Mo., 09.11.15 | 04:50 Uhr
Das Erste
Arm aber stark – die Kindermönche von Bagan
Bagan ist die alte Köngisstadt im Herzen Myanmars. Wenn die Sonne geht, der Mond erscheint und die Nacht sich über die Pagoden wölbt, dann, nicht mehr lange, schlägt die Stunde der Kindermönche. Mitten in der Nacht beginnt der Tag für die Novizen von Bagan. Und wie jeden Morgen bereiten sie sich auf ein Ritual vor, das so alt ist wie der Buddhismus selbst – auf den Bettelgang.
Ein ganzes Leben im Kloster
Etwa eine halbe Million Mönche, Nonnen und Novizen gibt es in Myanmar. Manche gehen für ein paar Monate ins Kloster, manche für ein ganzes Leben. Viele Kinder sind hier, weil ihre Eltern zu arm sind, um für sie zu sorgen. So wie der 13-jährige Aung San Moe. Seit sechs Jahren ist der Junge im Kloster. Das Mönchsein hat sein Leben grundlegend geändert: "Jeden morgen um vier Uhr stehe ich auf, putze mir die Zähne und dann fahren wir los. Wir stehen fürs Frühstück an. Wir kommen alle aus armen Familien, aber die Menschen kochen für uns und das freut mich." "Wir glauben, dass wir uns Verdienste erwerben, wenn wir für die Mönche kochen – morgens und mittags. Und je früher wir aufstehen, umso mehr werden wir im nächsten Leben dafür belohnt" sagt ein Helfer, der für die Kindermönche kocht.
Kloster bietet Kindern eine Zukunft
Das Kloster bietet den Kindern eine Zukunft, aber das Leben als Mönch hat seinen Preis. So wie Aung San Moe, müssen die Kinder von allen weltlichen Wünschen Abschied nehmen. Sie sollen nichts besitzen. Alles, was sie brauchen, Kleidung, Schuhe, Essen und Trinken wird ihnen gespendet. Alles im Kloster ist streng geregelt. 20 Minuten haben die Kinder für das Frühstueck. So lernen sie Pünktlichkeit und Disziplin. Nur zwei Mal am Tag dürfen die kleinen Mönche essen. Abends gehen die Kinder oft hungrig ins Bett. Verzicht und Entbehrung gehören fest zum buddhistischen Glauben. Und damit auch das Magenknurren. "Mir geht es hier trotzdem gut. Ich habe sogar Fleisch zu essen", sagt Aung San. "Aber um meine Schwester mache ich mir Sorgen. Sie lebt bei meinen Eltern und hat häufig Hunger."
Bagan - die Tempelstadt
Die Sonne geht auf und taucht Bagan, die Tempelstadt, in ein mystisches Licht. Mit den ersten Sonnenstrahlen steigen auch die Heißluft-Ballons gen Himmel. Früher waren es ganze vier, heute sind es deutlich mehr. So viele Touristen lassen sich berauschen von einem sagenhaften Ausblick: bis an den Horizont Pagoden und Tempel. Vor über 1.000 Jahren von den Herrschern errichtet – als Symbol ihrer Macht und zu Ehren Buddhas.
Urtümlicher Buddhismus hat sich erhalten
In Myanmar hat sich ein urtümlicher, frommer Buddhismus erhalten. Vielleicht auch durch die jahrzehntelange Abschottung des Landes. Arm und Reich, Jungen und Mädchen gehen in die Klosterschulen. Der Unterricht der Mönche ersetzt häufig staatliche Schulen. Manche Kinder gehen nach der Ausbildung im Kloster sogar auf die Universität. "Sie lernen bei uns alles, was sie wissen müssen – wie in jeder anderen Schule: Englisch, Mathe, Erdkunde, Geschichte. Sie brauchen später einen Abschluss. Wir helfen ihnen dabei", sagt Mönch U Khay Main Na.
Die Novizen kämpfen sich durch die buddhistischen Gesänge. Das Mönchsein kann hart und ermüdend sein. Die Kinder haben Ratscher und Wunden. Ihnen wurde der Kopf geschoren – mit Rasierklingen aus China, klagt der Abt. So gab es ein paar Verletzte. Für Aung San Moe gehört auch das zum Leben im Kloster: "Ich freue mich darauf, irgendwann ein richtiger Mönch zu sein. Dann kann ich auch anderen Kindern helfen – die, so wie ich, aus einer armen Familie kommen und niemanden haben, der sie unterstützt." Die Kinder lernen im Kloster, für sich selbst zu sorgen: putzen, aufräumen, waschen. Erst am Abend dürfen die Kindermönche tun, was Kinder am liebsten tun: spielen.
Einfluss der Mönche ist groß
Der Einfluss der Mönche auf die Menschen in Myanmar ist enorm. Sie standen lange für ein friedliches Zusammenleben. Erst in den letzten Jahren machen radikale Buddhisten Stimmung gegen Andersgläubige. Hier in Bagan will der Abt die kleinen Mönche zu Toleranz erziehen: "Wir wollen, dass die Kinder ein gutes Leben führen", sagt der Abt. "Wir wollen keinen Ärger und wir wollen keine Extreme, denn Extreme sind gefährlich. Wir wollen die Kinder zu guten Menschen machen."
Autor: Philipp Abresch, ARD-Studio Singapur
Stand: 10.07.2019 01:16 Uhr
Kommentare