Das ist höllisch." Sein Haus steht 540 Meter von den Windrädern entfernt. Der Mindestabstand von 500 Metern ist penibel eingehalten. Deshalb sind alle seine Klagen abgewiesen worden. Dabei hört man den Lärm sogar noch in viel größerer Entfernung.
Kritik prallt an Bewohnern von Saint Clément ab
Solche Klagen prallen an Benoît de Soultrait ab. Er ist Grundbesitzer in Saint Clément und bekommt regelmäßig Geld für die Windräder: "Ich habe die ja nicht bestellt. Die Betreibergesellschaft hat gefragt, welche Grundbesitzer gegen Miete solche Windräder auf ihrem Grund aufstellen würden. Und hier oben bläst ja der Wind ganz ordentlich." In seinem Dorf hört und sieht man die Dinger nicht. In der Bäckerei von Saint Clément spricht man deshalb eher über die Ästhetik: "Das ist hier eine Berglandschaft. Die stören doch nicht wirklich. Und irgendwo muss man sie ja aufstellen", sagt ein Kunde.
Der Gemeinderat war einstimmig dafür, denn das sei eine saubere und erneuerbare Energie – und ein bisschen lockte auch das Geld. Bürgermeister Fernand Boffetey hat zwar nicht die hohe Gewerbesteuer bekommen, die ihm mal versprochen worden war, denn die steuerliche Verteilung wurde verändert. Deshalb bekommt seine Gemeinde jetzt nur 5.800 Euro. Aber besser als nichts. Und denen in Lavoine, denen hat er ein Schnippchen geschlagen: "Der Bürgermeister von Lavoine fand das ja alles keine gute Idee: Er hat darum gekämpft, dass die Windräder nicht so nah gebaut werden. Während wir hier in Saint Clément die Räder ja gar nicht sehen." Und so genießt er lausbübisch seinen kleinen Streich, dass er den Nachbarn in Lavoine die Windräder direkt vor die Nase gesetzt hat – unübersehbar und unüberhörbar.
"Keiner kann so etwas akzeptieren"
Das regt natürlich Jean-Dominique Barraud, den Bürgermeister von Lavoine, noch immer auf. Egal, wo er auch hingeht, er sieht sie immer, obwohl sie nicht auf seinem Gemeindeboden stehen: "Keiner kann so etwas akzeptieren. Und dann noch der Lärm und die anderen Nachteile, und der Preisverfall der Immobilien. Bei uns gibt es Häuser, die praktisch nichts mehr wert sind wegen der Windräder. Keiner will die mehr kaufen." Und überhaupt sei das doch sowieso alles Quatsch mit den Windrädern, meint er, weil es hier viel zu wenig Wind gebe.
Da fragen wir mal zur Sicherheit nach. Doch die Betreiber sagen, der Ort sei zwar nicht ideal, aber die Räder würden zu 80 Prozent funktionieren und sogar genug Strom liefern, um 13.000 Menschen zu versorgen. "Es ist ein Windpark, der gut produziert. Wir sind ja auf einem Bergkamm. Hier gibt es schon ziemlich starken Wind. Im Vergleich mit anderen Orten in Frankreich gibt es natürlich auch Zonen, wo es noch mehr Wind gibt und somit mehr Strom produziert werden kann", erklärt Cedric Dessailly, Direktor der Betreibergesellschaft JPEE.
Weitere Windräder geplant
Unterhalb des Windrades mit der Nummer vier liegt der Bauernhof von Ludovic Osseda. Für ihn sind nicht nur der Anblick und der Lärm das Problem. Er behauptet, dass sogar seine 60 Kühe unter den Windrädern leiden: "Als sich die Windräder mal drei Wochen nicht gedreht haben, haben wir festgestellt, dass die Milch besser war. Vorher haben wir das so nicht mitgekriegt. Aber als die Windräder wieder funktionierten, haben wir bemerkt, dass die Milch schlechter wurde und nicht mehr so gut geschmeckt hat. Aber das wir können natürlich nicht beweisen. Wenn wir damit vor Gericht gehen würden, würden die uns sofort abschmettern. Die würden bestimmt sagen, das kommt von der Ernährung, vom Wetter und so weiter."
Ludovic Osseda befürchtet, dass es bald noch mehr von den weißen Ungetümen geben wird. Die Planungen sind schon fertig. Der Wind, diese eigentlich so sanfte Energie, wird den Streit hier zwischen Saint Clément und Lavoine wohl noch sehr lange mächtig beflügeln.
Autor: Mathias Werth, ARD-Studio Paris
Stand: 10.07.2019 07:45 Uhr
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