Mo., 09.11.15 | 04:50 Uhr
Das Erste
Pioniere der Wirtschaft – ein Land im Aufbruch
Fabriken bis zum Horizont: Myanmar ist im Investitions-Rausch. Vor drei Jahren noch standen die meisten Betriebe in einem Industrieviertel bei Yangon still. Das hat sich rasant geändert. Neu sind auch die riesigen Slums zwischen den Fabriken. Aus dem ganzen Land ziehen Menschen hierher – auf der Suche nach Arbeit. Gleich vor den Fabriktoren bauen sie ihre Hütten, vor allem bei den arbeitsintensiven Textilfabriken. Bei einer Arbeitslosigkeit von über 30 Prozent ist ein Job hier durchaus begehrt: "Ich verdiene fürs Nähen 100.000 Kyat im Monat", sagt eine Arbeiterin – umgerechnet 70 Euro.
Aufhebung der Handelssanktionen des Westens
Wir sind auf der Suche nach einem alten Bekannten. Einem Unternehmer, der vor drei Jahren mit seiner Textilfabrik stets kurz vor der Pleite stand. Wir werden fündig. Success Creator heißt seine Firma. Und er baut gerade eine funkelnagelneue Fabrik. Seit Aufhebung der Handelssanktionen des Westens gegen Myanmar boomt das Textilgeschäft. Aber er ist nicht hier. Man nennt uns eine Adresse. Wir quälen uns durch die Verkehrsstaus von Yangon. Keine Schrottautos wie einst, als der Autoimport von den Militärs noch verboten war. Heute: viele brandneue Wagen. Und hier finden wir unseren alten Freund: hinter der glitzernden Fassade eines topmodernen Autohauses.
"Das Investieren ist einfach"
Mister Khin Tun hat seine Geschäfte ausgebaut: neben der Textilfabrik jetzt Autohandel und Investitionen in Büro-Hochhäuser. "Es fließt viel ausländisches Kapital ins Land", sagt er. "Vor allem aus China. Europäische Unternehmen zögern. Noch gibt es Korruption und Rechtsunsicherheit. Chinesen sind flexibler. Unsere Regierung hat die Tür aufgemacht. Wenn man sich hier auskennt, ist das Investieren einfach."
Was erwartet Khin Tun von der Wahl? Was passiert, wenn die Opposition gewinnt? "Ob die Regierung wechselt oder nicht", sagt er optimistisch, "das Land wird sich in jedem Fall weiter ändern." 700 neue Autos hat Khin Tuns Firma im vergangenen Jahr verkauft. Der billigste Ford hier kostet 70.000 Euro, ein Range Rover bis zu 300.000. Offenbar gibts durchaus reiche Leute in Myanmar.
Ein Drittel der Menschen unterhalb der Armutsgrenze
Schichtende bei den Textilfabriken im Industrieviertel: Wer nicht in der Nähe wohnt, muss sich in eines der Transportautos drängeln. Noch ist der neue Reichtum in Myanmar höchst ungleich verteilt. Selbst Arbeiterinnen gelten schon als privilegiert, in einem Land, in dem ein Drittel der Menschen unterhalb der Armutsgrenze lebt. Wirtschaftlich steht Myanmar noch ganz am Anfang.
Autor: Robert Hetkämper
Stand: 10.07.2019 01:16 Uhr
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